Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Abrechnung über die Firma
Frankreichs Steuersystem vielleicht vor der Umstellung

Für Frankreich wäre es ganz neu: Ab Anfang 2019 soll der Arbeitgeber die Lohnsteuer direkt vom Gehalt abziehen und an das Finanzamt überweisen – wie in Deutschland schon lange üblich. Doch es ist unklar, ob die geplante Reform umgesetzt wird: Die Unternehmen scheuen die zusätzliche Bürokratie und Präsident Macron ist skeptisch.

Jürgen König im Gespräch mit Ursula Mense | 04.09.2018
    Präsident Macron spricht im Parlament
    Präsident Macron zweifelt noch an der Umstellung der Steuern (dpa/Picture Alliance/ Charles Platiau)
    Die Reform stellt für die Franzosen den Bruch mit einer langen Tradition dar. Bisher haben sie bei der Steuer ausschließlich mit dem Staat zu tun. Jeder gibt bis Ende Mai eine Steuererklärung für das Vorjahr ab, die Finanzbehörden berechnen die Steuer, die wird dann in bis zu drei Raten im Februar, Mai und September bezahlt– Einspruch ist möglich.
    Nachteil des Systems: Die Steuereinnahmen fließen unregelmäßig. Die Entscheidung zur Reform traf Präsident Francois Hollande schon 2015, der entsprechende Parlamentsbeschluss fiel im selben Jahr, geplanter Stichtag für die Umstellung sollte der 1. Januar 2018 sein. Präsident Emmanuel Macron verschob die Reform um ein Jahr, um Zeit zur Vorbereitung zu haben.
    Jetzt sollen die Unternehmen, private wie öffentliche, die persönlichen Daten ihrer Mitarbeiter erfassen und den Finanzämtern melden. Viele Bürger reagieren mit Misstrauen auf diese Datenüberlassung an Dritte, viele misstrauen auch dem Staat: dass der zu viel abziehen könnte, dass Einspruchsmöglichkeiten eingeschränkt werden, dass Steuerrückzahlungen auf sich warten lassen werden. Und die Unternehmen stöhnen über den Verwaltungsaufwand, der da auf sie zukommt.
    Der Präsident ist skeptisch
    Präsident Macron steht der Umstellung skeptisch gegenüber, weil
    • die Testergebnisse wenig ermutigend waren: Staatliche Rentenkassen haben die Umstellung schon versuchsweise vorgenommen, doch die Datenerfassung erwies sich als mühsam, es gab viele Pannen.
    • Macron schon genug Reformbaustellen hat. Wozu, könnte er sich fragen, soll man zu alledem noch eine Reform anstoßen, nur um ein System zu ersetzen, das bei allen Nachteilen seit Jahrzehnten halbwegs funktioniert.
    • Macron sich die Franzosen nicht vergraulen will: mit Blick auf die Europawahlen im Frühjahr. Ende des Jahres fällt für etwa 80 Prozent der Bevölkerung die Wohnsteuer weg. Das zusätzliche Geld auf dem Konto sollte die Stimmung in der Bevölkerung verbessern, die Akzeptanz für weitere Reformen erhöhen.
    Macrons Dilemma
    Wirklich absagen kann man die Reform schlechterdings nicht: Macrons Haushaltsminister sagt, alles sei gut vorbereitet worden, viele Franzosen wurden schon schriftlich informiert. Manche Unternehmen sind mit den Vorbereitungen schon weit fortgeschritten: Man hat im Grunde mit der Reform längst begonnen. Sie jetzt abzusagen, würde Macron und seine Regierung nicht gerade gut dastehen lassen.
    Allenfalls könnte man einen Mittelweg gehen, bei dem das System im Kern bleibt, wie es ist, bei dem aber zum Beispiel Abgaben künftig monatlich geleistet werden müssen. Aber die Situation ist verfahren: Macron hat die Wahl zwischen zwei schlechten Lösungen.