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Abgeschobene in Afghanistan
Rückkehrer brauchen viel Hilfe

Ein 23-jähriger aus Deutschland abgeschobener Afghane hat sich in Kabul erhängt. Dort war er von der Internationalen Organisation für Migration betreut worden. Die kümmert sich um zurückgekehrte Flüchtlinge - von denen viele unter starken psychischen Probleme leiden.

Von Silke Diettrich | 11.07.2018
    Ein Schild mit der Aufschrift "ARRIVAL LOUNGE" steht am 24.01.2017 am Flughafen in Kabul (Afghanistan).
    Abgeschobene müssen in Afghanistan ganz neu anfangen - oft brauchen sie erstmal eine Unterkunft, oft auch viel mehr (dpa / Christine Röhrs)
    Der junge Mann habe acht Jahre lang in Deutschland gelebt, zuletzt in Hamburg. Nun sei er in einem Hotel in Kabul aufgefunden worden, er habe sich erhängt, sagt Hafiz Miakhil, vom Flüchtlingsministerium in Kabul. Mit 68 anderen Abgeschobenen sei der 23-jähirge am 4. Juli in Kabul angekommen, bestätigt Laurence Hart. Er ist der Leiter der Internationalen Organisation für Migration in Kabul. Diese Organisation der Vereinten Nationen, kurz IOM, kümmert sich anfangs in Absprache mit den afghanischen Behörden um die Menschen, die aus Europa abgeschoben werden.
    Organisatorische Hilfe und Gespräche
    Wie bei allen anderen, haben die Mitarbeiter der IOM auch dem 23-jährigen eine Unterkunft für die ersten Tage besorgt, weil der junge Mann niemanden in Kabul kannte. Geboren wurde er in Nordafghanistan, in der Provinz Balkh. Dorthin, so hat es der Mann wohl den Mitarbeitern der IOM gesagt, habe er auch wieder zurück gehen wollen. Mitarbeiter der IOM, wie Shah Zaman, bieten den Abgeschobenen in Gesprächen vor allem organisatorische Hilfe an.
    "Der Rückkehrer wird aufgeklärt, dass er gewisse Hilfen in Anspruch nehmen kann. Hier geht es konkret darum, dass er zum Beispiel Dokumente vorlegen muss wie Mietvertrag, Geschäftslizenz oder Rechnungen, wenn er etwas gekauft hat."
    Rückkehrer oft psychisch stark angeschlagen
    Die Bundesregierung verteilt über die IOM sogenannte Wiedereingliederungshilfen. 700 Euro wenn die Rückkehrer eine Fortbildung machen oder einen Laden eröffnen wollen. Das ist in Afghanistan allerdings sehr schwierig, die Wirtschaft im Land liegt am Boden. Die Abgeschobenen seien sehr häufig psychisch stark angeschlagen, sagt Fareshta Querees. Sie arbeitet in Kabul für die Internationale Psychosoziale Organisation IPSO. Die wird vom Auswärtigen Amt unterstützt. Doktor Fareshta und ihre Mitarbeiter bieten kostenlos Beratungen an, um den Abgeschobenen psychisch zu helfen.
    "Unsere afghanische Gesellschaft wird von Schamgefühlen regiert. Und die Rückkehrer, das sehen wir in unseren Beratungen immer wieder, die fühlen sich als Versager. Flucht und Rückkehr, das ist nicht einfach. Sie haben keine Lust mehr auf ihr Leben. Und deshalb interessieren sie sich auch gar nicht für die Gesellschaft hier. Sie versuchen nicht einmal, über ihre Nöte zu reden. Unser Ziel ist es, die Rückkehrer zum Sprechen zu bringen."
    Angst vor Anschlägen
    In nicht wenigen Fällen leiten Doktor Fareshta und ihr Team eine Psychotherapie ein. Aber viele der Abgeschobenen trauen sich nicht einmal, zu dieser Beratung zu gehen. Viele trauen sich auch tagelang nicht aus dem Haus, weil sie Angst vor Anschlägen haben. Die haben vor allem in Kabul in den letzten Jahren stark zugenommen.
    Die Regierung hat gar nicht mehr die Kontrolle über ganz Afghanistan. 14 Prozent des Landes wird von Extremisten kontrolliert, auf über 30 Prozent afghanischen Bodens gibt es Kämpfe. Experten sagen, die Taliban würden in über 70 Prozent des Landes eine deutliche Kontrolle ausüben. Sie lehnen Friedens- und Waffenstillstandsangebote ab und verschärfen ihre Angriffe auf Regierung, Sicherheitskräfte, Bezirks- und Provinzzentren. Der sogenannte Islamische Staat verübt schwere Anschläge in urbanen Zentren.