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Abhören und Sammeln

Sechs Monate lang sollen in Zukunft Verbindungsdaten gespeichert werden, von allen Festnetz- und Mobiltelefonen, von Computern, die ans Internet angeschlossen sind, E-Mail-Daten inklusive. Morgen wird sich der Bundestag in erster Lesung mit dieser so genannten Vorratsdatenspeicherung befassen. Einem Projekt, das über europäisches Recht weitgehend vorgezeichnet ist. Trotzdem erregen sich nicht nur Datenschützer und Oppositionspolitiker. Vor allem unter Internet-Nutzern sprechen viele von einem Generalverdacht gegen die gesamte Bevölkerung, von einer neuen Qualität der Überwachung.

Von Gudula Geuther | 05.07.2007
    "Es gehört sich einfach nicht, von Menschen solche Daten zu speichern, es sei denn, es besteht ein Verdacht auf Straftaten, also ein dringender Verdacht - dann natürlich. Wenn ein Ermittlungsverfahren läuft, gerne. Aber ich glaube, das betrifft nicht 80 Millionen Menschen in Deutschland, die dauernd irgendwelche kriminellen Dinge planen."

    So der Aktivist des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, der in der Öffentlichkeit nur unter dem Namen padeluun firmiert: Datenschutz ist schließlich Programm. Und die informationelle Selbstbestimmung ist wieder ein gesellschaftsfähiges Thema, lange nach der Aufregung um Volkszählung und maschinenlesbare Ausweise, glaubt padeluun. Er verweist darauf, dass mehrere tausend Bürger ihre Bereitschaft erklärt hätten, gegen die Datensammlung vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, sobald das erwartete Gesetz in Kraft tritt.

    "Diese Frage, die uns oft gestellt wird: Damals, zu Volkszählungszeiten, da waren so viele Leute auf der Straße und haben dagegen opponiert, wo sind die heute? Doch, wir sehen sie, die sind auch da. Wir haben andere Strukturen, wir haben Mailing-Listen, auf denen wir uns austauschen-"

    Sollte es sie tatsächlich geben, die neue Datenschutzbewegung, dann versteht die Bundesjustizministerin den Anlass nicht. Denn, so Brigitte Zypries, von einer neuen Qualität der Datensammlung könne keine Rede sein:

    "Auch heute schon ist es so, dass wir auf die Daten der Telekom aufgrund richterlichen Beschlusses zugreifen können, wenn wir sie zu Strafverfolgungszwecken brauchen. Wir stellen künftig nur sicher, dass sie dann auch tatsächlich sechs Monate da sind. Das ist aber nichts anderes, als heute tatsächlich auch schon stattfindet."

    Ebenso wie die altbekannte Telefonüberwachung. Über den Streit um die Vorratsdaten blieb zurück, dass das Abhören im selben Gesetzentwurf in weiten Teilen neu geregelt wird. Von der Vorratsdatenspeicherung unterscheidet sich das in vielfacher Hinsicht: Abgehört wird nicht flächendeckend, sondern nur im Einzelfall, in der Regel auf richterliche Anordnung. Dafür aber geht es um die Inhalte, um das gesprochene Wort, und nicht nur um die Frage, wer wann mit wem Kontakt hatte. Die vergleichsweise leise Diskussion um die Telekommunikationsüberwachung, also ums Abhören, ist umso bemerkenswerter, als man auf die Neuregelung jahrelang gewartet hatte. Denn die Zahl der überwachten Telefone steigt seit Jahren, und das recht schnell.

    Im Jahr 2000 wurden dreimal mehr Abhörvorgänge angeordnet als noch fünf Jahre zuvor. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und die Bundesnetzagentur kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der Abhörvorgänge auch in den fünf Jahren bis 2005 nochmals annähernd verdreifacht hat auf 42.508 Anordnungen.

