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Absicherung
Künstlersozialkasse schreit um Hilfe

Unternehmen, die freiberufliche Künstler und Publizisten beschäftigen, sind verpflichtet, eine Abgabe an die Künstlersozialkasse zu entrichten. Da nicht wenige Firmen das aber nicht tun, droht dem sozialen Rückgrat Tausender Kreativschaffender eine enorme finanzielle Schwächung.

Von Sina Fröhndrich | 11.01.2014
    Sonntagnachmittag in einem Kindertheater in Köln. Mit baumelnden Beinen sitzen Jungen und Mädchen zwischen Erwachsenen auf den Zuschauerrängen. Auf der Bühne: Hänsel und Gretel. Gretel heißt eigentlich Sophie. Die 28-Jährige spielt diese Rolle mehrmals im Monat. Allerdings ohne festes Bühnenengagement. Die Schauspielerin arbeitet freiberuflich. Gerade mal 50 Euro verdient sie pro Auftritt. Der Weg in die Selbstständigkeit – für sie nur machbar, weil sie sich günstig sozial absichern kann - wie eine Angestellte. Möglich ist das nur mit der Künstlersozialversicherung. Ohne die könne sie als freiberufliche Schauspielerin nicht leben, sagt Sophie.
    "Weil, als es für mich zur Debatte stand, dass ich überhaupt freie Schauspielerin werde, habe ich gar nicht gewusst, was das für die Realität bedeutet und als ich dann mich erkundigt habe, habe ich erstmal gedacht, dass kann ich vergessen, weil ich mitbekommen habe, was ich an Krankenkasse bezahlen müsste."
    Fast 180.000 Kreative und Publizisten sind über die KSK versichert
    Wer sich als Selbstständige freiwillig versichert, zahlt im Monat Beiträge von rund 200 Euro Minimum. Zuviel für Sophie, die mit einem Auftritt 50 Euro verdient und das auch nicht regelmäßig. Sie ist seit etwa einem Jahr in der Künstlersozialversicherung – und bezahlt zurzeit, weil sie Berufsanfängerin ist, nur knapp 80 Euro im Monat – für Krankenversicherung, gesetzliche Pflegeversicherung, Rentenversicherung. Das alles umfasst die Künstlersozialversicherung. Nicht enthalten ist die Arbeitslosenversicherung.
    So wie Sophie sind in Deutschland fast 180.000 Kreative und Publizisten über die Künstlersozialkasse versichert. Musiker, Maler und Journalisten. Durchschnittlich etwa 14.500 Euro Einkommen haben sie im Jahr, so hat es die Künstlersozialkasse ermittelt. Nicht gerade üppig. Deswegen gibt es die Kasse.
    Wer KSK-versichert ist, zahlt einen reduzierten Versichertenbeitrag für die Sozialversicherung – ähnlich dem Arbeitnehmeranteil bei Angestellten. Die andere Hälfte kommt vom Bund, zuletzt insgesamt rund 170 Millionen Euro im Jahr, sowie von Unternehmen, die Aufträge an freiberufliche Kreative und Publizisten vergeben. Seit dem 1. Januar sind es 5,2 Prozent der gezahlten Honorare, die eine Firma zusätzlich abführen muss. Wenn Schauspielerin Sophie 50 Euro für einen Auftritt bekommt, muss ihre Bühne also zusätzlich 2,60 an die KSK zahlen. Das System ist europaweit einmalig. Seit mehr als 30 Jahren gibt es die Künstlersozialversicherung inzwischen. Eingeführt Anfang der 1980er-Jahre, vor allem auf Initiative des damaligen SPD-Politikers und Schriftstellers Dieter Lattmann, der damals forderte:
    "Eine Klavierlehrerin muss heute, gesetzlich verpflichtet, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil, nämlich 28 Prozent vom Einkommen, selbst in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen – eine krasse Ungerechtigkeit, die kaum jemand weiß."
    Die Künstlersozialkasse hat klein angefangen – mit gerade einmal 12.000 Versicherten. Heute ist sie eine Behörde mit einem Haushalt von fast 900 Millionen Euro. Und jährlich kommen über 4000 Versicherte dazu, für die der Bund und vor allem die Unternehmen zahlen müssen. Von Anfang an laufen die sogenannten Verwerter - also Unternehmen, die Dienste von freischaffenden Künstlern und Publizisten in Anspruch nehmen - Sturm gegen die Abgabe und fordern deren Abschaffung. Sie klagen sogar vor dem Bundesverfassungsgericht. Erfolglos. Dieser Widerstand wird irgendwann abklingen, hofft noch im Jahr 1979 der SPD-Politiker Dieter Lattmann.
