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Adel, Spieler und Oligarchen

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts traf sich in Baden Baden die Elite aus Kultur und Wirtschaft zum Stelldichein. Eine traditionell große Gruppe waren die Russen. Auch heute ist das nicht anders.

Von Barbara Weber | 22.08.2010
    "Baden Baden ist eine Stadt der Kultur."

    "Ich wohne hier seit 16 Jahren und wohne hier gerne."

    "Es ist eine sehr schöne Stadt. Man könnte sagen, es ist das Paradies."

    "Weniger Stress, also Natur fasziniert mich immer wieder."

    "Für Russen ist diese Stadt ja ganz bekannt schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts."

    Der Beginn der großen Liebe zu der mondänen Bäderstadt liegt versteckt hinter dem Rathaus in einem kleinen Garten

    "Was ich Ihnen jetzt gerne zeigen möchte, ist eigentlich der Ursprung dieser Beziehung Russland zu Baden Baden beziehungsweise die Beziehung Haus Romanov zum Hause Baden. Und zwar haben wir eine kleine Statur mitten in der Stadt von dieser jungen badischen Prinzessin, die nach Russland geschickt wurde von ihrer Familie",

    erklärt die Stadtführerin Beate Ando.

    Sie ist in herrschaftlicher Gesellschaft, direkt neben einem großen Denkmal von Bismarck. Bismarck ist - wir gehen hier links die Treppe hoch bitte - Bismarck ist Ehrenbürger der Stadt Baden Baden und hat hier direkt am Rathaus ein zwei bis drei Meter hohes Denkmal bekommen und direkt links davon sehen wir schon den Rücken von Prinzessin Luise von Baden, die später als Zarin Elisabeth in die russische Geschichte eingegangen ist. (Atmo Schritte) Es ist also ein Geschenk einer russischen Bank an Baden Baden gewesen. Man wollte die russische Prinzessin, bzw. die badische Prinzessin auch wieder nach Baden Baden geben, und die Stadt hat dann einen kleinen Park angelegt, damit die Prinzessin auch einen würdigen Platz hat hier.

    Immer wieder finden sich in Baden Baden Spuren russischer Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reichen. Dafür sorgen die illustren Gäste schon selbst. Vorbei an edlen Geschäften, Juwelieren und Antiquitätenhändlern der Sophienstraße, in einem ehemaligen Amtsgericht von 1901, erreichen Besucher seit gut einem Jahr das Fabergé Museum.

    "Guten Tag. Machen Sie gerade das Frühstück?"

    "Wir haben natürlich einen Raum, wo wir uns hinsetzen."

    Der Geschäftsführer des Museums, Sergej Avtonoshkin, lässt es sich nicht nehmen, die Lachsbrötchen selbst zu schmieren.

    In einem Raum mit Blick auf den stufenförmig angelegten Barockgarten erklärt er, was er und der Besitzer des Museums so an Baden Baden mögen:

    "Baden Baden ist natürlich von allen Geschichten geprägt: ein bisschen Kunst, Fine Art und Sportarten, Golfspieler, Polospieler, Tennisklubs und so weiter. Pferderennen auch. (Ando) Genau, hm. (Avtonoshkin) Da kam so diese gute Nachricht, dass das Geschäft doch gerettet wird, dass das weiterläuft, ja."

    "In Iffezheim, ja?"

    "Ja, wobei..."

    Die Rennbahn in Iffezheim hat ein lange Tradition und wurde wie das Casino von dem Franzosen Benazet Mitte des 19.Jahrhunderts gegründet. Zu den begeisterten Gästen zählte seinerzeit auch Kaiser Wilhelm I, der mit seiner Gattin Augusta Iffezheim 40 Jahre lang die Treue hielt.

    "Es ist so ein bisschen archaisch, weil man denkt so: Pferderennen ist ein Attribut aus dem 19.Jahrhundert, heute ist Formel 1 und so was angesagt, Aber das ist sehr charmant an Baden Baden, dass sie alle so ein bisschen archaisch sind. Die Geschichte und Moderne ist ja hier ganz gut verbunden, dass man auf der Straße Menschen sieht, die ein bisschen altmodisch angezogen sind (lachen) oder der ein oder andere, der in einem Oldtimer vorbei fährt, der nicht von dieser Welt ist, ja aber das ist ja das, was man nirgendwo in Deutschland zu sehen hat. Was wir uns wünschen natürlich in Baden Baden sind mehr Museen, Berlin ist zu weit."

    Sergej Avtonoshkin weiß zu berichten, dass der russische Besitzer des Fabergé Museums Alexander Ivanov eine Ausweitung seiner Aktivitäten in Baden Baden plant: Alte Meister stehen auf dem Programm. Das Nachbarhaus wurde schon gekauft. Illustre Namen sind im Gespräch, soviel darf schon verraten werden, unter anderem sollen Künstler wie Rembrand gezeigt werden.

    "Wir machen alles für unsere Stadt: Museumskultur und Unterhaltung, das Beste, was man hier anbieten kann."

    In der ersten Etage des aufwendig renovierten Gebäudes finden sich die Museumsräume.

    Das sind unsere Eier.

    Elvira Vettermann, die Kommunikationsleiterin des kleinen aber exklusiven Museums, weist mit einer weitläufigen Geste auf zahlreiche Vitrinen.

    "Das letzte Zaren-Ei, was für die Zaren gemacht worden ist 1917. Das Rothschild-Ei ist das absolute Highlight, das teuerste Fabergé-Ei, das teuerste Objekt überhaupt von Fabergé."