    Kritiker monierten seit langem, wann überhaupt abgehört werden dürfe, folge keinem logischen System. Richter würden die beantragten Maßnahmen ohne ernstzunehmende Kontrolle mehr oder weniger abnicken, Betroffene würden viel zu selten benachrichtigt. Vor acht Jahren gab die damalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin ein umfangreiches Gutachten beim Freiburger Max-Planck-Institut in Auftrag, das seit vier Jahren vorliegt. Darin zeigte sich, nicht alle, aber einige Vorwürfe sind berechtigt. Zuerst zum Positiven:

    Deutschland ist nicht, wie es immer wieder hieß, Weltmeister im Abhören. Dass die Zahl der Anordnungen steigt, entspricht einem allgemeinen Trend. Zwar werden auch mehr Personen abgehört, vor allem aber mehr Telefone. Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass seit dem Siegeszug der Mobiltelefone mehr Anschlüsse existieren und dass besonders in kriminellen Milieus häufig wechselnde Mobiltelefone verwendet werden. Anders als teilweise befürchtet bringt das Abhören auch deutliche Erfolge, vor allem im Bereich von Drogendelikten. Auch wenn das belauschte Gespräch eher selten als Beweismittel verwendet wird, so führt es doch in vielen Fällen dazu, dass die Ermittler auf Beweise stoßen.

    Praktiker und Politiker quer durch die Parteien gehen demnach davon aus, dass das Abhören als Instrument der Strafverfolgung unverzichtbar ist. Anders sieht es nach dem Gutachten bei Einzelfragen aus.

    Richter begründen, anders als Gesetz und Verfassungsgericht es vorsehen, die Anordnung häufig nur formelhaft. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass sie die Frage, ob das Abhören wirklich nötig ist, nicht ausreichend prüfen. Obwohl gesetzlich festgeschrieben ist, dass die Betroffenen im Nachhinein informiert werden müssen, erfahren sie nur in jedem vierten Fall von der Maßnahme. Und auch das meist, weil es in den Strafakten steht und nicht von der Behörde selbst.

    Der jetzt vorgelegte Entwurf soll diesen Mängeln abhelfen. Denn auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries geht davon aus, dass es sich beim Lauschen um einen gravierenden Eingriff in die Freiheitsrechte handelt. Erster Ansatzpunkt ist der Straftatenkatalog, die Liste der Taten also, nach der laut Strafprozessordnung die Ermittler überhaupt daran denken können, sich in die Leitung zu schalten. In Zukunft darf nach dem Entwurf nur bei besonders schweren Straftaten gelauscht werden, allerdings bei einigen mehr als bisher. Die Bundesjustizministerin:

    "Wir haben neu aufgenommen in den Straftatenkatalog schwere Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität wie etwa Korruptionsdelikte, gewerbs- oder bandenmäßiger Betrug, andere bandenmäßige Delikte wie zum Beispiel Urkundenfälschung, schwere Steuerdelikte, Menschenhandelsdelikte und jegliche Form der Verbreitung von Kinderpornografie."

    Manchen in den Ländern geht das freilich noch nicht weit genug. Vor allem die bayerische Justizministerin Beate Merk, die einen sehr viel weiter gehenden Entwurf vorgelegt hatte, kritisierte im Bundesrat, bei der Korruption solle man die Schwelle niedriger legen. Die Grünen hatten in einem zuvor vorgelegten Entwurf stattdessen eine allgemeine Grenze vorgeschlagen. Darunter wären erst einmal mehr Straftaten gefallen, dafür sollten detaillierte Regeln über die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall die Zahl der Anordnungen auf das unbedingt Nötige begrenzen. Der Wert der Änderungen im Regierungsentwurf wird sich in der Frage erweisen, wann tatsächlich abgehört wird. Klar ist, wie auch die Bundesjustizministerin betont, dass nur da abgehört werden kann, wo andere, weniger weitgehende Eingriffe in die Privatsphäre nicht genügen, und dass bei jeder Anordnung geprüft werden muss, ob die Maßnahme mit dem möglichen Erfolg im Verhältnis steht.

    Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hätte sich mehr gewünscht. Vor allem aber kritisiert er, dass nicht ausreichend kontrolliert würde, wann der ganz private Bereich berührt ist. Das geht zurück auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung, dem so genannten großen Lauschangriff und späteren zur Telefonüberwachung. Dort hatten die Richter verlangt: Ein Kernbereich privater Lebensgestaltung müsse jedem verbleiben, von der religiösen Beichte bis zum Bettgeflüster. Dort dürfe gar nicht erst gelauscht werden. Hier wird nun nachgesteuert. Aber an der konkreten Ausgestaltung stößt sich auch die Opposition wie etwa die FDP-Rechtspolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

    "Denn es wird jetzt im Gesetzestext ausgeführt, dass nur dann nicht abgehört werden darf, wenn allein Gespräche, die diesen Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, abgehört werden können. Das wird im Weg einer Prognose kaum feststellbar sein. Das heißt im Umkehrschluss: Es wird im Zweifel eine Telefonabhörmaßnahme angeordnet werden, und dann muss sie irgendwann abgebrochen werden."

