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Abtreibungs-Werbeverbot
Der Streit um Paragraf 219a

Das Werbeverbot für Abtreibungen sorgt schon lange für Gerichtsverfahren und Kritik. In der Koalition ist es nach wie vor sehr umstritten. Derzeit verhandeln Minister verschiedener Parteien einen Gesetzentwurf, der die anhaltenden Streitigkeiten aus der Welt schaffen soll.

Von Gudula Geuther | 14.08.2018
    Mit einem Plakat sprechen sich Demonstrantinnen am 24.11.2017 vor dem Amtsgericht in Gießen (Hessen) für eine Abschaffung des Abtreibungsparagfen 218 und den Paragrafen 219 aus. Im Gericht muss sich die Ärztin Kristina Hänel verantworten.
    Der Prozess gegen die Ärztin Kristina Hänel am Amtsgericht Gießen ging mit Protesten einher (Boris Roessler / dpa)
    Paragraf 219a verbietet die Werbung für den Schwangerschaftsabbruch – aber nicht nur das. Denn unter Strafe steht auch diese Variante:
    "Wer seines Vermögensvorteils wegen eigene Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs anbietet, wird bestraft."
    Das bedeutet: Strafbar kann auch die bloße Information sein, und zwar dann, wenn gerade der Arzt informiert, der die Abtreibung durchführt.
    SPD und Union liegen weit auseinander
    Das sei auch richtig so, Information solle nach dem mehr als 25 Jahre alten Abtreibungskompromiss von neutralen Beratungsstellen kommen, befindet etwa die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker:
    "Das Verbot der Werbung für Abtreibung ist ein wichtiger Teil des Schutzkonzeptes zugunsten des Ungeborenen. Der Blick auf das Ungeborene kommt eigentlich in der Diskussion aus meiner Sicht zu wenig vor."
    Gerade Ärzte müssen informieren dürfen, findet dagegen die SPD. Fraktionsvize Eva Högl:
    "Zum Beispiel über die Möglichkeiten, welche Methoden man anwenden kann, was im Vorfeld und im Nachhinein wichtig ist. Und da sind die Ärztinnen und Ärzte die wichtigsten Gesprächspartner für die Frauen."
    Anklagen wegen §219a gab es schon häufiger
    Die Diskussion findet nicht im luftleeren Raum statt. Im November war mit Kristina Hänel in Gießen zum ersten Mal eine Ärztin wegen eines Eintrags auf ihrer Internetseite verurteilt worden, zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro. Das hatte die Diskussion angestoßen.
    Rechtlichen Ärger konnten Ärzte für diese Informationen auch zuvor bekommen. Die Fraktion die Linke hat schon vor Monaten eine Anfrage dazu gestellt. Ihre frauenpolitische Sprecherin Cornelia Möhring fasst zusammen:
    "Wir konnten schon daraus entnehmen, dass in den letzten Jahren die Fälle, wo Ärztinnen und Ärzte angezeigt werden, zugenommen haben. Es sind allerdings wenige Anklagen daraus geworden. Seit der Anklage gegen Christina Hänel nimmt das aber wieder zu."
    Momentan laufen mehrere Prozesse
    Ende August verhandelt das Amtsgericht Kassel den Fall zweier weiterer Ärztinnen wegen Einträgen auf ihrer Internetseite. Auch gegen Berliner Ärztinnen könnte Anklage erhoben werden, während über Kristina Hänels Berufung am 6. September verhandelt wird.
    Ein neues Strafrecht wird es bis dahin ganz sicher nicht geben. Eva Högls SPD-Fraktion hatte ursprünglich – zusammen mit Grünen und Linken – die Norm streichen. Nach einigem Hin und Her entschied man sich dafür, doch den Kompromiss in der Koalition zu suchen. Bei den Regierungsgesprächen mit dabei ist neben Kanzleramt und Justizministerin Katarina Barley, SPD, unter anderem auch der Gesundheitsminister, Jens Spahn.
    Der CDU-Mann hatte in der Debatte erst mit scharfen Äußerungen von sich reden gemacht. Später deutete er an, wie ein Kompromiss aus Sicht der Union aussehen könnte: Information für die Frau ja, vielleicht auch umfassender und geordneter als bisher. Nur eben weiterhin nicht durch den behandelnden Arzt. Da solle es bei der Strafbarkeit bleiben.
    SPD will bis zum Herbst Klärung erreichen
    Mehr Beratung würde SPD-Fraktionsvize Eva Högl begrüßen, vielleicht auch durch staatliche Stellen:
    "Aber das nimmt die Strafandrohung von Ärztinnen und Ärzten nicht weg, die objektiv informieren."
    Die müsse wenn nicht abgeschafft, dann zumindest geändert werden.
    "Es könnte so sein, dass in Paragraf 219a das Werbeverbot erhalten bleibt und auch mit Strafe bedroht bleibt, aber eben diese objektive Information, das 'Anbieten', dass man dieses Tatbestandsmerkmal streicht. Und damit hätte man dann die Strafandrohung für Ärztinnen und Ärzte aus dem Strafrecht gestrichen. Und das wäre ein sinnvoller Kompromiss."
    So hatte es auch die FDP vorgeschlagen. Zusammen mit den Liberalen gäbe es eine Bundestagsmehrheit auch ohne CDU und CSU. Aus Sicht der SPD drängt die Zeit. Nicht nur wegen der laufenden Verfahren. Um die Basis zu beruhigen, hatte sich die Partei außerdem selbst eine Frist gesetzt – bis zum Herbst.