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Absturz der Lira
Welche Risiken der Währungsverfall birgt

Die türkische Wirtschaft basiert auf Konsum und Bau-Projekten. Viele Verbraucher und Unternehmen sind entsprechend im Ausland verschuldet. Was also bedeutet die Währungskrise für andere Staaten - und die Finanzwelt?

Von Felix Lincke | 13.08.2018
    Das Bild zeigt Hände mit Banknoten der türkischen Landeswährung Lira an einem Geldautomaten. Im Hintergrund sind rot-leuchtende Wechselkurse zu sehen.
    Der Verfall der türkischen Lira - nicht nur ein Problem für das Land selbst? (AFP / Yasin Akgul)
    Die Konfrontation des türkischen Präsidenten Erdogan mit US-Präsident Trump hat Ende letzter Woche zu einer deutlichen Eskalation der türkischen Wirtschaftsprobleme geführt. Harte US-Sanktionen wie die Verdoppelung der Einfuhrzölle auf Stahl von heute, sie treffen die türkische Währung - und nicht nur das.
    Erdogan liegt schon länger im Streit mit Nato-Verbündeten. Seine Kritik an Deutschland ist bekannt. Da sei einiges zusammengekommen, meint Oliver Roth von der Oddo Seydler Bank: "Erdogan hat eigentlich in den letzten drei Jahren alles getan, um Vertrauen zu verspielen. Und deswegen bin ich nicht in der Lage, ihm jetzt einen Tipp zu geben, was er am besten macht."
    Bundesregierung: Kein Interesse an schwacher Türkei
    Von einer Verschwörung im Ausland spricht Erdogan immer wieder. Die Bundesregierung erklärte heute, dass sie kein Interesse an einer schwächeren türkischen Wirtschaft habe, im Gegenteil. Tatsächlich hat die Türkei eine negative Handelsbilanz und ist dringend auf Kapital vor allem aus Europa angewiesen. Viele Türken sind privat im Ausland in Euro und Dollar verschuldet und viele Unternehmen.
    Trotzdem würden europäische Banken keine ernsthaften Probleme damit bekommen, sagt Roth. Auch der Chefvolkswirts der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht die größte Schwierigkeit in der Person von Erdogan selbst: "Vermutlich wird Erdogan stur bleiben. Es wird dann in diesem Fall auf Kapitalverkehrskontrollen, auf eine Devisen-Bewirtschaftung hinauslaufen. Und am Ende steht ja dann vermutlich eine schwere Rezession, eine schwere Wirtschaftskrise."
    Erdogans größter Fehler: Einflussnahme auf Notenbank
    Die andere Möglichkeit, die Erdogan bisher ablehnt, wären deutlich höhere Zinsen, um die hohe Inflation in der Türkei zu bekämpfen. Die Fondsgesellschaft Fidelity schlägt der türkischen Notenbank eine Anhebung der Leitzinsen um zehn Prozent vor, als eine Art Schock-Therapie zur Stärkung der Währung.
    Doch die türkische Zentralbank ist nicht mehr unabhängig, Erdogan bestimmt inzwischen auch den Notenbankchef. In Augen vieler Experten war das sein bisher größter Fehler: "Erdogan hat ja doch versucht, zumindest Einfluss auf die Politik der Notenbank zu nehmen. Auch das sorgt für Tristesse, auch das sorgt eben ein Stück weit für eine Verschärfung der Krise."
    Der IWF ist keine Lösung
    "Massive Sorgen" um die Türkei macht sich der Chef des Münchener Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest. Die Türkei müsste seiner Meinung nach die Hilfe des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen. Doch unter den gegebenen Umständen, dass Erdogan keinen Gesichtsverlust erleiden darf, hält Krämer den Währungsfonds für keine Lösung. "Der Internationale Währungsfonds, der kann ja keinem Land Geld geben, das bewusst mit seiner, ja, ignoranten Wirtschaftspolitik den Schaden selber herbeiführt." Um vom IWF einen Kredit zu bekommen, müsste die Regierung sich nämlich zu umfassenden Wirtschaftsreformen bereit erklären.
    Der Schaden für die deutsche Wirtschaft liegt vor allem in einem geringeren Handelsvolumen. Wer allerdings in der Türkei Konsumgüter verkaufen will, geht erst einmal härteren Zeiten entgegen.