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ADAC fordert Informationskampagne zu E10

Verwirrte Autofahrer und die Suche nach dem Schuldigen: Der Ökokraftstoff E10 wird zur Dauerpleite für Regierung und Mineralölkonzerne. Der ADAC fährt unterdessen bewusst einen nicht dafür geeigneten Wagen mit dem Kraftstoff: bislang ohne Folgen.

13.04.2011
    Georg Ehring: Der Besuch an der Tankstelle war noch nie so schwierig und zugleich so spannend: Welche Benzinsorte gibt es und was tanke ich, hier muss der Autofahrer sich immer wieder neu entscheiden, denn die Lage ist unübersichtlich. Spätestens an der Kasse ist der Spaß vorbei, denn die Mineralölbranche nutzt die Lage anscheinend aus, um höhere Preise durchzusetzen. Vor Ostern ist man so etwas allerdings ohnehin gewohnt. – Otto Saalmann beobachtet für den ADAC, den Allgemeinen Deutschen Automobilclub, die Lage. Guten Tag, Herr Saalmann.

    Otto Saalmann: Schönen guten Tag, hallo!

    Ehring: Herr Saalmann, der Stein des Anstoßes ist E10, doch das gibt es noch immer nicht überall. Wo sind denn da noch Versorgungslücken?

    Saalmann: Im Süden und im Osten Deutschlands, da ist es fast schon flächendeckend eingeführt, aber im Norden und im Westen, da gibt es natürlich noch Versorgungslücken. Da hat man ja erst mal gestoppt. Man will es aber jetzt wieder weiter ausbauen.

    Ehring: Das heißt, der Ausbau war auch zwischendurch gestoppt worden?

    Saalmann: Richtig. Man hat ja zuerst gesagt, okay, jetzt warten wir erst mal ab, wie sich die Nachfrage entwickelt, denn E10 ist ja nun mal bis jetzt nicht angenommen worden vom Autofahrer, und hat dann gesagt, okay, jetzt müssen wir auch wieder E5 weiterproduzieren. Aber gerade die großen Mineralölkonzerne haben gesagt, okay, wir bieten E5 jetzt wieder an, aber E10 wird trotzdem weiter ausgebaut.

    Ehring: Was gibt es denn dann an den Tankstellen, die E10 haben, auch E5, oder Super plus und E5, oder auch altes Benzin, oder wie sieht die Versorgungslage da aus, oder macht das jeder für sich?

    Saalmann: Das ist sehr gemischt, die ganze Sache, denn es ist so gewesen, dass man E5 versucht hat, mehr oder weniger ganz klammheimlich vom Markt verschwinden zu lassen und stattdessen nur noch auf Super plus verwiesen hat, was aber neun Cent teurer ist als E10. Dagegen haben wir natürlich protestiert, wir haben dagegen auch Anzeige eingereicht bei dem Referat für Umwelt und Gesundheit in München, die dafür zuständig sind, und haben gesagt, nein, das ist ein Verstoß gegen die Bestandsschutzregel, es muss weiter Super E5 angeboten werden. Gut, jetzt wird Super E5 wieder angeboten, aber auch noch nicht überall, gleichzeitig aber dieses E5 zu Konditionen wie Super plus, also auch wieder neun Cent teurer als E10.

    Ehring: Und ganz Preisbewusste, können die dann auf Benzin ausweichen, auf Normalbenzin?

    Saalmann: Normalbenzin ist mehr oder weniger ja ganz vom Markt verschwunden. Da war auch kein Unterschied mehr im Endeffekt zwischen Super und Normal. Das ist mehr oder weniger weg, vor allen Dingen weil die meisten Autos ja jetzt mittlerweile auch Super brauchen. Was sie aber nicht unbedingt brauchen ist eben Super plus. Das ist eine Sache, die wir immer noch kritisieren.

    Ehring: Viele Autofahrer wollen E10 ja nicht, ob berechtigt oder nicht ist die Frage, und sie bekommen jetzt wieder fünf Prozent Ethanol. Die Tankstellenbetreiber rechtfertigen das ja mit dem erhöhten logistischen Aufwand. Angesichts des Chaos kann man das ja auf den ersten Blick nachvollziehen. Haben Sie denn da Verständnis für?

    Saalmann: Nein, da haben wir kein Verständnis für, denn an der Logistik, da kann es nach unserer Meinung wirklich nicht liegen, denn Logistikschwierigkeiten gab es nie, wenn ein neuer Premiumkraftstoff zum Beispiel eingeführt worden ist, also die ganz teueren Sachen. Da hat es nie Logistikprobleme gegeben. Aber jetzt beim E5, da soll das der Fall sein.

    Ehring: Seit dem Benzingipfel schieben sich ja Politik und Mineralölindustrie gegenseitig die Verantwortung für das Chaos zu. Wer hat denn jetzt die Hausaufgaben eigentlich nicht gemacht?

    Saalmann: Alle drei im Grunde genommen, denn das Problem ist, dass der Autofahrer wirklich sehr verwirrt war. Da ist sehr viel bei der Einführung schlicht und einfach versiebt worden. Der Autofahrer war massiv verunsichert. Das heißt, was wir brauchen, das ist eine konzertierte Aktion, das sind Informationskampagnen. Bei jeder Markteinführung eines neuen Produktes wird dafür geworben, hier ist überhaupt nichts passiert. Da muss die Mineralölwirtschaft unbedingt nachziehen. Dann natürlich: Die Autohersteller müssen sich verbindlich hinter die Freigabelisten stellen, müssen wirklich sagen, wenn ein Schaden durch E10 auftritt, dann stehen wir dafür gerade. Und natürlich die Bundesregierung, die ist auch zur Information insofern verpflichtet, dass sie dem Autofahrer auch sagt, Leute, das bringt auch ökologisch wirklich was, wir beobachten das Ganze, denn sonst hat E10 natürlich wenig Chancen.

    Ehring: Sind Sie als ADAC denn davon überzeugt, dass E10 tatsächlich etwas für die Umwelt bringt?

    Saalmann: Ja! Wenn wir wirklich diese ganzen Anforderungen erfüllen beim Ethanol-Anbau, das heißt keine Importe zum Beispiel aus Südamerika und Ähnliches machen, sondern wirklich nur Anbau hier in Europa mit entsprechender Energie, dann haut auch die Ökobilanz hin, dann stimmt das Ganze auch. Und wir sagen auch, wenn das Auto laut Freigabeliste E10 verträgt, dann soll man es auch tanken.

    Ehring: Der ADAC macht ja etwas, was der normale Autofahrer nicht machen soll: Sie betanken ein nicht für E10 zugelassenes Auto mit dem neuen Kraftstoff. Wie geht es dem?

    Saalmann: Dem geht es noch gut, dem ist noch nichts passiert. Wir haben ungefähr 10.000 Kilometer damit jetzt hinter uns und bis jetzt haben wir noch keinen Schaden feststellen können. Aber das war uns auch klar. Wir haben zwar einen Korrodierungsprozess, der kann schon losgehen bei der ersten Betankung, aber das ist nicht so, dass der Motor dann von heute auf morgen kaputt geht. Da muss man schon einige Kilometer abradeln.

    Ehring: Herzlichen Dank! Das war Otto Saalmann vom ADAC zur Einführung von E10-Kraftstoff.

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