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Abschalten verboten

Die Ankündigung einiger Energieversorger, unrentable Kohle- und Gaskraftwerke stillzulegen, schlägt große Wellen. Der Mythos vom nationalen Blackout macht die Runde. Doch die Angst ist unbegründet - die Reservekraftwerksverordnung macht die Pläne der Konzerne zunichte.

Von Verena Kemna | 17.07.2013
    Mit der sogenannten "Reservekraftwerksverordnung" können die Betreiber konventioneller Kraftwerke quasi per Regierungsbeschluss gezwungen werden, ihre Kraftwerke am Netz zu lassen, auch, wenn diese vielleicht nicht mehr rentabel arbeiten. Hintergrund ist, dass insbesondere in den Wintermonaten der Strom aus Erneuerbaren Energien knapp werden kann. Somit ist die "Reservekraftwerksverordnung" eine Maßnahme, um Krisenszenarien aufzufangen. Kraftwerksbetreiber müssen es künftig bei der Bundesnetzagentur anmelden, wenn sie ein Kraftwerk aus wirtschaftlichen Gründen stilllegen wollen. Die Bundesnetzagentur entscheidet dann über jeden Einzelfall und verhandelt mit dem Betreiber über die Höhe einer Ausgleichszahlung. Hildegard Müller, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, kritisiert das Verfahren als intransparent.

    "Weil das zwar dann bilateral verhandelt wird zwischen Netzagentur und Kraftwerksbetreiber, aber alle anderen Teilnehmer im Markt, die nicht zum Zuge kommen, keine Transparenz darüber haben, was wird da jetzt wie vergütet und eventuell sagen könnten, das können wir aber günstiger. Deshalb verstehen wir nicht, dass das Wirtschaftsministerium diese Verordnung so in Kraft setzt."

    Vor allem die Energiebranche wehrt sich gegen die Verordnung aus dem Haus des liberalen Bundeswirtschaftsministers Philipp Rösler. Hildegard Müller hält das Abschalt-Verbot durch die Hintertür ordnungspolitisch für fragwürdig und setzt auf eine Überarbeitung der Verordnung nach der Bundestagswahl. Eine strategische Reserve per Ausschreibung wäre die bessere Alternative, erklärt Hildegard Müller.

    "Die Netzagentur sagt, in der und der Region wird es eng und wir brauchen so und so viele Megawatt und wer will da anbieten. Dann könnte man ein Ausschreibungsverfahren machen und der Kraftwerksbetreiber kann überlegen, zu welchem Preis geht es bei ihm noch und zu welchem Preis geht es nicht mehr."

    Die Reservekraftwerksverordnung ist als Übergangslösung konzipiert und endet in vier Jahren. Hildegard Müller hofft, dass die neue Bundesregierung noch in diesem Herbst unter dem Stichwort "Versorgungssicherheit" neue Konzepte für den Energiemarkt entwickelt, damit auch umweltfreundliche Gaskraftwerke wieder Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten können. Das fordert auch der Verband kommunaler Unternehmen. Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck:

    "Ordnungspolitisch zeigt die Verordnung, dass wir keinen geregelten Energiemarkt mehr haben und die Preise, die am Energiemarkt erzielt werden, sind nicht mehr ausreichend, um entsprechend konventionelle, vor allem auch hocheffiziente Gaskraftwerke im Geld zu halten."

    Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet für die Reservekraftwerke mit Mehrkosten von etwa 80 Millionen Euro. Pro Haushalt sei das ein Plus von 0,024 Cent pro Kilowattstunde. Die jährlichen Mehrkosten für den Verbraucher liegen demnach unter einem Euro. Felix Matthes vom Öko-Institut rechnet damit, dass die Reservekraftwerksverordnung höchstens drei Prozent aller Kraftwerke in Deutschland treffen wird. Die Verordnung hält er allenfalls für eine Übergangslösung.

    "Wir müssen uns mit der Frage anfreunden, wie können wir Investitionen in ein zunehmend veraltetes System sichern, und wenn man Investitionen im System haben will, muss Geld ins System und das muss aufgebracht werden."

    Experten sind sich einig, dass die Energieversorgung dauerhaft nur gewährleistet sein wird, wenn die Politik die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für den Strommarkt neu regelt.

    "Das ist die politische Debatte, die uns ab September, Oktober dieses Jahres begleiten wird."