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"Adams Apfel und Evas Erbe"
Sexueller Selektionsdruck

Eines macht Axel Meyer in seinem Buch "Adams Apfel und Evas Erbe" gleich zu Anfang klar: Er kann sich leidenschaftlich aufregen – über Gender-Mainstreaming, Homöopathie-Verfechter und Gentechnik-Gegner. Er will, dass Wissenschaftler sich mehr einmischen, vor allem, wenn es um Themen geht, bei denen sie die Experten sind. Und dann – bitteschön – soll es um die Fakten gehen, sonst um nichts.

Von Katrin Zöfel | 13.10.2015
    Adam und Eva in einem Gemälde von Bréviaire Grimani
    Adam und Eva in einem Gemälde von Bréviaire Grimani (Imago)
    "Ich werde nicht vor 'heißen Eisen' wie genetischem Geschlecht, kulturell und sozial determiniertem Gender, genetischem Beitrag zur Intelligenz etc. zurückschrecken, sondern vielmehr thematisieren, was dazu aus wissenschaftlicher Sicht zu sagen ist. Es geht mir um wissenschaftliche Erkenntnisse, nicht um Weltanschauung und politische Korrektheit."
    Damit ist die Tonlage klar. Axel Meyer sieht in Deutschland eine beunruhigende Welle an unreflektierter, irrationaler Wissenschaftsfeindlichkeit heranrollen. Dagegen setzt er seine Expertise als Genetiker. Erst einmal widmet er sich den Grundlagen, angefangen bei Gregor Mendels Erbsenversuchen, weiter mit der Doppelhelix von Watson und Crick bis hin zum Human-Genom-Projekt und seinen Nachfolgern. Das ist das Fundament, auf dem er dann sein eigentliches Thema diskutiert: Das Verhältnis zwischen Mann und Frau, die Frage, wie sehr Geschlechterrollen und andere Eigenschaften biologisch determiniert sind. Ein Beispiel:
    "Beim Menschen sind die Eizellen etwa 85.000 mal größer als die Samenzellen. Dieser Größenunterschied ... zieht einen ganzen Rattenschwanz an Konsequenzen und Unterschieden in Verhalten, Aussehen und evolutionären Strategien der beiden Geschlechter nach sich."
    Motor für die Entwicklung menschlicher Intelligenz
    Die Logik: Wer mehr investiert, wählt den Paarungspartner sorgfältiger aus, und behält sich vielleicht sogar vor, die Treue zu brechen. Es geht schließlich um die besten Gene für den Nachwuchs. Die Konkurrenz wäre damit unter Männern härter als unter Frauen. Dieser evolutionäre Druck könnte, so Meyer, sogar ein Motor für die Entwicklung menschlicher Intelligenz gewesen sein.
    "Die nur bedingte Monogamie führte ... möglicherweise zur Evolution eines 'machiavellistischen Gehirns', das es intelligenteren Männern erlaubt, sich gegen andere Männer durchzusetzen und dadurch auch Zugang zu mehr Frauen zu bekommen. Diese Hypothese geht davon aus, dass die Evolution unseres Gehirns und seiner sozialen Intelligenz durch Wettbewerb unter Männchen um Zugang zu Weibchen angetrieben wurde."
    Die Evolution menschlicher Intelligenz also als Folge sexuellen Selektionsdrucks durch die Frauen. Axel Meyer fragt weiter: Gibt es Unterschiede in der Intelligenz von Mann und Frau, und ist unsere Denkschärfe zu großen Teilen erblich. Beides bejaht er, und das führt ihn zur nächsten Frage: Wie viel weiß man über die genetische Grundlagen?
    "Wenn die Variation in gemessener Intelligenz schon bis zu 80 Prozent genetisch bedingt ist, hat man dann schon 'Intelligenz-Gene' gefunden?"
    Die Antwort – ein klares "naja... teils, teils" – nutzt der Autor für einen Ausflug auf das Feld der genomweiten Assoziationsstudien. Er erklärt, warum sie den enormen Aufwand wert sind, er nennt interessante Ergebnisse und betont auch ihre Grenzen.
    Alles in allem seziert der Autor sehr unterhaltsam und eiskalt biologisch das menschliche Gefühlsleben, außerdem die Fragen, warum und wie wir Frau oder Mann werden, wie unsere Intelligenz sich entwickelt und schließlich wie das alles – evolutionär gesehen – Sinn ergeben könnte.
    Zielgruppe:
    Wissenschaftshungrige Leser, die beim Thema Genetik mitreden und deshalb ihre Kenntnisse auf den neuesten Stand bringen wollen.
    Erkenntnisgewinn:
    Axel Meyer liefert, was die Wissenschaft zurzeit zur humanen Genetik sagen kann –vergisst aber auch nicht, die Grenzen dieses Wissens zu betonen.
    Spaßfaktor:
    Der Autor ist streitbar und hat keine Angst vor steilen Thesen. Seine Polemik ergibt kombiniert mit seinem Sachverstand ordentlich Unterhaltungswert, ganz egal ob man seine Meinung nun teilt oder nicht.
    Axel Meyer: "Adams Apfel und Evas Erbe"
    C. Bertelsmann, 411 Seiten, 19,99 Euro