    "Ich nehme an, dass es fast eine ganze Generation braucht, bis das Gesetz mit allen Erfahrungen und Reparaturen so funktioniert, dass man sagen kann, jetzt steht es."
    Eine Generation später ist die Künstlersozialabgabe noch immer umstritten. Erst im vergangenen Jahr befürchtete man das Aus der KSK, weil die Finanzierung nicht gesichert schien. Auch die Große Koalition hat sich die KSK in den Koalitionsvertrag geschrieben mit einem klaren Bekenntnis für eine Fortführung, aber auch mit der Forderung nach Reformen. Denn nach wie vor ist unklar: Wer ist eigentlich Künstler? Wie viel darf ein Künstler mit nicht-kreativer Arbeit dazuverdienen? Und vor allem: Wie können alle abgabepflichtigen Unternehmen zur Beitragszahlung bewegt werden, die sich bislang davor drücken oder nicht wissen, dass sie zahlen müssen? Allein auf Unternehmerseite seien einem 50 Millionen Euro jährlich entgangen, schätzt man bei der KSK. Grund: Es gibt zu wenig Kontrollen bei den Auftraggebern, wie oft und in welchem Umfang sie tatsächlich die Dienste von Freischaffenden in Anspruch nehmen:
    "Es gibt etliche am Markt, die spielen mit dem System."
    Hans-Jürgen Werner ist Rechtsanwalt und Justiziar des Deutschen Tonkünstlerverbandes und er erklärt, wie seiner Meinung nach viele Auftraggeber denken:
    "Ich warte, bis ich entdeckt werde und dann zahle ich halt, je länger es dauert, habe ich wieder ein Jahr gewonnen. Das ist nicht schön und deshalb muss man etwas dagegen tun."
    Hans-Jürgen Werner hat eine Petition an den Bundestag gerichtet. Seine Forderung und die des Deutschen Tonkünstlerverbandes: Die abgabepflichtigen Unternehmen sollen regelmäßig und verbindlich kontrolliert werden. Eine Aufgabe, für die seit 2007 die Deutsche Rentenversicherung zuständig ist. Sie überprüft ohnehin alle vier Jahre die Sozialabgaben der Unternehmen. Allerdings: Die Abgabe an die Künstlersozialkasse wird bislang nur in Stichproben kontrolliert. Und das meist auch nur per schriftlicher Anfrage, ohne dass eine konkrete Prüfung stattfindet. Zurzeit sind es knapp 170.000 Unternehmen, die abgabepflichtig sind. Vermutlich, so glaubt man bei der KSK, sind aber längst nicht alle erfasst. Verbindliche Kontrollen alle vier Jahre könnten das ändern.
    Beispiel: 2009 wurden 36 Millionen Euro zusätzlich eingenommen, weil mehr kontrolliert wurde. Und dann wurden die Überprüfungen wieder laxer, erinnert sich der SPD-Kulturpolitiker Siegmund Ehrmann.
    "Das ist danach, ab 2010 und 2011 kräftig zurückgegangen. In 2011 sind knapp eine halbe Million Euro nur durch Überprüfungen reingekommen. Sie sehen die Diskrepanz."
    Darum findet die Petition des Tonkünstlerverbandes viele Unterstützer. 70.000 Menschen haben unterschrieben. Noch ist unklar, wann sich die zuständigen Bundestagsausschüsse damit beschäftigen werden. Dass die KSK auf die politische Agenda kommt, scheint aber klar, denn die neue Bundesregierung bekennt sich zur Künstlersozialkasse. Und sie sieht auch Reformbedarf. Im Koalitionsvertrag heißt es:
    "Wir werden die Künstlersozialkasse erhalten und durch eine regelmäßige Überprüfung der Unternehmen auf ihre Abgabepflicht hin dauerhaft stabilisieren. (...) Ein effizientes Prüfverfahren soll die Belastungen für Wirtschaft und Verwaltungen minimieren und Abgabegerechtigkeit herstellen."