    Was nicht realistisch ist, wie auch das Justizministerium eingesteht. Denn am Telefon wird fast nie live mitgehört. Erst einmal landet also alles auf Band, auch das, was für die Ermittler tabu ist. Das soll dann lediglich nicht verwertet werden. Ein großer Unterschied, glaubt auch Peter Schaar.

    "Es gibt praktisch kein Gespräch, wo ausschließlich solche höchst sensiblen Informationen ausgetauscht werden. Es gibt Gespräche, bei denen mehr oder minder intensiv solche Informationen zur Sprache kommen, bisweilen auch gar nicht. Wenn man den Maßstab des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde legt, ist dieser Maßstab durch das Gesetzgebungsvorhaben nicht erreicht worden."

    Was die Hürden für die einzelne Entscheidung, ob abgehört wird, betrifft, so baut die Justizministerin vor allem auf die Ermittlungsrichter, die das Lauschen anordnen müssen und dies in der Vergangenheit trotz Rügen aus Karlsruhe häufig in formelhaften Entscheidungen taten. Abhilfe erhofft sich Zypries von neuen, gebündelten Zuständigkeiten, nämlich des Richters am Sitz der Staatsanwaltschaft, also in der Regel beim Landgericht, die weniger von täglichen Massenverfahren belastet sind.

    "Und damit nicht mehr irgendein Amtsrichter irgendwo auf dem Dorfe, der ansonsten mit dem Verfahren weiter nichts mehr zu tun hat. Weil wir da auch wollen, dass sich da eine gewisse Sachkompetenz bei den Richterinnen und Richtern entwickelt. Wenn immer dieselben zuständig sind, dann haben die auch Vergleichsmodi und ähnliches mehr und können dementsprechend sachgerechtere Entscheidungen fällen."

    Mehr Schutz der Bürgerrechte erhofft sich Zypries aber noch durch eine andere Maßnahme: Betroffene sollen öfter erfahren, dass sie abgehört wurden. Das ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Studien haben aber ergeben, dass es weder Richter noch Staatsanwälte damit allzu genau nehmen. Und tatsächlich ist teilweise der Aufwand immens, wenn sie herausbekommen müssen, wer eigentlich wann genau bei welchem Gespräch belauscht wurde. Der Entwurf der Grünen ist in der Zielrichtung ähnlich wie der aus dem Ministerium. Unter anderem sieht er aber mehr Begründungspflichten und kürzere Lauschzeiten vor. Freilich sagt auch Peter Schaar, bei aller Skepsis, vor einer Totalüberwachung durch verdeckte Ermittlungen bräuchten wir uns nicht zu fürchten. Schließlich gehe es beim Abhören in jedem Fall nur um einen Bruchteil der Gespräche.

    Das aber sieht ganz anders aus beim zweiten, schon erwähnten Teil des Gesetzentwurfes: Bei der Vorratsdatenspeicherung, die mit der Telefonüberwachung nur insofern zu tun hat, als in beiden Fällen in irgendeiner Form Kommunikationsdaten erhoben werden, wie Bernhard Rohleder erläutert, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Bitkom, des Branchenverbandes also unter anderem für Telefon- und Internetanbieter.

    "Die Telekommunikationsüberwachung greift aktuell ein in das Kommunikationsgeschehen. Wohingegen die Vorratsdatenspeicherung rückwirkend Kommunikationsverhalten nachvollziehbar macht für einen Zeitraum von sechs Monaten. Also das sind zwei unterschiedliche Dinge: Wir reden einmal über die Kommunikationsgeschichte, und zum zweiten über aktuell stattfindende Kommunikation."

