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Abgeordnete Kahrs und Kruse
Strippenzieher in Sachen Kultur

Eigentlich bestimmt der Ausschuss für Kultur und Medien im Bundestag, welche Kulturprojekte- und -institutionen gefördert werden. Doch häufig haben die Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) die Finger im Spiel. Sie gehören dem Haushaltsausschuss an und haben eine Menge Macht angehäuft - zum Ärger vieler Kollegen.

Von Christiane Habermalz | 08.09.2016
    Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs sitzt vor Beginn des Bundestags-Untersuchungsausschusses im Paul-Löbe-Haus in Berlin.
    Johannes Kahrs (SPD) ist in Kulturdingen einflussreicher als mancher Kulturpolitiker. (dpa / Paul Zinken)
    Johannes Kahrs und Rüdiger Kruse sind beide Hamburger, und sie kennen sich gut aus mit Finanzen. Sozialdemokrat, Raubein, notorischer Twitterer der eine, Christdemokrat, Feingeist, Vertreter der konservativen Hamburger Bürgerschaft der andere. Beide sind Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und zuständig für den Etat der Kulturstaatsministerin – und damit in Kulturdingen einflussreicher als mancher Kulturpolitiker.
    Wer sie überzeugt, hat gute Karten, für sein Projekt noch etwas abzubekommen aus den Kassen des Finanzministers. Und in diesem Jahr der Haushaltsüberschüsse gibt es einiges zu verteilen.
    "Dem Bund geht es gerade sehr gut. Dann muss man auch gucken, dass Geld an die Kultur kommt, und deswegen haben wir im Haushaltsausschuss in den letzten drei Jahren in steigendem Maße das Geld für den Kulturbereich erhöht. Und ich glaube, dass das elementar wichtig ist. Es werden auch wieder die Zeiten kommen, wo jeder spart, auch bei der Kultur",
    sagt der SPD-Mann Johannes Kahrs – und CDU-Kollege Kruse ergänzt: "Ich geh mal davon aus, dass Kultur wieder partizipiert, wenn wir Haushaltssteigerungen vornehmen. Da bin ich optimistisch."
    Große Koalition für die Kultur
    K&K werden sie auch genannt, Kahrs und Kruse, die Große Koalition für die Kultur. Eigentlich ist es der zuständige Fachausschuss für Kultur und Medien, der mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Etat aushandelt, die einzelnen Posten diskutiert, sich mit den Bedürfnissen der vom Bund bezuschussten Kulturinstitutionen auseinandersetzt. Der Etat wird vom Kabinett verabschiedet und jedes Jahr im September im Bundestag debattiert.
    Doch dann schlägt die Stunde der Haushälter. Am Ende des Jahres sind sie es, die entscheiden, ob für das ein oder andere knapsende Kulturprojekt noch etwas draufgelegt wird oder nicht. Top oder flop. Eine Machtfülle, die bei manchen schon Fragen danach aufwirft, wer eigentlich die Kulturpolitik des Bundes bestimmt? Grütters, der Kulturausschuss oder K&K? Rüdiger Kruse jedenfalls ist durchaus stolz auf das Erreichte.
    "Das Museum der Moderne hätte es nicht gegeben, das Bauhaus-Jubiläum würde stattfinden ohne neue Museen, wir haben das Ding in Dessau auf den Weg gebracht, wir haben jetzt für Wuppertal Pina Bausch Tanzzentrum, Umbau des neuen Schauspielhauses die Hälfte übernommen, nur dadurch kommt das Ganze jetzt in Gang, das sind alles Akzente, die, wenn wir das nicht gemacht hätten, nicht gekommen wären.
    Kritik an der Macht von K&K
    Nicht jeder ist glücklich mit dem kulturellen Gestaltungswillen der Finanzpolitiker. Von einem Demokratiedefizit ist schon mal die Rede und von kurfürstlichem Gebaren. Wolfgang Thierse macht aus seinem Ärger über die Art und Weise, wie im Mai dieses Jahres das geplante Freiheits und Einheitsdenkmal vom Haushaltsausschuss wegen steigender Baukosten gekippt wurde, keinen Hehl.
    "Ich finde, das ist ein erstaunlicher Vorgang. Zwei Haushälter entscheiden über zwei Entscheidungen des Bundestages. Ohne Beteiligung des Fachausschusses, des zuständigen. Und ich finde es auch hochproblematisch, dass das Parlamentsplenum, obwohl es doch zweimal in der Sache entschieden hatte, nicht wieder damit befasst worden ist."
    Befremden über Versetzung des Berliner Neptunbrunnens
    Befremden löste vergangenen November auch die Entscheidung des Haushaltsausschusses aus, zehn Millionen Euro für die Sanierung und die Rückversetzung des Neptunbrunnens vom Alexanderplatz vor das Berliner Schloss bereitzustellen. Dabei war die Debatte über die Gestaltung des Areals noch in vollem Gange. Berliner Stadtentwicklung werde immer noch in Berlin gemacht und nicht im Haushaltsausschuss des Bundestages, ließ der zuständige Berliner Senator Andreas Geisel wissen.
    Kulturpolitik sei immer Mannschaftssport, hält Kahrs den Kritikern dagegen. Und wenn am Ende etwas Gutes entstehe, dann sei daran doch nicht auszusetzen. Die meisten Kulturinstitutionen würden das sicher unterschreiben.