    "Und wir müssen eben aufpassen, dass die Abgaben, die auch die Verwerter zahlen, nicht durch die Decke schießen. Das ist so die große Herausforderung, in der wir uns befinden",
    sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Ehrmann. Ende Januar will die Große Koalition festlegen, welche Regierungsvorhaben Priorität haben. Ehrmann hofft, dass die Künstlersozialversicherung oben auf der Liste landet. Seine Kernforderung: die regelmäßige Kontrolle der Arbeitgeber, weil sich so auch verhindern lässt, dass der Bund am Ende mehr zahlen muss. Mehr Kontrollen fordert auch Rolf Bolwin, Vorsitzender des Beirates der KSK und Chef des Deutschen Bühnenvereins. Die Abgabelast für die Unternehmen dürfe nicht noch größer werden – das sei nur dann gesichert, wenn die Zahlungen auf mehr Schultern verteilt würden – sprich auf mehr Firmen. In diesem Jahr hat das Bundesarbeitsministerium den Abgabesatz von 4,1 auf 5,2 Prozent angehoben. Damit er nicht noch weiter steigt, müsse etwas passieren, sagt Rolf Bolwin.
    "Die Künstlersozialkasse ist kein bürokratisches Monster"
    "Die Politik muss jetzt, vor allen Dingen der neue Bundestag, der gerade gewählt worden ist, die muss jetzt diese Gesetzesänderung auf den Weg bringen, damit gesichert ist, dass alle Unternehmen, die freiberuflich Künstler und Publizisten beschäftigen, auch wirklich die Künstlersozialabgabe zahlen, und dadurch erreicht werden kann, dass das Standbein Künstlersozialabgabe doch, was den prozentualen Betrag angeht, etwas niedriger ausfällt."
    Bereits die frühere Arbeitsministerin und Vorgängerin von Andrea Nahles, Ursula von der Leyen, wollte noch vor der Bundestagswahl festlegen, dass jedes Unternehmen alle vier Jahre kontrolliert wird. Unterstützt wurde sie dabei vom damaligen Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Auch der Deutsche Journalistenverband hatte erklärt:
    "Die Künstlersozialkasse ist kein bürokratisches Monster, das Unternehmen drangsalieren will, sondern das soziale Rückgrat von Tausenden Künstlern und freien Journalisten."
    Am Ende gab es jedoch keine Bundestagsmehrheit für eine Ausweitung der Kontrollen. Vor allem die FDP und Teile der Union waren dagegen. Der Protest des Bundes der Steuerzahler, des Arbeitgeberverbandes BDA und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags war erfolgreich. Sie hatten den bürokratischen Aufwand beklagt. Jeder Euro, der von der Künstlersozialversicherung eingenommen werde, verursache 80 Cent Bürokratiekosten für die Betriebe, erklärte etwa der DIHK.
    Besuch bei einem abgabepflichtigen Unternehmen. Kein typisches: keine freie Bühne, kein Verlag. Besuch bei einer Druckerei im Saarland. In Ottweiler. Die Firma druckt Werbebriefe und Prospekte für verschiedene Auftraggeber. Einige davon werden von einer Lektorin bearbeitet. Sie ist freiberuflich und KSK-versichert. Die Druckerei zahlt für sie die KSK-Abgabe.
    Das habe sich inzwischen auch eingespielt, sagt Petra Krenn. Sie führt die Druckerei. Aber noch immer weiß Petra Krenn in anderen Fällen nicht genau, wann sie zahlen muss. Und sie glaubt, dass es vielen Firmen so geht, die aus Unwissenheit nicht zahlten. Zurzeit bekommen die abgabepflichtigen Unternehmen Post von der KSK – sie sollen melden, wann sie im vergangenen Jahr mit freiberuflichen Künstlern zusammengearbeitet haben und was sie dafür bezahlt haben. Zwei lange Seiten mit ergänzenden Ausführungen auf der Rückseite. Die Unternehmen seien schlicht überfordert von derartigem Papierkram, sagt Petra Krenn.
    "Was mir klar ist, ist, wenn ich jetzt eine Veranstaltung mache im Haus und buche einen Künstler, dann wäre mir klar, dass das ein Künstler ist, für den so etwas anfällt. Und was ja auch noch so eine Definitionsgeschichte ist, das heißt ja irgendwas mit regelmäßig auch noch, also ich würde sagen, dass das immer zu machen ist, egal ob das einmal ist im Leben bei dieser Firma oder so, also praktisch immer, da müssen die Leute ja überlegen: Was ist jetzt regelmäßig?"
    Engagiert eine Firma einen Clown für das Betriebsfest, klingt das nach einem einmaligen Auftrag. Und das wäre nicht abgabepflichtig. Aber: Ist ein Unternehmen schon als abgabepflichtig registriert, müsse auch für einen einmaligen Auftrag gezahlt werden, so die KSK. Ein Anruf bei der Behörde in Wilhelmshaven hilft in solchen Fragen weiter, das weiß auch Unternehmerin Petra Krenn. Aber: Jeder Anruf koste Zeit, sagt sie. Das System KSK müsse durchsichtiger werden, sich selbst erklären. Hilfreich wäre auch, sagt die Unternehmerin, wenn jeder KSK-Versicherte das Unternehmen auf die Abgabe hinweisen würde.