    Ein halbes Jahr lang soll also in Zukunft gespeichert werden, wer wann mit wem in Kontakt gewesen ist, welche Internet-Seiten er besucht hat, mit wem er E-Mails ausgetauscht hat. Allerdings auch nur das: Um Inhalte geht es, und das ist der Hauptunterschied zum Abhören, nicht. Einerseits ist das nichts völlig Neues: Schon bisher konnte der Staat vor allem zur Strafverfolgung verlangen, dass die Anbieter die Daten, die sie haben, offen legen, sei es im Mobilfunk, sei es im Festnetz-, sei es im Computerbereich: Die speichern sie bisher, um die Rechnung schreiben zu können und dann möglicherweise, um im Streit mit dem Kunden über die Rechnung Belege zu haben. Das macht einen großen Unterschied für das, was gesammelt wird: Wer nach einer so genannten Flatrate bezahlt, also eine monatliche Pauschale, für den dürfen beim Telefonieren nur die Daten erfasst werden, die aus dem Tarif herausfallen, Auslandsgespräche zum Beispiel. Und: Spätestens nach drei Monaten ist Schluss. Soweit zum Telefon. Peter Schaar:

    "Granz gravierend ist die Ausweitung auf das Internet. Hier werden die dynamischen IP-Adressen, unter denen man surft, ja bisher nur sehr kurze Zeit gespeichert. Schließlich der Bereich der E-Mail-Nutzung: Hier gibt es bislang eine sehr unterschiedliche Praxis. Selbst wenn ich meine E-Mails gelöscht habe, wird in Zukunft registriert bei den Providern, wer mir E-Mails zugesandt hat und wem ich E-Mails gesendet habe. Das ist auch eine neue Qualität, das ist doch sehr weitgehend."

    Dazu kommt, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder, dass im Mobilfunkbereich ganz andere Daten aufgezeichnet werden müssen, die bisher außen vor blieben:

    "Heißt zum Beispiel in der Handy-Kommunikation, dass in Zukunft die Gerätenummer auch mit gespeichert wird, und dass der Ort, von dem aus ein Telefonat geführt wird. Auch dieser Ort wird gespeichert. Das heißt: Sie werden in Zukunft Bewegungsprofile anfertigen können für die Dauer von sechs Monaten von jedem Handy-Nutzer in Deutschland."

    So groß also die Veränderungen in tatsächlicher Hinsicht sein mögen: Die Gefahren, die Datenschützer sehen, liegen vor allem in der neuen rechtlichen Qualität. Denn in Zukunft nutzen Strafverfolger nicht das, was ohnehin da ist, um schwere Straftaten aufzuklären. Sondern der Staat selbst ordnet an, dass diese Daten von den Unternehmen vorgehalten werden müssen was für den Datenschutzbeauftragten einen großen Unterschied macht.

    "Die neue Qualität besteht ja darin, dass überhaupt nicht im Detail begründet wird, diese Daten braucht der Staat für die Zwecke der Strafverfolgung. Sondern es wird gesagt, diese Daten könnten ja mal für eine Strafverfolgungsmaßnahme sinnvoll eingesetzt werden. Sie könnten nützlich sein."

    Auch der Pionier des Datenschutzes in Deutschland, Spiros Simitis, verweist im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung auf die Ursprünge des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, die Volkszählungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die seither geltende Grundregel:

    "Eine gesetzlich garantierte, klar formulierte und dem Betroffenen eindeutig bekannte Zweckbindung. Datensammlungen, meine Damen und Herren, sind eben keine Minen mit schier unerschöpflichen Vorkommen an beliebig nutzbarem Edelmetall. Just diese, mehr und mehr im nicht-öffentlichen Bereich kultivierte Vorstellung, greift freilich zunehmend auf den öffentlichen Bereich über."

    Solche Bedenken sind auch dem Justizministerium nicht neu. Die neuen Speicherpflichten hat man sich dort allerdings auch nicht ausgedacht: Sie gehen zurück auf eine Europäische Richtlinie. Die ist jetzt umzusetzen. Der Richtlinie hatte die Bundesregierung in Brüssel zugestimmt. Was nicht nur Zypries verteidigt, sondern auch der rechtspolitische Sprecher der Union, Jürgen Gehb:

    "Wenn Terroristen oder sonstige Verbrecher sich bestimmter Medien bedienen, ob das nun Festnetze sind oder vielleicht später auch Computer, dann darf sich der Staat ja nicht dümmer stellen, als er ist. Dann muss er eigentlich auch darauf zurückgreifen können. Die Vorratsdatenspeicherung ist dem eigentlich noch vorgelagert. Wir wollen nur auf diese Daten zurückgreifen, wenn Anlass besteht. Deswegen kann von einem Generalverdacht nicht die Rede sein."

