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Abstimmung im britischen Parlament
Brexit - die Stunde der Wahrheit

Kurz vor der Abstimmung über den Brexit-Deal im britischen Unterhaus gilt eine Niederlage der Regierung als ausgemacht. Doch wie wird es danach weitergehen: Ein erneutes Misstrauensvotum, ein ungeregelter Austritt, ein zweites Referendum? Gegner und Befürworter des Austritts stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Von Friedbert Meurer | 14.01.2019
    Eine Fahne vom Vereinigtem Königreich (Union Jack) weht in London im Wind. Im Hintergrund ist der Uhrturm Elizabeth Tower mit dem Big Ben zu sehen.
    Seit Wochen versucht Theresa May, die Abgeordneten im Unterhaus von ihrem Brexit-Kurs zu überzeugen - mit wenig Erfolg (picture alliance / Monika Skolimowska)
    Rupert Adams wünscht ein frohes neues Jahr. Er arbeitet für den führenden britischen Wettanbieter William Hill. Er hat gerade sein Notebook vor sich aufgeklappt. Der Buchmacher nimmt Pferde- und Fußballwetten und auch politische Wetten an. Jetzt erläutert Adams, wie die Quoten stehen, ob das Unterhaus am Dienstagabend den Vertrag mit der EU billigen wird.
    "98,3 Prozent wetten, dass der Vertrag abgelehnt wird. Nur 1,7 Prozent glauben also, dass die Abgeordneten ihn billigen."
    Briten lieben es zu wetten und seit einiger Zeit haben sie entdeckt, dass man auch auf die Politik wetten kann. Wettanbieter wie William Hill reklamieren für sich sogar, ihre Quoten seien besser als die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute. Denn Wetten seien ehrlicher: Wer sein Geld auf etwas wettet, lasse sich nicht von Emotionen und Wünschen leiten. Man wolle ja sein Geld nicht verlieren.
    Blick in die Glaskugel des Wettbüros
    Jetzt scrollt Adams weiter nach unten. Wie stehen die Chancen, dass am Ende, also bis zum 29. März, das Parlament immer noch eisern alle Vertragsentwürfe mit der EU ablehnt? Wie wahrscheinlich also ist das viel beschworene "No Deal-Szenario"? Dabei verlässt das Vereinigte Königreich die EU ohne Vertrag und es könnte zu Chaos und Engpässen aller Art kommen.
    "Die Wettquote steht bei 4:11. Es wird wohl einen harten Brexit geben. Das entspricht einer Wahrscheinlichkeit von 73 Prozent."
    Das ist im Moment das große Rätsel der britischen Politik: Wie geht es weiter nach dem Dienstag, nachdem dann der Vertrag mit der EU vom Unterhaus hochwahrscheinlich abgelehnt wurde? Gibt es vielleicht ein zweites Referendum? Die Quote von Rupert Adams steht bei 42 Prozent, gefolgt von Neuwahlen mit 40 Prozent. In unübersichtlichen Zeiten schaut man auf der Insel gern in die Glaskugel der Wettbüros. Oft waren ihre Annahmen auch richtig. Beim Brexit-Referendum 2016 und bei den Neuwahlen 2017 lagen sie, wie die Meinungsforscher auch, allerdings ziemlich daneben.
    Anand Menon ist Professor am King‘s College in London. Er leitet die Denkfabrik "The UK in a Changing Europe", "das Vereinigte Königreich in einem sich wandelnden Europa". Menon ist ein gefragter Gesprächspartner für die britischen Fernseh- und Radiosender. Gerade hat er BBC Radio 5 live ein Interview gegeben. Er ist anderer Meinung als die Wettanbieter. Menon glaubt, dass am Ende nach vielen Irrungen und Wirrungen das Unterhaus doch noch einem Vertrag zustimmen wird. Und wenn das doch nicht klappt, stehen Neuwahlen auf Platz zwei seiner Tippliste.
    "Ich glaube nicht, dass wir ohne einen Vertrag die EU verlassen werden. Wenn das Unterhaus bei seinem Nein bleibt, dann wird es wahrscheinlich Neuwahlen geben. Aber da stehen erhebliche Hürden davor. Fragen sie sich selbst: Was würden die Konservativen dann zum Brexit in ihr Wahlprogramm schreiben?"
