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Adam McKays Film "The Big Short"
Der Geruch des Geldes

Mit "Der große Crash" oder "The Wolf of Wall Street hat die Finanzkrise von 2008 schon Einzug in den hochkarätig besetzten Hollywood-Film gehalten. Adam McKay, bisher vor allem abonniert auf Komödienspaß, hat jetzt ebenfalls einen bösen Blick hinter die Kulissen des Finanzsystems geworfen. "The Big Short" heißt sein Film.

Von Hartwig Tegeler | 13.01.2016
    "Also, was haben Sie? - Riechen Sie das? Was ist das?"
    Zunächst also die Aura.
    "Was? - Was riecht da?"
    Die Atmosphäre des Films, ja, quasi sein Geruch:
    "Ihr Rasierwasser?"
    "Nein, Geld. Ich rieche Geld."
    Und darum geht es in "The Big Short": um Geld und Gier. Im Wesentlichen. Adam McKays Film zeigt das Finanzsystem wie Martin Scorsese in "The Wolf of Wall Street" als Kosmos des Wahnsinns mit rationaler Außenfassade und als Farce in rasantem Tempo mit häufig wechselnden Perspektiven und schnellen Schnitten. Wie könnte solch eine Welt der Spekulationen im Sekundentakt auch anders dargestellt werden.
    Erzählt wird von etwas, das die meisten von uns - ich fasse mir an die Nase, meine eigene - nur bis zu einem gewissen Grad verstehen werden. Es geht darum, was die Banker trieben, bis der Immobilienmarkt 2007 kollabierte und das weltweite Finanzsystem fast in den Abgrund riss. Also der Typ mit der sensiblen Nase.
    "Riechen Sie das? Ich rieche Geld."
    Jared Vennet, Investmentbanker, der uns das Ganze in "The Big Short" erzählt, um dann gerne auch mal zu sagen, nein, es war ganz anders. Jared Vennet jedenfalls ist einem anderen Wallstreet-Outsider auf die Spur gekommen, Michael Burry - Christian Bale spielt ihn -, der etwas kommen sieht:
    "Also, wirklich, jeder kann sehen, dass es eine Immobilienblase gibt."
    "Eigentlich sieht niemand eine Blase. Deswegen ist es eine Blase."
    "Es ist dumm, Lawrence. Der Hypothekenschwindel hat sich seit 2000 verfünffacht. Also, Mike Burry aus San Jose, der seinen Haarschnitt bei Super-Cut kriegt und keine Schuhe trägt, weiß mehr als Alan Greenspan und Hank Paulson."
    "Dr. Mike Burry, ja, das tut er."
    "The Big Short" erzählt, wie einige Wallstreet-Banker beziehungsweise Hedgefonds-Manager diesem Mike Burry in seiner Analyse folgen und auf den kommenden Crash spekulieren. Um damit am Ende, als das System zusammenbricht, eine Riesenmenge Geld zu machen.
    Wie das im Einzelnen funktioniert? Was "Wette" bedeutet, was Derivate sind oder SWAPS, mit denen "The Big Short" beziehungsweise seine Protagonisten jonglieren? Der Spielfilm basiert auf dem gleichnamigen Sachbuch-Bestseller von Michael Lewis.
    Bei Buch wie Spielfilm raucht einem nach kürzerer oder - je nach finanztheoretischer Vorbildung - etwas längerer Zeit die Birne. Also, nach Erklärung suchend, das Genre wechseln, um Philipp Enders zu folgen, der sich in seiner auf DVD erschienenen Doku "Mammon. Per Anhalter durch das Geldsystem" auf die Suche nach seinem verlorenen Geld zu begeben. Enders nämlich verlor 3.500 Euro Erspartes. Der Finanzberater:
    "Sie wissen ja, dass der Wert Ihres Produktes, ein strukturiertes Produkt leicht sinkt. Dass der Wert Ihres Produktes, ja, verloren ging."
    So gräbt sich der Filmemacher, getrieben von der Frage "Wo ist mein Geld? durch das Finanzsystem, besucht die Europäische Zentralbank oder die Frankfurter Börse, begegnet Geld-Experten, Bankdirektoren und Börsenmaklern, erklärt Inflation, Goldstandard, Leitzins oder Derivate-Handel, garniert das Ganze mit anschaulichen Animationen, um am Ende bei den spanischen Familien zu landen, die bei der Finanzkrise ihr Haus verloren. Die meinen:
    "Am Ende stehen die einfachen Leute ohne irgendwas da. Die, die vorher schon Geld hatten, haben immer noch welches. Und die, die vorher schon wenig hatten, haben jetzt nichts mehr. Das war also keine Krise, das war Diebstahl."
    Solche, die am Ende die Zeche zu zahlen haben, tauchen im Spielfilm "The Big Short" nicht auf. Regisseur Adam McKay beleuchtet das System ganz aus der Innenperspektive.
    Das Besondere an "The Big Short" ist aber, dass der Film uns große Schauspieler zeigt - Christian Bale, Steve Carell, Brad Pitt oder Ryan Gosling -, aber mit ihnen keineswegs klassische Helden präsentiert. Nein, moralisch geht es in "The Big Short" durch die Bank weg ambivalent zu, denn ihre Erkenntnis über die kommende Krise nutzen diese Wallstreet-Manager dazu, Millionen mit der erhofften und dann eingetretenen Krise zu machen.
    "Egal, ob die Bank groß oder klein ist, ich will Geld verdienen."
    Schauen wir also "The Big Short" und die Doku "Mammon" im Double-Feature, dann treffen wir auf Typen wie den Wertpapier-Händler, der in Philip Enders' "Mammon" meint:
    "Aber der Kurs stürzt ab, verstehst du. Ich kann da keine Nachforschungen anstellen, warum die um 20 Prozent absackt. Ich muss einsteigen, aussteigen und etwas rausholen. Aus der Sicht eines Daytraders muss ich klar sagen, für Verantwortung habe ich einfach zu wenig Zeit."
    Adam McKays Spielfilm "The Big Short" jedenfalls erweist sich am Ende als schwarzes Märchen, das genregemäß nach dem alten Satz funktioniert: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!" Keiner der Finanzjongleure wurde zur Rechenschaft gezogen, die Banken machen weiter. Böser könnte der Schluss im Spielfilm wie in der Realität nicht aussehen.