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Abschluss des SPD-Parteitags
Kein Durchmarsch in Richtung GroKo

Der SPD-Bundesparteitag geht zu Ende ohne eine klare Zusage zu GroKo-Sondierungen: Erst abwarten, dann bewerten und im Anschluss erst entscheiden, ob überhaupt sondiert wird, versprach Parteichef Schulz in klaren Worten.

Von Mario Dobovisek | 09.12.2017
    Schulz spricht und gestikuliert an einem Podest mit der Aufschrift "Das ist unser Weg: Modern und gerecht." Dahinter ein übergroßer SPD-Schriftzug und Parteitagsteilnehmer.
    SPD-Vorsitzender Martin Schulz am Samstag auf dem Bundesparteitag in Berlin (Michael Kappeler / dpa)
    Hier müssen alle Delegierten durch. Direkt am Eingang des Plenums, der Stand des Parteinachwuchses. Der Jusos, der Jungsozialisten. Im Hintergrund eine Stellwand – in großen Buchstaben: SPD, wir müssen reden ... Wünsche an die Mutterpartei. Allen voran: No GroKo, keine Große Koalition. So steht es auch auf roten Stoffbeuteln, Verantwortung tragen. Doch die SPD wird reden mit der Union, ab Mittwoch schon. So will es die große Mehrheit auf dem Parteitag. Doch ausgedient haben die Beutel trotzdem nicht:
    "Nee, auf gar keinen Fall, der Kampf ist ja noch nicht vorbei. Es gibt ja noch einmal Sondierungsgespräche, danach noch einen Sonderparteitag, da bringen wir die Beutel wieder mit, und dann ist ja noch Mitgliederentscheid, da kann man die Beutel sicherlich auch noch einmal gebrauchen."
    Katharina Andres, 28, rot-braune Haare. Politik-Studentin aus Hannover. Vize-Chefin der Jusos. Vor dem Stand der Jungsozialisten macht sie klar. Keine Große Koalition, so denken viele in der SPD. Nicht noch einmal gegen die Wand rennen. Nur ein Weichmacher, der neue Partei-Tag im Januar, verhindert, dass für Parteichef Martin Schulz in Berlin die Bombe platzt. Nur vertagt ist das GroKo-Problem damit. Katharina Andres lacht. Wenn GroKo, dann wird sie teuer für die Union. Sehr teuer:
    "Wenn GroKo, dann muss die CDU ordentlich liefern."
    Schulz hat Visionen, aber eine Einigung wird schwierig
    Da gibt es Themen wie die Gesundheits-Reform, die Bürgerversicherung, ein rotes Tuch für die Union. Die Solidarrente, schwierig. Genauso Migration ohne Obergrenze und innere Sicherheit, Klimaschutz. Und da ist Europa, Angela Merkel will keine Zielvorgaben. Und die macht SPD-Chef Martin Schulz. Die Vereinigten Staaten von Europa bis 2025 will er. Wie Macron in Frankreich hat er Visionen:
    "Meine ganze Partei, aber ich als Vorsitzender dieser Partei, wir sind radikale Pro-Europäer!"
    Die SPD als Europa-Partei. Schulz begeistert die Genossen:
    "Sie ist die Europapartei in Deutschland, und sie macht Deutschland zum pro-europäischen Land, das die Europäische Union nach vorne bringt."
    Ab Mittwoch, die Gespräche mit der Union, mit CDU und CSU: ergebnisoffen. Keine Automatismen. Garantiert, versichert Schulz:
    "Nächste Woche treffen wir zunächst einmal die Vorsitzenden und die Fraktionführung der Unionsparteien. Und im Anschluss daran werden wir bewerten, was bei diesem Gespräch herausgekommen ist. Und ob wir dann sondieren, werden wir dann entscheiden."
    Am 15. Dezember. Dann ist klar, ob die Sondierungen beginnen.
    Partei-Arbeit per Mausklick und Smartphone
    Das durchwachsene Ergebnis bei der Wiederwahl von Schulz und seinen bisherigen Stellvertretern – ein Schuss vor den Bug der Parteiführung für ihren Schlingerkurs nach der Wahl. Das wird kein Durchmarsch werden.
    Die stellvertretenden Juso-Vorsitzenden Katharina Andres und Stephan Schumann auf dem SPD-Bundesparteitag Anfang Dezember 2017
    Die Jusos Katharina Andres und Stephan Schumann werben weiter gegen die GroKo (Deutschlandradio / Mario Dobovisek)
    Gleichzeitig will sich die SPD erneuern:
    "... der Formulierung des ÄA 172 Teil 1 in den IA 1 erledigt sich der IA 1..."
    Es ist kompliziert. Die Partei will jünger werden, weiblicher. Mit Lars Klingbeil als ihrem neuen Generalsekretär. Er gehört zu den Konservativen in der Partei, eckt an bei den Partei-Linken. Sein Wahlergebnis mit 70 Prozent: durchschnittlich. Jung ist er, mit 39 Jahren, aber – eben ein Mann. Mit seinen Ideen kann er aber punkten. Partei-Arbeit per Mausklick und Smartphone – nicht mehr nur am verstaubten Stammtisch der Ortsvereine:
    "Ich kann heute von unterwegs mit meinem Smartphone mein komplettes Leben fast organisieren. Aber ich habe keine Möglichkeiten, mich digital in eine Partei einzubringen. Und ich sage euch zu: Wir werden das machen, ich will das ändern, die SPD wird eine moderne, digitale Partei."
    Die SPD offener und digitaler. Mit einer App zum Mitmachen von zu Hause aus, einer Themen-Plattform im Internet.
    Rote Linien möchte kaum noch jemand öffentlich malen
    Plötzlich meldet sich Justizminister Heiko Maas vom Podium aus zu Wort:
    "Hier ist ein Ehering abgegeben worden."
    Ein Symbol für die Koalitions-Ehe mit der Union?
    "Also, nicht vom Inhaber, sondern vom Finder desselben."
    Finden müssen die Verhandler erst einmal Kompromisse. Was dabei auffällt auf dem SPD-Parteitag: Rote Linien möchte hier kaum noch jemand öffentlich in den Sand malen. Vor allem die Partei-Spitze ist vorsichtig geworden.