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Abgebrüht

In Afghanistan sind derzeit 4500 Soldaten im Einsatz - und die möchten alle jeden Tag drei Mahlzeiten haben. Das ist eine logistische Herausforderung , und eine an die Köche. Lecker soll es sein, in fest installierten Lagern nicht so schwierig. Aber was, wenn die Küche in den Einsatz muss?

Von Anja Kempe | 14.10.2010
    "Ich denke, der Küchensoldat in Masse hat weniger das Gefühl, im Krieg zu sein. Das suggeriert einem dann eben, dass man vermeintlich in Sicherheit ist. Aber das kann durchaus täuschen."

    Fit für Afghanistan sollen die Köche der Bundeswehr sein, die im Trainingslager in Osterholz bei Bremen auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Ein Verpflegungszelt ist hier aufgebaut, originalgetreu, genau wie in Kabul, Mazar-e-Sharif, Kundus und Feyzabad.

    "Ich war jetzt letztes Jahr im Kosovo gewesen, mein erster Einsatz, und jetzt kommt Afghanistan. Bin mal gespannt, was mich erwartet dort."

    Feldkochunteroffizier Lars Thole hat im Landgasthof ‚Zur Rose' bei Aschaffenburg den Beruf des Kochs erlernt. Und dann hat er sich abwerben lassen. Die Bundeswehr suchte dringend Fachkräfte aus der Wirtschaft, Bäcker, Metzger und Köche. Für Lars Thole kommt nun der erste Einsatz als Feldkoch in Afghanistan - wenn das Training beendet ist.

    "Auch die Köche müssen ganz normal ihre Auslandsausbildung mitmachen, und da kriegt man auf jeden Fall alles beigebracht, von Anschlägen bis Angriffen, da ist alles dabei. Muss man auch als Koch durchlaufen."

    Würden Sie auch Patrouille fahren?

    "Nee Nee, für mich nit. Wär nix für mich. Lieber schön drinnen. Da fühl ich mich sicher in der Küche."

    Doch für den Einsatz drinnen gibt es keine Garantie mehr, nicht für die Soldaten, und auch nicht für die Köche, sagt Peter Radek, der diensthabende Kommandeur der Verpflegungseinheiten.

    "Die Einsätze entwickeln sich weiter. Wenn Sie jetzt stärker Kampftruppe haben, wenn zum Beispiel unsere Truppen eher in mobilen Einsätzen sind, dann geben wir denen Verpflegungskräfte mit."

    Vom Herbst 2010 an soll die neue Afghanistanstrategie der NATO umgesetzt werden, die, wie es heißt, "Präsenz in der Fläche". Bis November soll die Aufstellung vollständig sein, weit weg von den Feldlagern. Aber die Bundeswehr war ja noch nie in militärischen Einsätzen im Felde, die Soldaten nicht, und die Feldköche auch nicht.

    "Wenn das Verpflegungspersonal mit Kräftegruppierungen raus geht, dann marschieren sie in einer Kolonne mit, wie jedes andere Fahrzeug auch.
    Und das weiß man ja, dass Kolonnen auch angesprengt und beschossen werden. Die Überwachung eines Raumes, in dem man eine stärkere Präsenz zeigen muss, das ist natürlich für den Einsatz des Personals eine deutlich andere Herausforderung.
    Und dann gehört natürlich dazu, dass unsere Verpfleger sich auch soldatisch verhalten können müssen. Denn sie unterliegen Bedrohungen genauso wie der Angehörige der Kampftruppe. Sie können nicht davon ausgehen, dass in einer Bedrohungslage jemand unterscheidet zwischen einem Angehörigen der Kampftruppe und einem Koch. Ich bin hier nur der Koch, das funktioniert nicht."

    "Ich bin Koch und Soldat. Ist halt echt abwechslungsreich."

    Der Feldkochunteroffizier Ralf Bielmeier geht auch das erste Mal nach Afghanistan.

