Freitag, 29. März 2024

Archiv

Abstimmung im Bundestag
Merkel wirbt "aus voller Überzeugung" dafür

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag eindringlich für neue Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfsprogramm geworben. Deutschland handele grob fahrlässig, wenn dieser Weg nicht wenigstens versuchen werde, sagte Merkel. SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte vor einer weiteren "Grexit"-Debatte.

17.07.2015
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hält ihre Rede zum Auftakt der Sondersitzung im Bundestag.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel plädiert für ein "Ja" zu Verhandlungen. ( JOHN MACDOUGALL / AFP)
    Trotz spürbaren Unmuts kann Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei CDU und CSU mit einer breiten Zustimmung für den Rettungskurs der schwarz-roten Bundesregierung rechnen. Allerdings kündigten 48 Abgeordnete aus Merkels Fraktion in einer Sondersitzung ein Nein an. Die Fraktion hat 311 der 631 Sitze.
    Die SPD-Fraktion stellte sich nahezu geschlossen hinter die Pläne, Verhandlungen aufzunehmen. Auch die Grünen unterstützen ein drittes Griechenland-Hilfspaket, wollen sich bei der Abstimmung des Bundestages aber mehrheitlich enthalten. Die Linke will dagegen Verhandlungen ablehnen - mit dem Argument, Griechenland würden zu harte Bedingungen auferlegt.
    "Heißes Herz und kühlen Kopf"
    Zu Beginn der Debatte im Bundestag warb Kanzlerin Merkel um Zustimmung zur Aufnahme von den Verhandlungen. Sie bitte darum "aus voller Überzeugung", sagte sie. Die Alternative dazu sei Chaos. Einen Schuldenschnitt lehnte sie erneut ab.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am 17.07.2015 bei der Sondersitzung des Deutschen Bundestags zu Griechenland-Hilfspaketen in Berlin.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Sondersitzung des Bundestags zu Griechenland-Hilfen (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Linksfraktionschef Gregor Gysi erhob schwere Vorwürfe geben Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. "Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören", sagte der Oppositionsführer an die Adresse Schäubles. Kanzlerin Merkel warf er vor, ihr Verhalten Schäuble gegenüber sei schwach gewesen. "Sie galten immer als starke Frau".
    SPD-Chef Sigmar Gabriel warb um Unterstützung für das Hilfspaket, nicht nur im Bundestag, sondern auch bei der Bevölkerung. Das wichtigste Argument für die Hilfe sei die Mitmenschlichkeit. "Wir können und dürfen diese Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen", sagt der Vizekanzler. Es gebe in Europa keinen Platz für hungernde Kinder, bettelnde Rentner und Suppenküchen. Gabriel warnte zudem vor einem weiteren "Grexit"-Debatte. Die Bundesrepublik müsse vielmehr Partner Athens bei der Umsetzung des Reformprogramms sein.
    Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der Bundesregierung eine Spaltung Europas vor. Die Drohung mit einem Grexit gegen Griechenland sei fatal. "Europa braucht in diesen Tagen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf", sagte sie. Sie fordert zudem eine Schuldenerleichterung und zusätzliche Investitionen in Griechenland.
    Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warb für die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket. "Es ist ein letzter Versuch, um diese außergewöhnlich schwierige Aufgabe zu erfüllen", sagt er. Was ihn quäle sei seiner Verantwortung gerecht zu werden als Finanzminister eine Lösung zu finden, von der er sagen könne: "Ich bin überzeugt, dass diese Lösung funktioniert".
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble während der Sondersitzung im Bundestag. 
    "Es ist ein letzter Versuch, um diese außergewöhnlich schwierige Aufgabe zu erfüllen", sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. ( TOBIAS SCHWARZ / AFP)
    Würdigung von Philipp Mißfelder
    Bevor die Abgeordneten mit der Debatte anfingen würdigte Bundestagspräsident Norbert Lammert den gestorbenen Abgeordneten Philipp Mißfelder (CDU) als außergewöhnlich talentierten jungen Politiker. "Es gibt kaum jemanden in der Geschichte des Bundestages, der in so jungen Jahren ohne ein Amt in der Exekutive ein so dichtes Netz an politischen Kontakten aufgebaut hat", sagte Lammert. "Der Deutsche Bundestag verliert mit ihm einen engagierten und respektierten Parlamentarier - viele von uns, auch ich persönlich, einen guten Freund", sagte Lammert, der sichtlich um Fassung rang.
    Zuvor hatten viele der Abgeordneten bei einer Totenmesse in der St. Hedwigs-Kathedrale Abschied von Mißfelder genommen, der in der Nacht zum Montag mit 35 Jahren an einer Lungenembolie gestorben war. Der langjährige Vorsitzende der Jungen Union saß seit 2005 im Bundestag.
    (pg/tj)