    "Das heißt, das System müsste im Prinzip so organisiert sein, dass derjenige, der eine solche Leistung uns berechnet, draufschreibt: Achtung: Bitte soundsoviel abführen an die Künstlersozialkasse. Dann wäre das ein Modell, was vertretbar ist."
    Ein Vorschlag der Arbeitgeberseite, der noch weitergeht: Künstler führen die Abgabe sogar selbst ab. Eine abwegige Idee, sagt Rolf Bolwin aus dem KSK-Beirat.
    "In der Regel, mit Verlaub, viele, die gerade im künstlerischen Bereich oder auch im publizistischen Bereich unterwegs sind, die befassen sich doch so wenig mit solchen sozialversicherungsrechtlichen Fragen, mit Steuerfragen, und ähnlichem, dass sie in der Regel gar nicht in der Lage sein werden, das richtig zu machen."
    Prominenter Streitfall: Dieter Bohlen
    Zudem: Einige Kreative sind gar nicht Mitglied in der Künstlersozialversicherung. Weil sie nur einige wenige Aufträge freiberuflich abrechnen, ansonsten aber in einem festen Arbeitnehmerverhältnis stehen. Oder weil sie so gut im Geschäft sind, dass es günstiger für sie ist, sich freiwillig selbst zu versichern. Sie werden kaum einsehen, warum sie eine Abgabe abführen müssen, von der sie gar nichts haben. Denn: Auch für diese nicht versicherten Kreativen müssen die Unternehmen zahlen. Ein prominentes Beispiel: Dieter Bohlen.
    Bohlen ist seit einigen Jahren Jurymitglied in der RTL-Sendung "Deutschland sucht den Superstar". Zusammen mit anderen Juroren entscheidet er, welcher Bewerber in der Musikshow eine Runde weiterkommt.
    "Talentlosigkeit hat einen Namen. Also, ihr rennt alle raus und seid super traurig, dass ihr nicht singen könnt, aber Schweine können doch nicht Stabhochspringen und sind auch nicht traurig."
    Vier Millionen Euro hat sich RTL das Engagement der Juroren von 2001 bis 2004 kosten lassen. Honorare an Freiberufler - von denen auch die Künstlersozialkasse einen Teil einforderte. Der Sender RTL lehnte ab. Schließlich entschied das Bundessozialgericht den Fall. Der Justiziar des Deutschen Tonkünstlerverbandes Hans-Jürgen Werner:
    "RTL hat sich damals auf den Standpunkt gestellt, dass die Juroren eben nicht als Künstler dort säßen, sondern als Experten. Und das Bundessozialgericht hat letzten Endes im konkreten Fall gesagt: Das ist ein Gesamtkonzept an Unterhaltung, zu dem eben Juroren mit ihren individuellen Dingen dazugehören, dass dieses Konzept letztlich ein künstlerisches Konzept ist."
    Die Folge: Der Sender RTL musste für die Jurymitglieder eine Abgabe an die Künstlersozialkasse zahlen. Mehr als 170.000 Euro. Der Fall Bohlen wirft die alte Frage auf: Wer ist eigentlich Künstler oder Publizist?
    "Künstler im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Hierzu gehören auch Designer sowie die Ausbilder im Bereich Design. Publizist (...) ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt."
    So definiert es das Gesetz. Die Künstlersozialkasse hat eine Liste zusammengestellt. Mit konkreten Berufen.
    "Büttenredner, Herausgeber, Dompteur, Sprecher, Stylist, PR-Fachmann, Travestiedarsteller und Eiskunstläufer im Showbereich, Übersetzer, Visagist, Werbesprecher, Zeichner, Dichter, Modedesigner, wissenschaftlicher Autor, Maskenbildner, Sprecherzieher von Schauspielern."
    Allerdings, es gibt Ausnahmen: Hip-Hop-Lehrer etwa fallen nicht unter die Künstlersozialversicherung. Auch Tätowierer, die ihre Bilder selbst malen, werden ausgeschlossen. Und wie ist es mit den Berufen der digitalen Welt – mit Bloggern beispielsweise oder Onlinejournalisten?