    May wird die Abstimmung wohl verlieren
    Eigentlich sollte das britische Unterhaus schon vor Weihnachten über den Vertrag zum Austritt Großbritanniens aus der EU abstimmen. Premierministerin Theresa May zog nur einen Tag vor der historischen Abstimmung die Reißleine und verschob das Votum auf Mitte Januar. Die Empörung auf allen Seiten war groß, sogar besonders unter den Brexit-Anhängern in den eigenen Reihen. May musste ein Misstrauensvotum in der eigenen Fraktion erdulden, das sie aber gewann. Politikwissenschaftler Anand Menon empfiehlt, jetzt am Dienstagabend genau hinzuschauen, nicht ob Theresa May die Abstimmung verliert, sondern wie hoch.
    Theresa May
    Wirtschaftliche Turbulenzen: May warnt vor den Folgen eines ungeordneten Brexit (picture alliance)
    "Es ist ziemlich sicher, dass sie verlieren wird. Wenn sie erdrutschartig verliert, dann ist ihre eigene Zukunft in Gefahr. Entweder wird die Opposition einen Misstrauensantrag stellen, oder ihr eigenes Kabinett wird ihr nahelegen, ‚Lass es gut sein‘. Wenn sie aber in einem akzeptablen Ausmaß verliert, von dem wir nicht wissen, was das wäre, dann geht May zurück nach Brüssel. Sie wird dann versuchen, weitere Zugeständnisse zu erhalten und der Regierung in Dublin die Daumenschrauben anzulegen. Denn dort kommt der irische Premierminister mehr unter Druck wegen eines möglichen No Deal mit einer harten Grenze zu Nordirland. Wenn May das gelingt, hofft sie, eine zweite Abstimmung zuhause gewinnen zu können."
    "Nigel Farage hätte das besser gemacht"
    Staines-upon-Thames, eine Kleinstadt eine Autostunde westlich von London. Hier hatten vor zweieinhalb Jahren 60 Prozent der Wähler für den Austritt aus der EU gestimmt. Es ist Markttag und ein Metzger aus dem Umland preist britisches Rinderfilet an für 20 Pfund das Kilo. Lammkoteletts, eingelegt in Minze, gibt es für nur 10 Pfund. Ein Senioren-Ehepaar verweilt für einen Moment vor dem Backstand mit den frischen Scones, dem englischen Gebäck, das man zum Nachmittagstee mit clotted cream, also Rahmbutter, und Marmelade isst.
    "Theresa May ist zu nachgiebig. Sie hätte uns längst aus der EU herausführen sollen, keine Frage."
    "Wir hätten gar nicht verhandeln sollen. Sie hätte einfach der EU sagen sollen: Wir gehen. Wir brauchen für den Brexit keinen Vertrag. Wenn ihr fies zu uns seid, können wir das auch."
    Am Gemüsestand auf dem Markt in Staines kann man ähnliche Ansichten hören und passenderweise dazu Brüssler Kohl kaufen, Brussel Sprouts, so heißt in England der Rosenkohl. Die EU mache, was sie will und May setze ihr viel zu wenig entgegen.
    "Der Vertrag, der auf dem Tisch liegt, ist nicht akzeptabel. Wir haben zu viele Zugeständnisse gemacht. Wir zahlen so viel in die EU ein. Ich bin überrascht, dass die EU nicht etwas konzilianter war. May war schwach."
    "Wir wurden erpresst und herumkommandiert. May versucht das Beste aus einer schlechten Lage zu machen. Aber es gibt jemanden, der das besser gemacht hätte: Nigel Farage. Der hätte das hinbekommen."
    Die Vorstellung, es könnte jetzt sogar zu einem zweiten Referendum kommen, weil das Unterhaus sich auf nichts einigen kann, erbost viele von ihnen.
    "Ich bin definitiv dagegen. Die Leute haben sich entschieden und darum geht es doch in der Demokratie. Die Politiker wollen das für sich entscheiden und denken nicht an den Willen des Volkes."
    Aufwind für ein zweites Referendum
    Ortswechsel. Andrew Adonis redet vor etwa 80 Zuschauern in einem schmucklosen Gemeindezentrum in Wimbledon im Südwesten von London. Adonis ist Mitglied im House of Lords, Labour-Politiker und wirbt für ein zweites Referendum.
    "Es wird eine neue Volksabstimmung geben und diesmal werden wir gewinnen."
