Dienstag, 23. April 2024

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Abstrakte Kunst von Pollock bis Herrera
Jahrmarkt der Einzelheiten

Das New Yorker Metropolitan Museum zeigt ein "Best of" der Abstrakten Expressionisten, opfert die Schau durch viele Bezüge zur Gegenwart aber der Beliebigkeit.

Von Sacha Verna | 18.12.2018
    Ein Besucher steht vor der abstrakten Farbfläche von "Nummer 28" und fotografiert diese per Smartphone.
    "Nummer 28" von Jackson Pollock in der Ausstellung "Epic Abstraction" (imago/UPI Photo)
    Es ist eine beliebte Ausstellungsstrategie: Man nehme einen wabbeligen Begriff, setze ein gewichtig klingendes Adjektiv daneben und versammle darunter allerlei, das nicht unbedingt zusammengehört - aber unbedingt diesen Eindruck erwecken soll. Epic Abstraction ("Epische Abstraktion") schöpft das Potential dieser Strategie voll aus. Kurator Randy Griffey:
    "Abstrakte Bilder und Skulpturen stellen die Welt nicht so dar, wie wir sie wahrnehmen, sondern befassen sich mit formalen Elementen von Kunst und Design."
    Episch seien die Exponate im wörtlichen wie im übertragenen Sinn: "Einige der vertretene Künstler arbeiten mit grossen Formaten und umfassenden Themen, wie Natur, Geschichte, Existentialismus."
    Merkwürdige Kombinationen
    In dieses Konzept passt natürlich eine ganze Menge. Allen voran die Vertreter des "Abstrakten Expressionismus", die die abstrakte Kunst in den Vereinigten Staaten überhaupt erst salonfähig machten: Künstler von Mark Rothko bis Willem de Kooning, mit der Gallionsfigur Jackson Pollock. Von diesen dreien, aber auch von Clifford Still und Robert Motherwell besitzt das Metropolitan Museum bedeutende Werke, die zu betrachten immer Freude bereitet.
    Allerdings ist es schlicht merkwürdig, ein "Tanktotem" von David Smith - eine jener aus Boilerdeckeln und Maschinenteilen zusammengeschweissten Skulpturen der 1950er-Jahre - ins weisse Licht einer Installation von Dan Flavin aus den 1960er-Jahren getaucht zu sehen. Die meisten Besucher zwinkern diese diagonale Leuchtstoffröhre freilich ohnehin einfach weg. Noch merkwürdiger ist es, etwas später auf ein kinetisches Klappergestell von Jean Tinguely zu stoßen. Das soll wohl einen kunsthistorischen Echoeffekt erzeugen, tut es aber nicht.
    Internationale Perspektive
    Dem Gebot der Stunde gehorchend haben sich die Organisatoren um Diversität und um eine internationale Perspektive bemüht. Als Angehöriger einer Minderheit hält der Afroamerikaner Mark Bradford her, ein Star der Gegenwartskunst, der mit verschiedenen Techniken arbeitet, aber selten malt. Für "Duck Walk" ("Entenspaziergang") von 2016 hat er Papier in Bleichmittel getaucht und die gelblich-bräunlichen Fetzen auf eine Leinwand geklebt.
    Bradfords Werke seien gegenstandslos, aber nicht inhaltslos, sagt Randy Griffey, sie bezögen sich auf die afro-amerikanische Kultur:
    "These works are still filled with content. They are just not telling stories in the same way that a figurative painting might tell a story." Alle Werke in dieser Ausstellung würden Geschichten erzählen, aber mit anderen Mitteln als figürliche Kunst.
    "... und an die Wand damit"
    Eine Frau, die Geschichten erzählt, hat man mit Ilona Keserü in Ungarn gefunden. Ihre bestickten Wandbehänge aus den späten 1960er-Jahren enthalten Formen, die aller Gegenstandslosigkeit zum Trotz zugleich an Gebäck mit farbigem Zuckerguss erinnern und an die kariesbefallenen Zähne, die die Folge davon sind. Die Kubanerin Carmen Herrera wiederum erlebt mit 103 Jahren zurzeit eine Renaissance. Auf ihrem Bild "Equilibrio" von 2012 schweben drei schwarze Dreiecke vor weissem Grund in prekärem Gleichgewicht, auf der Spitze und auf einander stehend.
    Das ist alles ganz nett und eine gute Gelegenheit für das Metropolitan Museum, neben Leihgaben und eigenen Beständen versprochene Schenkungen und Neuankäufe zu präsentieren. Doch viele dieser Werke verbindet nicht mehr als die Tatsache, dass sie keine Stillleben sind. Das wirklich dominierende Stilprinzip hier lautet: "Auf den Sockel und an die Wand damit". Das hat noch nie funktioniert.