    Seit dem Frühjahr überarbeitet die Künstlersozialkasse die Berufsliste. Der Reformbedarf wurde erkannt. Bis die neue Liste fertig ist, dauert es aber wohl noch etwas. Auch Rolf Bolwin, Vertreter der Unternehmen im KSK-Beirat fordert, den Künstler- und Publizistenkatalog zu überarbeiten. Allerdings denkt er keineswegs an eine Erweiterung. Er meint: Das sei Aufgabe der Politik.
    "Ich persönlich vor allem plädiere schon dafür, dass man sich den Künstler- und Publizistenbegriff noch mal vornimmt im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens, um sehr deutlich zu machen, es geht uns tatsächlich um die künstlerischen und publizistischen Berufe und nicht solche, die im Randbereich dieser Tätigkeiten existieren. Es gibt dann so irgendwelche Leute, die heißen Visagisten und kümmern sich um Maske und sind aber keine echten Maskenbildner und an diesem Beispiel sieht man ja schon, wo die Trennlinie verlaufen muss."
    Politischen Handlungsbedarf sieht Siegmund Ehrmann von der SPD in dieser Frage nicht. Im Zweifel würden ohnehin die Gerichte entscheiden. In diesen Kontext gehört eine weitere Frage: Ist es gerecht, dass sich Journalisten KSK-versichern dürfen? Verdienen sie bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit Tagessätzen von mitunter 700 Euro nicht genug, um sich selbst wie andere Freiberufler zu versichern? Frank Böhm ist Wirtschaftsberater in Köln. Zu seinem Kundenstamm zählen vor allem Journalisten. In Köln sitzen etwa der WDR und der Deutschlandfunk, im benachbarten Bonn die Deutsche Welle.
    "Man muss das schon sehr differenziert betrachten: Es gibt mit Sicherheit Leute, die ihre soziale Absicherung auch organisieren können, ohne dass es da diese Zuschüsse gibt über die Künstlersozialkasse. Aber wenn man sich anguckt, dass gerade im journalistischen Bereich immer mehr feste Stellen abgebaut werden, dann ist das für viele schon ganz wichtig, diese soziale Absicherung. Natürlich gibt es da auch Ausnahmen, aber ich denke schon, dass die Künstlersozialkasse auch im Medienbereich eine wichtige Funktion hat."
    Stärkere Kontrolle der Versicherten seit 2007
    Versicherte melden jedes Jahr Anfang Dezember, wie viel sie vermutlich im darauffolgenden Jahr verdienen werden. Nicht immer lässt sich das genau abschätzen. Und selbst wenn sich der Jahresverdienst realistisch abschätzen lässt: So mancher Künstler und Journalist rechnet sich dabei vorsätzlich arm, damit der Sozialversicherungsbeitrag geringer ausfällt. Aber das seien Einzelfälle, glaubt Wirtschaftsberater Böhm.
    "Es wird mit Sicherheit da auch mal den einen oder anderen geben, der da vielleicht versucht, zu seinem eigenen Vorteil Schlupflöcher auszunutzen, aber auch das gibt's ja in allen Bereichen."
    Seit 2007 werden nicht nur die Unternehmen stärker kontrolliert, sondern auch die Versicherten. Das wiederum übernimmt die KSK selbst. Sie überprüft etwa fünf Prozent der Versicherten im Jahr. Stichprobenartig. Noch viel Platz nach oben – aber, so heißt es bei der Behörde: Man vertraue den Künstlern. Und: Es sei auch fraglich, ob sich mehr Kontrollen finanziell überhaupt lohnten. Rolf Bolwin aus dem KSK-Beirat mit einem Beispiel:
    "Wenn ich jetzt anfange Mitarbeiter zu beschäftigen, um einem Künstler, der vielleicht ein Jahreseinkommen von 10.000 Euro gemeldet hat, nachzuweisen, dass er ein Jahreseinkommen von 12.000 Euro hatte, dann sind die Kosten, die durch die Prüfung entstehen, im Vergleich zum Ergebnis, das ich erziele, zu hoch."
    Es gibt einige Baustellen bei der Künstlersozialkasse, das Ende aber droht ihr nach gut 30 Jahren keineswegs. Die Diskussion für eine Reform ist eröffnet. Jetzt ist vor allem die Politik gefragt – um dieses einmalige Sozialsystem zu erhalten und auf stabile finanzielle Pfeiler zu stellen. Um so auch künftig freie Künstler und Publizisten zu unterstützen, so wie die Schauspielerin Sophie, die noch am Anfang ihres Berufslebens steht und die ohne Künstlersozialkasse vielleicht keine Chance hätte.
    "Es ist de facto für mich die einzige Möglichkeit so zu arbeiten und freiberufliche Schauspielerin zu sein, wie ich's jetzt bin."