    Lord Adonis war einer der ersten in Westminster, der sich dafür stark machte, die Briten noch einmal über den Brexit abstimmen zu lassen. Anfangs winkten alle ab. Jetzt, vor der großen Abstimmung im Unterhaus, steht Adonis nicht mehr allein da. Die Befürworter eines neuen Referendums, vor kurzem noch belächelt, spüren erheblichen Aufwind.
    "Es wird täglich wahrscheinlicher. Ich habe das vor kurzem noch für sehr unwahrscheinlich gehalten."
    "In den letzten drei Wochen hat es einen erheblichen Aufschwung gegeben. Aber die Briten können dickköpfig sein. Vielleicht werden einige doch anders als zuletzt abstimmen, wenn sie im Wahllokal geheim ihr Kreuz machen. Ich drücke die Daumen."
    Aber etliche Stimmen an diesem Abend in Wimbledon klingen auch besorgt. Viele erleben das allgemeine politische Klima und die Krise im Land als bedrückend.
    "Die von unserer Idee eines zweiten Referendums nichts halten, sagen mir, das ist völlig undemokratisch. Einmal bin ich sogar als Faschist beschimpft worden, weil ich für eine neue Volksabstimmung bin."
    Hürden für zweite Abstimmung sind hoch
    Premierministerin Theresa May mag vor einigen Wochen noch gehofft haben, sie könnte bei der Abstimmung über den Brexit-Vertrag Unterstützung aus den Reihen von Labour erhalten. Zum Beispiel von EU-Befürwortern bei Labour, die das aus ihrer Sicht Allerschlimmste verhindern wollen, das mögliche Chaos bei einem No Deal. Aber diese Labour-Leute, zu denen das Oberhaus-Mitglied Adonis zählt, hoffen jetzt klar auf ein zweites Referendum.
    "Es gibt sicher eine Mehrheit im Parlament für ein zweites Referendum, wenn die Abgeordneten unabhängig ihre Meinung sagen würden. Bei den Konservativen werden aber die Whips, die Einpeitscher, für Disziplin sorgen. Aber Theresa May hat ja die Kontrolle verloren. Deswegen glaube ich, dass sich eine Mehrheit für eine neue Volksabstimmung durchsetzen wird."
    Ein Brexit-Gegner steht vor dem Houses of Parliaments in London und hält Schilder hoch
    Brexit-Gegner fordern ein zweites Referendum - doch das würde mehrere Monate Vorbereitung in Großbritannien erfordern (imago)
    Landauf, landab machen die Anhänger einer zweiten Volksabstimmung mobil, hier in Wimbledon wie auch in vielen anderen Städten. Viele Remainer hatten sich schon mit dem Brexit abgefunden und wittern jetzt die Chance, dass, wenn sich all der Pulverdampf über Westminster gelichtet hat, eine Mehrheit des Parlaments tatsächlich eine zweite Volksabstimmung beschließen wird. Politikwissenschaftler Anand Menon aber glaubt nicht daran.
    "Die verfahrenstechnischen Hürden für ein zweites Referendum sind enorm, sowohl hier bei uns als auch bei der EU. Sie brauchen eine Regierung, die das gesetzlich vorschlägt. Das Parlament muss zustimmen und diese Mehrheit gibt es noch nicht. Dann muss sich das Unterhaus darauf verständigen, welche Frage denn der Bevölkerung vorgelegt würde. Gleichzeitig müsste die EU einer erheblichen Verzögerung des Austrittsprozesses zustimmen. Wir könnten frühestens Ende Juli ein Referendum haben, vermutlich eher erst im Herbst. Ich weiß nicht, ob die 27 Mitgliedsstaaten das wirklich wollen."
    Witze über Mars-Riegel
    Menon rechnet damit, dass das den EU-Befürwortern im Unterhaus irgendwann klar wird und sie dann zähneknirschend doch dem Vertrag zustimmen werden, den Theresa May mit der EU verhandelt hat. Die Premierministerin selbst wird nicht müde, dafür zu werben. In der letzten Woche hatte sie immer wieder Abgeordnete in ihren Amtssitz in der Downing Street eingeladen, um sie umzustimmen. Mays Stellvertreter David Lidington versucht der eigenen Partei klarzumachen, was man doch alles erreicht habe.