    Die FDP-Politikerin Leutheusser-Schnarrenberger wie auch die Datenschützer Schaar und Simitis gestehen zu, dass es vor allem die deutsche Justizministerin war, die nach Vorgaben des Bundestages eine noch weitergehende Datensammlung in Verhandlungen mit den europäischen Kollegen verhindert habe. Bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht hat der Gesetzgeber außerdem einen Spielraum. Und den wolle man mit so wenig Speicherpflichten wie nach Europarecht möglich umsetzen, betont Zypries.

    "Wir schlagen vor, die niedrigste Monatsanzahl zu speichern, nämlich sechs Monate. Wir schlagen vor, die wenigsten Datenarten zu speichern, und wir schlagen auch vor, nur zu repressiven Zwecken zu speichern und nicht zu präventiven Zwecken zu speichern."

    Also zur Strafverfolgung, genauer der Verfolgung schwerer Straftaten und solcher, die eben gerade per Telefon begangen werden, nicht aber zur Gefahrenabwehr, was Schaar bezweifelt. Noch weitergehend weist er darauf hin, dass in diesen Tagen die Musik- und Filmindustrie auch Interesse an den Daten anmeldet, um zu erfahren, wer gegen das Urheberrecht verstößt, indem er in Internet-Tauschbörsen geschützte Werke verbreitet oder herunterlädt.

    "Da sieht man im Grunde, wie der Ölfleck sich über das Wasser ausbreitet: Wir haben erst mal die Begründung: Wir brauchen eine Vorratsdatenspeicherung zur Terrorismusabwehr; dann heißt es, schon etwas schwächer, zur Bekämpfung schwerer Straftaten. Unser Gesetz sieht vor: Auch Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen werden. Und dann geht es um diejenigen, die in Tauschbörsen irgendwelche Musikstücke anbieten. Das heißt: Wir haben vermutlich einfach rein zahlenmäßig sehr, sehr viel mehr solche Anfragen der Musikindustrie, wenn denn dieses bei uns Gesetz wird, als Anfragen der Strafverfolgungsbehörden."

    Soweit ist es allerdings noch nicht. Die Befürworter der Speicherung verweisen außerdem darauf, dass die Daten nach wie vor bei keiner Behörde gespeichert werden, sondern beim Anbieter, also bei der Telefongesellschaft oder beim Internet-Provider, die die Informationen nur auf richterliche Anordnung herausgeben, im Übrigen aber auch auf den Kosten sitzen bleiben werden. Kritiker hoffen auf eine formale Hürde: Irland hat gegen die Richtlinie selbst vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt - nicht wegen des Datenschutzes, sondern aus formalen Gründen. Der Grüne Volker Beck kritisiert:

    "Zum jetzigen Zeitpunkt ärgere ich mich sehr, dass die Bundesregierung bereits eine Richtlinie umsetzt, die noch vor dem Europäischen Gerichtshof beklagt wird, weil fraglich ist, ob überhaupt diese Richtlinie kompetenzrechtlich auf einer sicheren Grundlage steht und ob die nicht letztlich europarechtlich unzulässig ist."

    Was auch immer letztendlich aus der Vorratsdatenspeicherung wird: In der Grundlage sind sich die Kritiker mit den meisten Befürwortern einig mit freilich völlig unterschiedlichen Schlüssen. Der Staatssekretär im Bundesjustizministerium Alfred Hartenbach verteidigt den Entwurf gegen weitergehende Wünsche der Länder:

    "Bei aller gebotenen Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Strafverfolgungspraxis: Als Rechtsstaat sind wir zuallererst dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Grundrechtsschutz verpflichtet."

    Und der Datenschützer Peter Schaar bekräftigt: Zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr darf der Staat natürlich auch auf digitale Daten zugreifen.

    "Andererseits muss man immer fragen: Ist es das richtige Maß - einmal im Hinblick auf die Datenpools, die angelegt werden, andererseits auf die Zugriffsbefugnisse? Das muss man dann sehr genau anschauen. Und der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren die Tendenz gehabt, diese Befugnisse ziemlich weit aufzubohren und ist dabei ja verschiedentlich vom Bundesverfassungsgericht korrigiert worden."