Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Abschaffung des Solidaritätszuschlags
"Der Soli ist bereits in Kürze verfassungswidrig"

Der FDP-Politiker Florian Toncar plädiert für die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Besonders mittelständische Unternehmen bräuchten das Geld, um zu investieren und um Arbeitsplätze zu schaffen, sagte er im Dlf. Außerdem sei der Zweck weggefallen, da der Solidarpakt auslaufe.

Florian Toncar im Gespräch mit Sandra Schulze | 14.08.2019
Toncar spricht im Bundestag
Florian Toncar ist parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion (dpa /Michael Kappeler)
Sandra Schulz: Es ist ein altes Streitthema zwischen Union und SPD. Soll der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft werden oder nicht? – Im Koalitionsvertrag hatte das schwarz-rote Bündnis verabredet, dass die Sonderabgabe für 90 Prozent der Zahlenden wegfallen soll, und entsprechende Pläne hat Finanzminister Olaf Scholz jetzt in einen Gesetzentwurf gegossen. Klar ist: Der CDU reicht das nicht. Aber einen weiteren Eklat will man kurz vor den Landtagswahlen nicht riskieren.
Dass die Sonderabgabe jetzt vollständig weg müsse, das wiederholen aber umso nachdrücklicher AfD und FDP. Der Parteichef der Liberalen, Christian Lindner, kündigte an – so hat er es dem Handelsblatt gesagt -, dass Tausende Steuerzahler und die FDP bis nach Karlsruhe klagen würden, sollte Scholz keinen Pfad für die komplette Abschaffung aufzeigen. Das ist unser Interview-thema in den kommenden Minuten. Am Telefon ist Florian Toncar, einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Schönen guten Morgen!
Florian Toncar: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Ich möchte mit Ihnen gerne einsteigen in das Gespräch mit der Einschätzung des Immobilienunternehmers und Multimillionärs Josef Rick. Wir sprechen ja über den Soli und über die Frage, ob der komplett abgeschafft werden soll, oder ob die 90 Prozent okay sind, die jetzt Schwarz-Rot anpeilt. Josef Rick hat im Frühjahr dem ARD-Magazin "Kontraste" gesagt zu einer vollständigen Abschaffung des Soli:
O-Ton Josef Rick: "Das bedeutet für mich und für andere meiner Einkommensklasse, dass wir vom Staat einen Maserati im Wert von vielleicht 90.000 Euro auf den Hof gestellt bekommen, und das finde ich persönlich natürlich sehr nett, aber gesellschaftlich völlig unangemessen."
"Dann fehlt das Geld an anderer Stelle"
Schulz: Einem Millionär, der das noch nicht mal will, einen zusätzlichen Maserati auf den Hof stellen – warum sollte man das tun?
Toncar: Na ja, die Diskussion kennen wir ja. Dem Millionär kann man übrigens sagen, die Bundeskasse Halle bietet die Möglichkeit, dass man dort auch mehr Geld bezahlen kann als das, was der Fiskus von einem will. Aber ansonsten ist es natürlich so, dass die Belastung, auch die Belastung von hohen Einkommen eine Sache ist, die man diskutieren muss. Nur: Alles hat seinen Preis. Wenn wir jetzt sagen, die hohen Einkommen müssen besonders hoch belastet werden – das ist ja schon zum Beispiel versucht worden von Francois Hollande in Frankreich vor einigen Jahren, hat aber nicht dazu geführt, dass am Ende die Steuereinnahmen steigen, sondern es ist vor allem die Arbeitslosigkeit gestiegen. Unternehmen, gerade Familienunternehmen, Mittelstand, Handwerksbetriebe, all die, die den Soli nach den Plänen der Bundesregierung ja weiterhin bezahlen sollen, die brauchen das Geld zum Investieren. Die brauchen das Geld auch, um Arbeitsplätze zu schaffen, um neue Produkte zu erfinden. Wenn man das wegbesteuert, dann fehlt das Geld an anderer Stelle, und das bringt langfristig auch nicht mehr Steuereinnahmen.
04.05.2019, Brandenburg, Schönefeld: Ingo Senftleben (CDU), Brandenburgs Landesvorsitzender, spricht auf dem Landesparteitag der Brandenburger CDU. Der Parteitag will das Wahlprogramm für die Landtagswahl beschließen. Foto: Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Ingo Senftleben (CDU) "Solidaritätszuschlag abschaffen"
Der CDU-Landesvorsitzende in Brandenburg, Ingo Senftleben, plädiert dafür, den Solidaritätszuschlag ganz abzuschaffen. Es sei richtig, die Bürger zu entlasten, sagte er im Dlf. Den Strukturwandel in der Lausitz beispielsweise könne man auch mit laufenden Haushaltseinnahmen in den nächsten 20 Jahren bewerkstelligen.