    "Der Vertrag sieht eine zweijährige Übergangszeit vor. Das haben große und kleine britische Unternehmen laut und deutlich gefordert, damit sie sich auf ein neues Szenario einstellen können. Wir erhalten von der EU eine Garantie, dass wir weiter uneingeschränkt Handel treiben können. Das ist so wichtig. Denken Sie an unsere Autoindustrie, unsere Landwirte, die Betriebe in der Lebensmittelindustrie. Damit gewinnen wir Zeit, um mit der EU einen komplexen Partnerschaftsvertrag über die künftigen Beziehungen auszuhandeln."
    Dann warnt Lidington eindringlich seine eigenen Parteifreunde vor den Konsequenzen, sollte es bis zum 29. März keinen Vertrag mit der EU geben.
    "Alle Lebensmittelexporte von uns oder Lebendvieh müssten an der Grenze inspiziert werden. Es gibt aber in Calais überhaupt keine Anlagen oder eine Infrastruktur dafür. Im No-Deal-Fall sieht das europäische Recht Zölle von 40 Prozent oder mehr vor für Lammfleisch aus Wales, Rindfleisch und Fisch aus Schottland. Teilweise sind sogar 90 Prozent Zölle fällig. Oder nehmen sie Autos, die in Sunderland oder Swindon oder in den West-Midlands hergestellt werden. Für sie würden Zölle in Höhe von zehn Prozent gelten, wenn sie in die EU exportiert werden."
    Der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson spricht im Unterhaus in London.
    Protest gegen Mays Brexit-Pläne und grobe Witze: der frühere Außenminister Boris Johnson (dpa-Bildfunk / PA Wire)
    Die Brexiteers in der Regierungsfraktion halten die Warnungen für übertrieben. Der frühere Außenminister Boris Johnson macht sich sogar lustig über die Warnungen vor einem angeblich drohenden nationalen Notstand ab dem 30. März.
    "Wir werden nicht nur ausreichend Mars-Riegel als Vorrat haben und Trinkwasser, sondern auch Chips mit Käse- und Zwiebelgeschmack."
    Nicht wenige in der britischen Wirtschaft werden über die Scherze des Boris Johnson kaum lachen können. Aber im eigenen Lager, bei den Brexiteers in der konservativen Fraktion und bei vielen Mitgliedern der Partei, findet er viel Zustimmung. Seit drei Jahren hören die Briten nahezu pausenlos, der Brexit werde der Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Er würde nach dem Referendum einen sofortigen ökonomischen Schock auslösen. Wenig von den Warnungen ist bisher eingetreten, die Wirtschaft ist noch einigermaßen stabil. Allerdings wenden andere ein, der Brexit ist ja noch gar nicht eingetreten. Michael Gove, der Umweltminister, konstatiert, wenn jetzt die Warnungen vor einem No Deal in den Wind geschlagen würden, dann sei das ein Erbe der überzogenen Warnungen von damals. Nur bedeutet das jetzt wirklich, dass ein chaotischer Austritt aus der EU völlig harmlos wäre? Der Gouverneur der Bank von England, Marc Carney, sieht das anders.
    "Das Land ist nicht ausreichend vorbereitet auf einen abrupten Brexit. Weniger als die Hälfte aller Unternehmen hat sich darauf vorbereitet. Nicht einmal jeder fünfte Kleinbetreib ist darauf eingestellt."
    Brexeteers glauben an wirtschaftliche Stärke
    Aber der Gouverneur der Bank von England gilt den Hardlinern unter den Brexiteers bloß als verlängerter Arm der Remainer. Das sei nur wieder "Project Fear", "Projekt Angstmacherei". Damit wischen Brexiteers seit Jahren alle ökonomischen Bedenken von sich. Sollte Theresa May erwartet haben, über Weihnachten und Neujahr würden die Brexiteers einlenken, dann geht das Kalkül wohl nicht auf. Im Gegenteil: Die Fronten haben sich verhärtet. Peter Bone, ein altgedienter EU-Skeptiker in der Tory-Fraktion meint:
    "Wenn sich etwas geändert hat, dann ist es eher so, dass die Einstellung der Abgeordneten in puncto No Deal härter geworden ist. Je mehr Informationen wir bekommen, desto deutlicher wird für uns: es ist absolut okay, diesen Weg zu gehen."
