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Abstimmung im Europaparlament
Urheberrechtsgesetz auf der Wartebank

Wenn Google oder andere Online-Unternehmen Texte verwerten, sollen die Urheber daran mitverdienen. So wünschen es sich unter anderem die Zeitungsverlage. Doch das Europaparlament hat sich vorerst gegen ein entsprechendes Vorhaben gestellt – auch weil es Sorgen um die Freiheit im Internet gibt.

Von Michael Meyer | 05.07.2018
    Pfeile zeigen in Neon-Wolken / Arrows show in Neon Clouds
    Upload-Filter gehören zu den umstrittendsten Elementen der geplanten Neuregelung. (imago / Aeriform)
    Die deutschen Verleger haben in den letzten Jahren getrommelt wie noch nie - zunächst für das deutsche Leistungsschutzrecht, dann für die europäische Variante des Gesetzes. Kurz gesagt soll es jenen Verlagen und Medienhäusern zusätzliche Einnahmen verschaffen, deren Texte von Dritten kommerziell verwertet werden.
    "Keine Rechtsgrundlage" für Linksteuer
    Valdo Lehari, Verleger des "Reutlinger Generalanzeigers" und Präsident des Europäischen Zeitungsverlegerverbands sagt, dass es bei der Debatte um die Gesetzesinitiative viele Falschinformationen gegeben habe, die gezielt von interessierter Seite gestreut worden seien. Etwa, dass private Nutzer fürs Verlinken von Texten nun zahlen müssten. Normale Nutzer seien von dem Gesetz gar nicht betroffen:
    "Und es gibt auch eine absolute Klarstellung in dem Artikel 11, dass es kein Linkverbot gibt, dass es keine Linksteuer gibt - da gibt es keine Rechtsgrundlage dafür - und dass auch die private individuelle Nutzung, das ist jetzt auch klargestellt, dass dies auch erlaubt ist. Wenn es nun in Europa einheitlich ein Leistungsschutzrecht gibt, dann kommen die Verlage auf Augenhöhe, um mit Google und den anderen Suchmaschinenbetreibern und Social Media Plattformen zu verhandeln. Und das wäre in Europa eine klare Ansage. Das wird mit Sicherheit besser."
    Bislang haben sich die großen Netzkonzerne wie Google und Facebook rigoros gesperrt gegen Forderungen, für Inhalte der Verlage zu zahlen. Doch Valdo Lehari meint, das sei nur eine Frage der Zeit: Für die Einigung der Musikindustrie mit YouTube habe es auch sieben Jahre gebraucht. In jedem Fall wollen die Verlage sich nicht mehr damit abfinden, dass Filme, Musik und andere Werke im Netz erheblich besser geschützt sind als journalistische Texte.
    Upload-Filter als Zensur-Instrument?
    Doch Kritiker monieren, dass es in der Folge des Gesetzes auch Kollateralschäden geben könnte. Kleinere Plattformen und Start-Ups könnten zu Zahlungen verpflichtet werden. Im Fokus der Kritik stehen aber auch sogenannte "Upload-Filter". Diese könnten Google, Facebook und andere Plattformen einsetzen, um zu prüfen, ob Inhalte gegen Urheberrechte verstoßen.
    Da das geschehen würde, noch bevor ein Inhalt online geht, würde das durchaus private Nutzer betreffen, sagt Markus Beckedahl, Journalist und Betreiber der Website "netzpolitik.org". Beckedahl befürchtet darüber hinaus, dass diese Upload-Filter noch weitere Folgeschäden verursachen:
    "Mit dem Aufbau von Upload-Filter-Infrastrukturen schafft man auch die perfekte Zensur-Infrastruktur. Wenn es erstmal überall auf allen großen und möglicherweise auch kleineren Plattformen direkt beim Hochladen Infrastrukturen gibt, die Inhalte filtern, dann kann das auch in Zukunft, wenn wir mal eine andere Regierung bekommen, dann kann das dazu führen, dass diese Infrastrukturen für politische Zensur missbraucht werden. Und es gibt hier keinerlei demokratische Kontrollen, die zumindest das Mindeste wären, die man bei einer solchen Infrastruktur einbauen müsste."
    Weitere Beratungen nötig
    Was die eigentlichen Urheber betrifft, also die Autoren und Journalisten, sind die meisten Verbände und Institutionen für das neue Gesetz. Über 70 Verbände haben sich dafür ausgesprochen. Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands, ist zwar nicht ganz glücklich mit dem Gesetz, aber die Richtung stimme:
    "Journalistische Leistungen dürfen nicht umsonst hergegeben werden. Es kann nicht sein, dass andere, also eben Suchmaschinen hohe Gewinne machen mit Leistungen anderer. Journalistinnen und Journalisten müssen an diesen Verwertungserlösen beteiligt werden. Das funktioniert eben im Leistungsschutzrecht über die Verleger. Und deswegen begrüßen wir grundsätzlich diese Initiative."
    Strukturen wie die "Upload-Filter" lehnt allerdings auch der Deutsche Journalistenverband ab. Um so etwas zu verhindern, sollte man die EU-Richtlinie noch verändern, fordert Überall.
    Und in der Tat will sich das Parlament jetzt noch einmal mit der heute abgelehnten Richtlinie befassen und sie neu beraten. Sowieso würde die Umsetzung der Richtlinie Jahre brauchen, da sie nach einem weiteren Anlauf im Parlament noch von der EU-Kommission und dem Ministerrat beschlossen werden müsste, und dann von den nationalen Parlamenten. Und danach würde sie dann ganz sicher noch viele Rechtsanwälte und Gerichte beschäftigen.