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Abschied vom Danziger Bürgermeister
Beisetzung in schwieriger Atmosphäre

In ganz Polen haben die Menschen die Trauerfeier für den ermordeten Bürgermeister Danziger Pawel Adamowicz verfolgt. Seine Witwe sprach in ihrer Rede mit Bitterkeit auch über die Anfeindungen, denen Adamowicz davor schon ausgesetzt war. Der Danziger Erzbischof Slawoj Leszek Glodz appellierte an Politik und Gesellschaft.

Von Florian Kellermann | 19.01.2019
    Tausende Menschen verfolgen in den Straßen von Danzig die Trauerfeier für den ermordeten Bürgermeister Pawel Adamowicz.
    Tausende Menschen verfolgen in den Straßen von Danzig die Trauerfeier für den ermordeten Bürgermeister Pawel Adamowicz. (imago / Lukasz Dejnarowicz )
    Pawel Adamowicz wurde in der Marien-Basilika beigesetzt, der bedeutendsten katholischen Kirche in Danzig. Zum Trauergottesdienst kamen Staatspräsident Andrzej Duda, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und auch die führenden Vertreter der Oppositionsparteien. Duda hatte für heute Staatstrauer angeordnet. Der Danziger Erzbischof Slawoj Leszek Glodz erinnerte in seiner Predigt an den Beginn von Adamowiczs politischer Laufbahn - im Widerstand gegen das kommunistische Regime in den 1980er-Jahren:
    "Er gehörte zu dieser Generation, die nach Freiheit verlangte und der Freiheit dienen wollte. Als Student gab er eine Untergrundzeitung heraus und druckte sie auch selbst. Nach der demokratischen Wende widmete er sich vor allem der Lokalpolitik."
    Über 20 Jahre lang war Pawel Adamowicz Bürgermeister von Danzig. In den letzten Jahren öffnete sich der eigentlich Konservative zunehmend für liberale Positionen. Vor zwei Jahren nahm er am sogenannten Gleichheitsmarsch in seiner Stadt teil, bei dem unter anderen Homosexuelle für ihre Rechte demonstrierten. Adamowicz stand für den Ausgleich verschiedener Nationalitäten und Religionen.
    Diskussion über den Täter
    Beim Trauergottesdienst sprachen deshalb auch ein Rabbiner und ein Imam ein Gebet. Die Messe wurde über Lautsprecher in der Danziger Innenstadt und in vielen anderen polnischen Städten übertragen.
    Der getötete Bürgermeister stand in Opposition zur polnischen Regierung. Vor allem für seine Bereitschaft, Flüchtlinge in Danzig aufzunehmen, wurde er aus deren Umfeld heftig kritisiert.
    Magdalena Adamowicz, die Gattin des Verstorbenen, sprach in ihrer Trauerrede mit Schmerz - und mit Bitterkeit:
    "Wir brauchen heute Ruhe, aber Ruhe darf nicht Schweigen bedeuten. Wir müssen heute alle mit uns selbst ins Gericht gehen. Was haben wir getan, als neben uns Böses geschah, Ungerechtes, Niederträchtiges? Als böse Worte gefallen sind? Pawel und unsere Familie haben viel Niederträchtiges erfahren, wir mussten viele böse Worte hören."
    Polen diskutierte in dieser Woche über den Täter, einen 27-Jährigen mehrfach Vorbestraften, der gerade eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt hatte. Nach Angaben der Polizei habe er an einer psychischen Störung gelitten. Unmittelbar nach der Tat nannte er sein Motiv: Er habe sich für seine Haftstrafe an einem Politiker der Partei "Bürgerplattform" rächen wollen. Adamowicz gehörte dieser Partei bis vor vier Jahren an. Einige der wichtigen Fragen: Wie konnte der Täter mit einem Kampfmesser auf die Bühne einer Wohltätigkeitsveranstaltung gelangen? Und: Warum misslang seine Resozialisierung?
    Kritik an der Sprache des Hasses
    Polen diskutierte aber auch über die Sprache des Hasses, die im politischen Diskurs in Polen besonders präsent ist. Sie habe ein Klima erzeugt, das so eine Tat erst möglich machte, so Beobachter. Erzbischof Glodz appellierte deshalb in seiner Predigt:
    "Von vielen wurde das, was vergangenen Sonntag auf dem Kohlenmarkt passiert ist, wie der Klang einer mächtigen Alarmglocke verstanden. Wie der Aufruf, dass wir den Stil unseres Lebens ändern sollen, den Stil unserer Politik, unserer Gesellschaft, unserer Medien."
    Unklar ist im Moment, wie es mit der Spendenaktion weitergeht, bei deren Abschlussgala Pawel Adamowicz attackiert wurde. Das sogenannte "Große Orchester der Weihnachtshilfe" sammelte jährlich Millionen, die an Krankenhäuser flossen. Der Direktor der Aktion Jerzy Owsiak hat nach dem tödlichen Attentat seinen Rücktritt erklärt. Seitdem bitten ihn Prominente aus dem ganzen Land, diese Entscheidung zu überdenken, unter ihn Magdalena Adamowicz.