Abtreibungsrecht in ArgentinienTriumph einer stärker gewordenen Frauenbewegung
Argentinien hat nun ein Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen mit Vorbildcharakter für ganz Lateinamerika, kommentiert Victoria Eglau. Bislang riskierten arme Frauen bei prekären Eingriffen Gesundheit oder Leben - und wurden dafür öfter verurteilt. Jetzt komme es auf eine konsequente Umsetzung an.
Hören Sie unsere Beiträge in der Dlf Audiothek- Jubelnde Demonstrantinnen in Buenos Aires, nachdem der argentinische Senat für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gestimmt hatte (picture alliance/dpa/MAXPPP | Alejo Manuel Avila / Le Pictoriu)
Entscheidung im Senat Argentinien lehnt Legalisierung der Abtreibung ab
Argentinien debattiert über Abtreibungen Kinder, Kirche, Kopftuch
Legalisierung der Abtreibung Historisches Votum im argentinischen Parlament
Vor gut einem Jahrzehnt, als ich nach Argentinien zog, fristete die Frauenbewegung dort ein Schattendasein. Eine überschaubare Zahl feministischer Gruppen stritt für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen – angesichts der Macht der katholischen Kirche damals ein aussichtsloses Unterfangen. Seitdem ist viel passiert.
(AFP /Alejandro Pagni)Abtreibungsrecht in Argentinien - Ein Land sieht grün, ein Land sieht blau
Die Bewegung der grünen Halstücher wollte das Abtreibungsrecht ändern, doch ein entsprechendes Gesetz scheiterte zunächst.
Dass der argentinische Kongress jetzt grünes Licht für ein Gesetz gegeben hat, das Abtreibungen bis zur 14. Woche generell erlaubt, ist ein Triumph einer in den vergangenen Jahren immer stärker gewordenen feministischen Bewegung. Hunderttausende vor allem junger Frauen, und auch Männer, trugen die Forderungen der Pionierinnen auf die Straße und reckten immer wieder kämpferisch das grüne Tuch in die Höhe: Das Symbol der Legalisierungs-Befürworter.
Proteste gegen Frauenmorde
2015 war ein Wendepunkt. Damals begannen Argentinierinnen, in Massen gegen die verbreiteten Frauenmorde zu protestieren. Der Aufschrei gegen die Femizide verschaffte den Frauen Sichtbarkeit und Selbstbewusstsein. 2018 gelang es der Nationalen Kampagne für eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung erstmals, ein Gesetz ins Parlament einzubringen. Es passierte das Abgeordnetenhaus, scheiterte aber im Senat. Derselben traditionell konservativen Parlamentskammer, die das Gesetz heute mit einer klaren Mehrheit von 38 zu 29 Stimmen verabschiedet hat.
Was hat sich seit 2018 geändert? Entscheidend war, dass diesmal die Regierung hinter der Gesetzesinitiative stand. Kritiker werfen Präsident Alberto Fernández deshalb Opportunismus vor – der Peronist habe einen politischen Erfolg gebraucht, um von den großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen abzulenken. Das mag sein. Fest steht aber: Dass Fernández das grüne Tuch übernommen hat, zeigt, wie einflussreich Argentiniens Frauenbewegung heute ist. Und es zeigt auch, dass die katholische Kirche an Einfluss verloren hat – selbst im Heimatland des Papstes. Ihre Versuche, und die der evangelikalen Kirchen, das Gesetz zu verhindern, blieben erfolglos.
Staat soll gleiche Bedingungen schaffen
Jetzt ist endlich Schluss mit der Heuchelei. Denn: Argentinierinnen treiben auch heute schon ab. Wenn sie sich einen illegalen Schwangerschaftsabbruch in einer Privatklinik leisten können, bleibt dieser meist folgenlos. Doch arme Frauen riskieren bei prekären Eingriffen Gesundheit oder Leben. Und sie werden auch öfter wegen Abtreibungen verurteilt. Der Staat soll nun gleiche Bedingungen für alle schaffen.
Von staatlicher Präsenz und Kontrollen wird abhängen, ob dies gelingt. In manchen tief katholischen Provinzen könnte es Versuche geben, das Gesetz zu torpedieren. In der Vergangenheit wurden mehrfach sogar Minderjährige, die infolge einer Vergewaltigung schwanger waren und deshalb ein Recht auf Abtreibung hatten, daran gehindert. Argentinien hat nun ein Gesetz mit Vorbildcharakter für ganz Lateinamerika. Hoffentlich wird auch die Umsetzung vorbildlich.