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Abschied von der Inselheimat

Der Meeresspiegel steigt und steigt, im Pazifik sind mehrere kleine Inseln vom Untergang bedroht. Ihre Bewohner müssen umgesiedelt werden, das war nicht zuletzt Thema beim Weltklimagipfel in Cancún. Auf den Carteret-Inseln müssen die ersten Familien bereits jetzt ihre Heimat verlassen.

Von Tini von Poser | 30.12.2010
    "Seit 1984 bin ich zurück auf meiner Insel. Da habe ich gemerkt, dass das Meer unsere Insel auffrisst. Früher sah die Insel nicht so aus. Die Insel ist jetzt sehr klein. Es kann alles passieren, denn die Carterets werden vom Ozean umspült. "

    Rufina Moi ist auf der kleinen Insel Han aufgewachsen, mitten im Südpazifik, einer der sechs zu Papua Neuguinea gehörenden Carteret-Inseln, die vom Untergang bedroht ist. Eigentlich sind es inzwischen sieben Inseln, denn eine hat der Ozean bereits zerteilt. Die 67-Jährige mit hochgesteckten schwarzen Krauslocken hat Angst, dass ihrer Insel das gleiche Schicksal blüht.

    "I am afraid that this Island is going to be devided like that small Island which has devided into two because if the Sea rises it goes to the other side."

    Auf den ersten Blick könnte die Insel der Hauptschauplatz eines Kitschfilms sein: Südseeparadies mit Palmen, weißem Sandstrand, dunkelhäutigen Kinder, die mit Kokosnüssen fröhlich durch die Gegend laufen.

    Doch der Rundgang lässt einen den Kitschfilm schnell vergessen. Bäume stehen im Wasser. Pflanzen und Gärten sind verwüstet seit der letzten großen Überflutung vor zwei Jahren. Viele Kinder sehen mangelernährt aus, haben Blähbäuche.
    "So kleine Inseln haben keinen Puffer, das heißt wenn die Ernte schlecht ausfällt, dann leiden die Menschen Hunger."

    Erklärt Thomas Hirsch, Klimaexperte von Brot für die Welt. Die Inseln im Südpazifik gehören außerdem zu den Regionen der Welt, die einen überdurchschnittlich starken Anstieg des Meeresspiegels aufweisen.

    "In den letzten 20 Jahren hat sich da die Geschwindigkeit beschleunigt, und es variiert hier bei den Inseln zwischen drei Millimeter im Jahr und beispielsweise. auf den Marschall-Islands, nicht weit von Papua Neuguinea, 1,5 Zentimer im Jahr. Bis Ende des Jahrhunderts kann man davon ausgehen, wird der Meeresspiegel nach jetzigem Stand der Wissenschaft um einen bis eineinhalb Meter steigen."

    Das Projekt von Brot für die Welt unterstützt nun die lokale Organisation Tulele Peisa dabei, die Umsiedlung der rund 2.500 Bewohner der Carteret-Inseln auf die höher gelegene Insel Bougainville voranzutreiben. Denn bisher verlief die Umsiedung wenig erfolgreich, sagt die Leiterin von Tulele Peisa, Ursula Rakova:

    "Wir haben zwei Familien umgesiedelt, was wir als unseren größten Erfolg in den letzten vier Jahren sehen. Zwei Familien von den Carterets hierher zu bringen, war nicht leicht."

    Denn es mangelt an Geld für den Landkauf und den Hausbau, klagt Rakova. Und die Verhandlungen mit den Landeigentümern gestalten sich außerdem langwierig und zäh. Fast 80 Prozent des Landes in Bougainville ist in privater Hand. Auch die Regierung der Aufnahmeinsel hat bisher nur wenig erreicht, wie Ephraim Eminoni eingesteht:

    "Land ist im Besitz von traditionellen Clans. Und Land ist hier alles für das Individuum: Es ist Identität, Lebensunterhalt, Reichtum. In Papua Neuguinea bist Du ohne Land niemand."

    Wenn die Bewohner der Cartert-Inseln ein Stück Land bekämen und ein Haus, würden die meisten Jüngeren sofort umsiedeln. Allerdings wollen viele der Ältere die Inseln nicht verlassen, wie der 70-jährige John Sailik:

    "Ich bin ein alter Mann, der sein ganzes Leben auf dieser Insel verbracht hat. Wenn ich gehen muss, bin ich wahrscheinlich der Letzte, der geht. Ich liebe meine Insel zu sehr, um sie zurück zu lassen."