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Abkommen mit VAE und Bahrain
Annäherung an Israel liegt im Interesse Saudi-Arabiens

Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain haben sich mit Israel auf diplomatische Beziehungen verständigt und ein Abkommen in den USA unterschrieben. Dadurch ist das Machtgefüge der ganzen Region in Bewegung geraten - mittendrin: Saudi-Arabien.

Von Jürgen Stryjak | 19.09.2020
Skyline von Riad, Saudi-Arabien
Das Königreich Saudi-Arabien liegt auf der arabischen Halbhinsel, die Hauptstadt ist Riad (imago)

Wie bewertet die Führung in Riad die Annäherung seiner Bündnispartner an Israel?

Es ist davon auszugehen, dass Saudi-Arabien mit der Annäherung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrains an Israel einverstanden ist. Ohne Zustimmung der Regierung in Riad hätte Bahrain diesen Schritt nicht getan. Denn das Land wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr zu einer Art Provinz von Saudi-Arabien und steht demnach unter starkem Einfluss Riads. Hinzukommt, dass der Kronprinz in Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, die politische Richtung im Königreich bestimmt. Er gilt als enger Verbündeter des Kronprinzen Mohammed bin Zayed aus Abu Dhabi - einem der Emirate der VAE. Deren außenpolitische Linie wird maßgeblich von bin Zayed bestimmt. Manche Beobachter sehen in ihm auch den Mentor bin Salmans.
VAE, Saudi-Arabien und Bahrain haben zudem eine große Schnittmenge bei gemeinsamen Interessen. Beispielsweise wenn es um die Begrenzung des iranischen und schiitischen Einflusses in der Region geht. Sie bekämpfen auch gemeinsam islamistische Kräfte in der Region, zum Beispiel in Libyen oder stehen an der Seite derer, die das tun, etwa in Ägypten. Innerhalb dieser regionalpolitischen Konstellationen kommt Saudi-Arabien die diplomatische Annäherung seiner Nachbarn an Israel durchaus gelegen.
Mohammed bin Salman bin Abdelasis al-Saud, Kronprinz von Saudi-Arabien, kommt zur dritten Arbeitssitzung des G20-Gipfels
Mohammed bin Salman bin Abdelasis al-Saud, Kronprinz von Saudi-Arabien ( Bernd von Jutrczenka/dpa)
Benjamin Netanyhu und Donald J. Trumpzeigen am 15. September 2020 das unterzeichnete Abkommen
Abkommen mit Bahrain und VAE - Israels Beziehungen
Israel hat sich unter Mithilfe der USA mit Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf diplomatische Beziehungen verständigt. Welche Auswirkungen könnten diese neuen Beziehungen Israels haben?

Was hat Saudi-Arabien von der Annäherung seiner Verbündeten an Israel?

Die Annäherung liegt im strategischen Interesse des Königreichs, insbesondere im Hinblick auf den sogenannten schiitischen Halbmond. Saudi-Arabien, wie auch Vertreter anderer Golfstaaten beklagen, dass der Iran inzwischen vier arabische Hauptstädte kontrolliere: Damaskus, weil er dort als Verbündeter Baschar al-Assad auftritt, Sanaa im Jemen, wo die von Teheran unterstützten Huthi-Rebellen die Macht haben. Außerdem kommen noch Bagdad und Beirut hinzu, wo Iran die schiitischen Kräfte protegiert, die Hisbollah im Libanon beziehungsweise Milizen im Iran. Dieser sogenannte schiitische Halbmond wird von Saudi-Arabien und anderen sunnitischen Länder als Bedrohung empfunden, seine Bekämpfung hat für Riad oberste Priorität.

Die USA gelten in Saudi-Arabien nicht mehr als zuverlässiger Partner. Vor einigen Jahren unterschrieb der damalige US-Präsident Barack Obama den Iran-Atomvertrag. Der aktuelle, Donald Trump, will sich aber aus den kriegerischen Konflikten in der Region zurückziehen. Wenn die USA im Kampf gegen Teheran ausfällt, könnte Israel mit seinem strikten Anti-Iran-Kurs zum Partner werden.
Der Publizist und Nahost-Experte Michael Lüders
"Die arabischen Staaten haben vor den USA kapituliert"
Der Schritt der Annäherung mit Israel habe wirtschaftliche und politische Vorteile für die Golfstaaten, Israel und die USA, sagte Nahost-Experte Michael Lüders im Dlf. Verlierer seien die Palästinenser.

Sucht Saudi-Arabien selbst die Annäherung an Israel?

Bei Friedensverhandlungen betreibt Saudi-Arabien eine pragmatische Politik. Zum Beispiel war das Königreich bei der arabischen Friedensinitiative von 2002 treibende Kraft. Mit dieser Initiative wurde unter bestimmten Bedingungen bereits das Existenzrecht Israels anerkannt und auch eine mögliche Normalisierung der Beziehungen angekündigt.
Darüberhinaus kooperieren Saudi-Arabien und Israel im Verborgenen schon eine ganze Weile relativ eng in einigen Bereichen, unter anderem bei Militär und Geheimdienst sowie auf wirtschaftlicher Ebene. Zu den wenigen öffentlichen Schritten, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat, zählt die Überflugserlaubnis für Passagiermaschinen aus Israel. Seit Anfang September gestattet Saudi-Arabien den Überflug – auch israelischer Maschinen -, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten landen wollen ohne Einschränkungen. Das war vorher nicht der Fall.

Werden weitere arabische Staaten Beziehungen zu Israel aufnehmen?

Aus Washington hieß es am 18. September, dass in Kürze fünf weitere arabische Länder diplomatische Beziehungen zu Israel aufnehmen würden. Namen wurden nicht genannt, als Kandidaten könnten aber Marokko, der Oman und vielleicht der Sudan in Frage kommen. Die Dynamik in der Region hängt weniger davon ab, ob es tatsächlich Friedenswillen in den einzelnen Ländern gibt, sondern ob sich Pragmatismus durchsetzt.
Die gesamte geostrategische Tektonik der Region verschiebt sich derzeit. Immer mehr Staaten müssen sich in dieser neuen, sich langsam herausbildenden Ordnung positionieren. Daher ist es durchaus denkbar, dass in den kommenden Monaten und Jahren weitere arabische Länder die Annäherung an Israel suchen.