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Abi und Gesellenprüfung - gleichwertig?

Mit dem "Deutschen Qualifikationsrahmen" soll die Wertigkeit verschiedener Ausbildungen und Abschlüsse objektiv verglichen werden können. Ein schwieriges Unterfangen - insbesondere, wenn man ausländische Qualifikationen mit einbezieht.

Von Philip Banse | 31.01.2012
    Spitzengespräch in Berlin - Bundesregierung, Kultus- und Wirtschaftsminister, Konferenz der Länder, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften haben sich zusammengefunden, um den "Deutschen Qualifikationsrahmen" - also die Zuordnung schulisch-akademischer und beruflicher Abschlüsse in einem achtstufigen System - zu beraten, und auch gleich schon festzulegen. Die Wertigkeit ist dabei der Knackpunkt. Philip Banse, inwieweit hat man sich denn heute einigen können?

    Ja, aber es gibt einen Kompromiss, der viele strittige Fragen einfach außen vor lässt, die sollen erst in fünf Jahren geklärt werden. Die Aufgabe war ja nicht ganz einfach: Der deutsche Schlachtermeister soll nach Italien gehen können und dort soll allen klar sein, welche Fähigkeiten ein deutscher Schlachtermeister hat und ob er vielleicht an einer Uni weiter studieren kann. Dazu sollen alle in Deutschland erwerbbaren Qualifikationen in acht Stufen eingeteilt werden, nämlich die acht Stufen des europäischen Qualifikationsrahmens. Das ist ziemlich kompliziert. Gestritten wurde etwa, wo die deutschen Schulabschlüsse Mittlere Reife und Abitur einzusortieren sind: Ist ein Abi Stufe 3 oder 4? Ist es gleichwertig mit einer dreijährigen Berufsausbildung? Der Präsident der Kultusministerkonferenz Ties Rabe nennt als zentrale Ergebnisse:

    "Wir haben uns verständigt darauf, dass die berufliche Erstausbildung eingestuft wird auf dem Niveau 3 für die zweijährigen und 4 für die drei- und dreieinhalbjährigen Ausbildungen. Wir haben uns auch verständigt darauf, von einer Zuordnung der allgemeinbildenden Schulabschlüsse zum Deutschen Qualifikationsrahmen vorerst abzusehen."

    Die Kultusminister und Bundesregierung sortieren die schulischen Abschlüsse also erst mal nicht in den Qualifikationsrahmen ein. Für die Schüler habe das erst mal keine Konsequenzen, sagte Rabe, weil Schulabschlüsse weltweit ohnehin gut anerkannt würden. Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan findet diesen Kompromiss tragbar:

    "Die Eingruppierung von allgemeinen Abschlüssen, ob mittlerer Abschluss oder Abitur, hat nicht die Relevanz, weil von da aus nicht unmittelbar der Übergang in den Arbeitsmarkt passiert."

    Wie die schulischen Abschlüsse in diese acht Stufen einzusortieren sind, soll in fünf Jahren noch mal besprochen werden.

    Ein weiteres Ergebnis ist, dass der Berufsabschluss Meister und der Hochschulabschluss Bachelor als gleichwertig eingestuft werden. Bundesforschungsministerin Annette Schavan:

    "Das war das wichtige Signal, dass wir hier setzen wollen, dass der berufliche Weg zum Meister nicht unterhalb des akademischen liegt, sondern gleichwertig auch in der Eingruppierung auf der entsprechenden Stufe. Das ist im Grunde der Kern dieses Ganzen."

    Auch Handwerksvertreter und Gewerkschafter begrüßten diese Einstufung, weil damit die berufliche Ausbildung mehr Renommee erhalte und gestärkt werde.

    Moderatorin: "Wichtig ist ja aber nicht nur der Vergleich deutscher Ausbildungen. Ziel des Ganzen ist es ja vor allem, den Hochschulabschluss in Italien und den Ausbildungsberuf in Deutschland vergleichbar zu machen. Ist man da vorangekommen?"

    Nicht wirklich. Man hat sich jetzt erst mal darauf geeinigt, dass deutsche Ausbildungsberufe auf den Stufen drei und vier einsortiert werden. Damit sind aber die Kultusminister nicht zufrieden. Das Problem verdeutlicht der Präsident der Kultusministerkonferenz, Ties Rabe am Beispiel des Orthopädieschuhmachers. In Italien ist das eine universitäre Ausbildung, macht Stufe 6. In Deutschland ist der Orthopädieschuhmacher eine berufliche Ausbildung, drei Jahre in Schule und Betrieb, Stufe 4:

    Und jetzt kann man lange überlegen, ob in Italien die entsprechende Ausbildung zu einer zwei Stufen höheren Qualifikation geführt hat, oder ob es nur der Ort der Ausbildung, die Universität war. Und weil wir das zurzeit nicht genau justieren können, weil der europäische Kontext sich noch nicht klar gemacht hat und weil wir auch in Sachen des Outputs, also was am Ende nach der Ausbildung an Qualifikationen da ist, noch viele, viele Fragen zu klären haben, soll mit der schulischen Bildung insgesamt die Einstufung in fünf Jahren noch mal überprüft werden.

    In fünf Jahren soll es auch eine Methode geben, mit der man besser messen kann, was jemand nach einer bestimmten Ausbildung wirklich kann. Das soll dann für die Stufe maßgeblich sein. Heute zählt alleine die Länge der Ausbildung. Ein erster Schritt zu mehr Vergleichbarkeit und Transparenz ist also getan, aber mehr ist es eben noch nicht.