    Die Annahme, die Briten sähen jetzt deutlich die negativen Folgen des Brexits, gilt jedenfalls für die Fraktion der Konservativen nicht. Im Gegenteil: 85 Prozent der Abgeordneten glauben einer Umfrage zufolge, mögliche Verluste im Handel mit der EU würden dadurch kompensiert, dass Großbritannien eigene Handelsverträge mit den USA, China und anderen Staaten abschließen kann.
    Der Glaube an die Stärke des eigenen Landes ist groß. Vier von fünf Tory-Abgeordneten vermuten, dass ihr Land in zehn Jahren ökonomisch besser da stehen wird als jetzt. Entsprechend viele Abgeordnete, nämlich 70 Prozent, die Fraktionen der Opposition eingerechnet, sind daher der Meinung, Theresa May habe schlecht mit der EU verhandelt.
    "Nichts ist vorbereitet" - das ist ein Desaster
    Proben für den Ernstfall in Dover: Lastwagen an Lastwagen rollte auf einen zum Parkplatz umfunktionierten Flughafen unweit des Hafens an. Eine Maßnahme für alle Fälle, wenn Großbritannien ohne Vertrag die EU verlassen sollte und dann rund um den Fährhafen Dover nichts mehr gehen sollte. Für den örtlichen Labour-Bezirksvertreter Peter Campbell war die Übung aber purer Aktionismus.
    "Das ist zu wenig und kommt zu spät. Die üben mit 89 Lastwagen, Dover fertigt aber 10.000 Lastwagen allein pro Tag ab. Das gibt ein Desaster. Nichts ist vorbereitet. Nach zwei Jahren sollen jetzt die Verhandlungen platzen?"
    Seit Wochen bereitet sich die britische Regierung darauf vor, dass Großbritannien von heute auf morgen, sprich vom 29. auf den 30. März, nicht mehr zur EU gehört. Die Pharmafirmen sollen Medikamente einlagern, es werden Fähren angemietet und eben Übungen vorgenommen, um Staus abzufedern. Die Regierung in London beteuert, man wolle weiter, dass der Vertrag mit der EU gebilligt wird. Aber man müsse sich auf das Schlimmste vorbereiten. Seit letzter Woche steht aber fest, dass eine Mehrheit im Unterhaus diesen mutmaßlich bitteren Weg auf keinen Fall mitgehen will.
    Keine gute Prognose für die britische Wirtschaft: Die Verbände fordern einen Strategiewechsel der Regierung.
    Freihandelsabkommen für Güter bestimmte bislang die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und GB (picture alliance / Andy Rain)
    Mit 303 zu 296 Stimmen bescherte die Opposition gemeinsam mit 20 konservativen Abgeordneten der Premierministerin eine Niederlage. Nach und nach soll der Regierung der Geldhahn zugedreht werden, falls sie wirklich das Land ohne Vertrag aus der EU herausführen will. Yvette Cooper, eine führende Labour-Politikerin, hatte die Initiative ergriffen.
    "Ich habe diesen Antrag gestellt, weil ich wirklich beunruhigt bin. Dieses Hinhalten und diese Rutschbahn in Richtung No Deal sind ein Spiel mit dem Feuer. Es besteht jetzt ein ernsthaftes Risiko, dass wir in nur noch 80 Tagen ohne Vertrag aus der EU herausbrechen. Wenn es zu spät ist, hat das Parlament keine Möglichkeit mehr, das zu stoppen."
    Der Antrag Coopers war nur ein erster Nadelstich, tags darauf folgte ein zweiter gegen die Verzögerungspolitik Theresa Mays. Sie muss jetzt schon bis zum nächsten Montag einen Plan B vorlegen, falls ihr Plan A jetzt durchfällt. Die Premierministerin wiederholt gebetsmühlenartig, dass es nur einen Weg gebe, um den Exit ohne Vertrag zu verhindern, indem das Parlament ihrem Vertrag zustimmt.
    "Den Brexit ohne Vertrag können wir nur vermeiden, wenn wir uns mit der EU einigen, oder wenn wir den Brexit ganz bleiben lassen."
    Die Drohung, dass Theresa May den Brexit ganz bleiben lässt, ist an die Hardliner in der eigenen Fraktion gerichtet. Die aber wirken unerbittlich. Und die Remainer in der Opposition verweigern auch die Zustimmung, weil sie lieber ein zweites Referendum wollen.