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Absurder Humor mit Kanten

Seit fast 20 Jahre gibt es nun schon Stereo Total, das erfrischende Berliner Trash-Chanson-Duo bestehend aus Françoise Cactus und Brezel Göring. Ihr Markenzeichen sind die absurden Texte. Mit "Cactus versus Brezel" erscheint nun ein neues Album, das sie zum ersten Mal in den USA aufgenommen haben.

Von Florian Fricke | 01.06.2012
    Das elfte Album von Stereo Total also. So what, ist der Hörer geneigt zu sagen, oder besser: et alors? Auf "Cactus versus Brezel" klingen Stereo Total eigentlich fast wie immer: über einem Korsett aus schepprigen 60ies Pop, Garage Punk und 80er Elektro, geschnürt von Komponist und Arrangeur Brezel Göring, französelt Françoise Cactus ihre schrägen Texte. Und damit zerbröselt jegliche gelangweilte Erwartungshaltung am umwerfenden Charme der feministischen Punkchansonnière Cactus. Der lange Spargel als die Nutte unter den Gemüsen – dieser absurde Humor mit Kanten muss auch den letzten Skeptiker überzeugen.

    "Zum Beispiel meine französischen Lieder sind oft überhaupt nicht lustig. Aber die deutschen Lieder müssen lustig sein, sonst denkt man sich gähn - ich weiß nicht warum. Das liegt an der Sprache. Also sogar die meisten Hits aus USA oder England – nehmen wir an, die würde jemand wörtlich übersetzt auf Deutsch singen. 'Ich sitze und warte, und du rufst nicht an', oder so was. Das ist einfach furchtbar."

    Deutscher Humor gegen französischen Ernst also? Im Vergleich zum humoristischen "Lied für Vegetarier" schlägt das französische Lied "Qu' est-ce que tu peux?" eine melancholischere Seite an, jedenfalls textlich.

    "Das heißt wörtlich: 'Was soll ich mit dir machen, wenn du nicht mehr willst, dass ich dich küsse. Wir können ja Ewigkeiten auf dem Sofa sitzen und Staub fangen', und Blabla. Das ist so ein kleines trauriges Liebeslied, weil der Junge will sie nicht mehr küssen. Voilà. So was kann man nicht schreiben auf Deutsch, wirklich wahr."

    Françoise Cactus, aufgewachsen im Burgund, kam bereits Mitte der 80er-Jahre als 20-jährige nach West-Berlin. Gewappnet mit einer furchtlosen "Do it yourself"-Attitüde tauchte sie ein in die anarchistische Kreuzberger Vor-Wende-Szene und wollte unbedingt Musik machen. Ihren Platz als Frau musste sie sich hart erkämpfen, schon in ihrer ersten Band Lolitas. Das thematisiert sie auch in der ersten Single Auskopplung von "Cactus versus Brezel": "Die Frau in der Musik".

    "Ich wollte unbedingt Schlagzeug spielen. Ach, diese Jungs wollten mich nicht Schlagzeug spielen lassen. Sie sind ständig eingetrudelt mit jemand, den ich nicht kannte: 'Oh, wir haben diesen Schlagzeuger'. Raus mit dem, ich spiele Schlagzeug! Okay, ich habe echt wie ein Schwein gespielt am Anfang, aber man muss irgendwo anfangen."

    Ihr neues Album "Cactus versus Brezel" haben die beiden in Los Angeles aufgenommen, im Studio des befreundeten Produzenten Gus Seyfert. Brezel Göring wollte die Musik nicht mehr am Computer zusammensetzen, sondern so direkt und analog wie möglich produzieren. Dafür war Seyferts Studio ideal: Es ist mit alter Technik aus den 50er-Jahren ausgestattet.

    "Auf den vorigen Platten haben wir oft Stücke mit Drumcomputern oder Loops gemacht. Aber mit der Art und Weise, mit der Françoise Schlagzeug spielt, das ist ja fast so was wie eine akustische Unterschrift. Das sind schon lustige Einstiege, wenn das Lied losgeht. Dann können wir, weil wir soviel live spielen, die Stücke ganz gut runterspielen. Das auszunutzen und nicht so viel zu collagieren. Und dann gibt es immer so einen Moment, dass wir schon fast telepathisch aufeinander reagieren können, dass wir musikalische Entscheidungen ganz schnell treffen können."

    Die USA sind für Stereo Total kein unbekanntes Pflaster. Sie sind eine der wenigen deutschen Bands, die schon mehrfach durch die Staaten getourt sind. So haben sich Françoise Cactus und Brezel Göring dort eine kleine studentische Fanbase aufgebaut, die genau das Gleiche an dem Duo schätzt wie die deutschen Fans: das eingängige LoFi-Rock'n'Roll-Konzept mit hohen Ohrwurmqualitäten gepaart mit rotzfrechen Texten, die auch beim zehnten Hören ein breites Grinsen auslösen. Langweilig wird den beiden mit ihrem Sound jedenfalls nicht.

    "Ich bewundere mich jedes Mal, wenn es eine neue Platte gibt, dass sie doch nicht so anders ist. Aber während wir sie machen, habe ich immer den Eindruck: Oh Gott, wir machen diesmal was total anderes. Aber bon, klar, der Sound ist schon so typisch. Und ich glaube, das ist das, wenn man Musik macht zu zweit und das kann, was wir können, das kommt dann dabei heraus."

    Gelächter.