Schulz: Jetzt hat die SPD-Spitze ja reagiert auf Ihre vor allem ja auch verfassungsrechtlich geäußerten Zweifel und sagt, okay, wir wären damit einverstanden, den Solidarzuschlag vollständig abzuschaffen, dafür wollen wir aber die Einkommenssteuer anheben. Damit wäre ja auch dieses verfassungsrechtliche Argument, das zuletzt ziemlich im Fokus stand, aus der Welt. Da gehen Sie mit?
Toncar: Zunächst mal ist es ja gut, wenn die SPD endlich erkennt, dass der Soli verfassungswidrig ist. Das ist er übrigens ja schon in viereinhalb Monaten, und zwar nach übereinstimmender Auffassung von ganz vielen: vom Bundesrechnungshof, vom früheren Abteilungsleiter Steuern im Bundesfinanzministerium selber, Herrn Sell, vom früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Papier. Das ist eine ganz starke Meinung, dass der Soli bereits in Kürze verfassungswidrig ist, und deswegen ist das, was die Bundesregierung plant, ihn nämlich weiter zu erheben, ja auch so besonders bedenklich.
"Solidarität findet statt im Steuersystem"
Schulz: Ihr Argument ist ja, dass das verfassungswidrig wird, weil der Solidarpakt ausläuft. Solidarität ist dann nicht mehr angesagt in unserem Land?
Toncar: Nein! Solidarität findet statt im Steuersystem, im Haushalt, in ganz massivem Umfang. Im Übrigen wird es ja auch so sein, auch in der Einkommenssteuer weiterhin, dass die hohen Einkommen sehr viel mehr, deutlich mehr beitragen, zurecht auch beitragen. Aber eine Sonderabgabe, eine Ergänzungsabgabe, die der Soli ist, die ist an einen bestimmten Zweck gebunden. Der Zweck ist weggefallen, weil der Solidarpakt ausläuft. Man hat ja übrigens bei der Einführung des Soli auch hoch und heilig und zwar über die Parteigrenzen hinweg versprochen, dass mit Wegfall der Aufgabe auch die Abgabe wegfällt. Das ist etwas, was die Abgabe natürlich schon sehr bald verfassungswidrig macht, und dementsprechend wird nicht nur die FDP, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger schon sehr bald, nämlich in wenigen Monaten Einspruch einlegen und dagegen vorgehen, und das mit guten Erfolgschancen.
Schulz: Herr Toncar, wir waren den Schritt inhaltlich jetzt schon weitergegangen und haben gesprochen über eine höhere Einkommenssteuer. Da erinnere ich noch mal an die Zeiten Helmut Kohls. 1982 bis 1990 lag der Spitzensteuersatz bei 56 Prozent. Wieso klingt es bei Ihnen immer so, als sei es ein Naturgesetz, dass Menschen, wenn sie auch solidarisch einstehen müssen für die Gesellschaft, dann nichts anderes tun können als zu flüchten? – Das frage ich jetzt mit der Bitte um eine kurze Antwort.
Toncar: Damals war die Bemessungsgrundlage sehr viel schmaler. Die Steuerquote war vergleichbar. Aber wir haben in vielen Ländern gesehen, dass es nicht höhere Steuereinnahmen bringt, wenn man den Steuersatz erhöht, und wir sollten vor allem unsere Unternehmen, den Mittelstand nicht in eine Rezession schicken mit noch höheren Steuern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.