    "Also man hat normal seine Schutzausrüstung dabei. Ich bin ja selber noch nicht unten gewesen. Von Erzählungen haben sie immer gesagt, dass man dann seinen Plan hat, also wenn jetzt eine Explosion kommen sollte, dass man dann nicht erwischt wird. Aber ich kenn mich da echt nicht aus so richtig."

    Der Feldkoch ist ein Kriegshandwerker, das war schon in der Antike so. Kriegserfahrene Armeen, zum Beispiel die amerikanischen oder die britischen Streitkräfte, wissen das genau. Hauptmann Reinhard Neumann trainiert die Küchensoldaten der Bundeswehr.

    "Der Koch hat natürlich immer zwei Funktionen. Das heißt, einmal grundsätzlich militärisch, das ist eine relativ überschaubare Zeit, dass man das nicht über Gebühr durchführt, ist klar, jedenfalls nicht aus Übungszwecken, weil man natürlich das Funktionieren der Küche auch aufrechterhalten muss, aber nicht desto trotz, das findet statt, ganz klar."

    "Man muss einfach warten, bis man dort ist. Weil, für mich ist es ja der erste Einsatz. Und dann muss man mal gucken, wie reagiert man. Weil es ja doch für den Körper was Ungewohntes ist. Man kennt's ja nicht. Weil, wann hat man in Deutschland schon mal einen Anschlag oder so was in der Art."

    Lars Thole, der Feldkoch aus Aschaffenburg, streicht sich die Schürze glatt. Afghanistan wird eine Herausforderung sein.

    "Wenn große Trupps raus gehen, kann natürlich auch eine Küche raus fahren. Wir haben auch mobile Küchen, das ist diese Anhängerfeldküche für 250 Personen, da kann er auch im Feld mit kochen. Dann werden die dieses mobile Gerät nehmen und hinterher fahren und dann im rückwärtigeren Raum, also nicht da, wo direkt die Kampfhandlungen stattfinden, sondern in unmittelbarer Nähe, kochen."

    Ins Feld zieht der Verpflegungstrupp mit der Anhängerfeldküche, erklärt Oberstabsfeldwebel Wilfried Blanck. Der Einachsanhänger wird hinten an einen Lkw angehängt - wie früher zu Zeiten des Kalten Krieges, als es über Stock und Stein in die Lüneburger Heide zum Manöver ging.

    "Der Lkw wurde da Transportfahrzeug, und der Anhänger das Kochfahrzeug. Und das Gerät haben wir heute noch."

    In Nordafghanistan, dem Verantwortungsbereich der Bundeswehr, befinden sich die nördlichen Gebirgsketten des Hindukusch und die Steppen und Wüstenflächen der baktrischen Tiefebene um Masar-e Scharif.

    "Der Einachsanhänger ist natürlich wie jeder Anhänger nicht ganz einfach zu handlen, vom Wendekreis über Rückwärtsfahren. Er wird immer schauen, wo hab' ich eine feste Unterfläche, ja."

    Wenn die Taliban mitspielen, können die Kolonnen die in den 60er-Jahren gebaute Ringstraße benutzen, die Kabul und Mazar-e-Sharif verbindet, aber nur im Winter. Im Frühling beginnt die Regenzeit, und bis weit in den Sommer hinein schmilzt der Schnee der Hindukuschberge. Dann versinkt die Region um Mazar-e-Sharif und Kundus im Schlamm, und allerorts sieht man Kamelkarawanen durch knöcheltiefen Morast ziehen.

    "So ein Lkw mit Anhänger-Feldküche wird also immer Abstand halten von stehenden Gewässerflächen, Pfützen, sonst etwas, auch Pfützenbildung wird er nicht zulassen. Also es gibt Standards, die wir nicht unterschreiten. Ansonsten wird man an den verantwortlichen Führer herantreten und sagen, ich kann in diesem Bereich meinen Auftrag nicht gewährleisten."