    "Im Prinzip ist das eine Uhr. Es ist nach dem Prinzip der Kuckucksuhr aufgebaut. Wir haben hier einen Hahn, der zur vollen Stunde mechanisch aufgeht, und der Deckel geht auf, der Hahn kräht und flattert mit den Flügeln ungefähr 30 Sekunden. Es ist ein relativ massives Stück, besteht aus fast vier Kilo Gold, emailliert, wie Sie sehen, Diamanten, Perlen und Schweizer Uhrwerk, völlig funktionstüchtig. Was wichtig ist, dieses Ei ist immer in der Familie geblieben von Baron Rothschild im französischen Haus und wurde praktisch nie ausgestellt seit über 100 Jahren, und erst nach einem Generationswechsel 2007 kam das Ei auf dem Markt und gleich hat es alle Rekorde gebrochen, und zwar das ist ja momentan die teuerste Uhr der Welt, das ist auch das teuerste Stück von Fabergé, was je verkauft wurde und teuerste Objekt. Herr Ivanov hat dieses Ei für 12,5 Millionen Euro im Londoner Auktionshaus Christies ersteigert. Aber wichtig ist natürlich nicht diese Tatsache, wichtig ist, dass wir wirklich das allerschönste Stück in unserer Sammlung haben und es ist auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und anzuschauen."

    Nach einem On dit soll der russische Oligarch Alexander Ivanov das Museum in Baden Baden für das Rothschild-Ei eröffnet haben. Gerade unter jungen Oligarchen erfreuen sich Fabergé-Eier großer Beliebtheit. Ein Konkurrent Ivanovs hat eine ganze Sammlung von Fabergé-Eiern für 100 Millionen ersteigert.

    "Das ist eines von den schlichtesten Eiern. Das ist verbunden mit der Tatsache, dass das Ei eigentlich für Ostern 1917 gefertigt werden sollte. Das war die Zeit des ersten Weltkriegs, und die Aufgabe für Fabergé war, ein schlichteres Ei herzustellen, weil Luxus war nicht so angesagt in Romanovs Familie, und deshalb wurde entschieden, dieses Ei aus Birke, also aus Holz zu machen, und innen drin befand sich eine kleine Elefantenfigur aus Gold. Was ganz gut und interessant ist, mit diesem Ei, die beiden Originalrechnungen erhalten sind, das heißt, man bekam mit diesem Ei auch eine Rechnung, in der steht ungewöhnlicherweise als Empfänger ein Herr Romanov, also das war in der Zeit, wo unser Zar die Krone niedergelegt hat. Er wurde wirklich einfach Herr Romanov hier genannt. Wir sehen hier den Preis. Und was noch ganz wichtig ist, diese Rechnung wurde bezahlt. Und Nikolaus II hat niemals was bezahlt, was er nicht bekommen hat. Das ist der Beweis, dass er dieses Ei in den Händen gehalten hat."

    Natürlich gibt es nicht nur Eier in dem Museum zu sehen. Ergänzt wird die Sammlung durch kleine wertvolle Tierplastiken und Schmuck aus jener Zeit, unter anderem einige ausgesuchte Stücke von Cartier.

    Unweit des Museums, quasi schräg gegenüber, befindet sich ein Schuhgeschäft. Aristokrat heißt es. Hier ist der Name das Programm.

    "Ich verkaufe hier Schuhe, die nur per Hand gefertigt werden, vernäht werden. Hier ist nichts geklebt oder so. Ich habe auch viele rahmengenähte Schuhe und man könnte sagen, ich habe vier Firmen von den besten fünf der Welt",

    sagt der Besitzer Michael Tchiniaev.

    "Ich verkaufe nur klassische Schuhe. Ich renne nicht hinter der Mode her, deswegen möchte ich auch wahrscheinlich jetzt mit den Damenschuhen aufhören, weil nicht alle Damen möchten klassische Schuhe tragen, die dann 10 bis 15 Jahre lang halten."

    Die teuersten Schuhe in seinem Angebot gibt es für den Herrn. Der Besitzer nimmt einen eleganten braunen Herrenschuh aus dem Regal.

    "Das ist eine limitierte Serie von Santoni. Es ist ein Herrenschuh, ein offener Fullbroke, 1899 Euro, da gibt es aber weltweit 14 Paar davon. Und wenn das nicht das Radio wäre, sondern das Fernsehen, dann würde man sehen, wieso die so teuer sind. Weil sie so gemacht sind: reine Handarbeit, das ist aber auch wirklich rahmengenäht, so ein Schuh hält ein Leben lang."

    Und wer kauft diese Modelle?

    "Das sind natürlich Leute, die sich das leisten können, oder es sind Leute, die gute Schuhe lieben, oder eigentlich sind es die Leute, die kein Geld übrig haben für schlechte Schuhe. Ungefähr die Hälfte von meinen Kunden sind Russen. Erstens sind sie bei mir ein bisschen billiger als in Russland, also das ist ein normaler europäischer Preis."

    Und zweitens? Zweitens gibt es einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen den Käufern gewöhnlicher Schuhe und denen der Nobelmarken und demzufolge auch zwischen einem gewöhnlichen Schuhgeschäft und der Boutique "Aristokrat":

    "Es ist fast kein Laden, es ist ein Club für Liebhaber von guten Schuhen."

    Mitten in der Altstadt, neben den Bädern, liegt das Dostojewski-Haus. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau mietete der Schriftsteller ein Zimmer in einem für damalige Verhältnisse einfachen Domizil. Im Erdgeschoss des heute hübsch renovierten Altbaus befand sich eine Schmiede. Aber Dostojewski besuchte den Kurort nicht zur Erholung, ihn reizte die Spielbank. Heute weist eine Büste auf die Anwesenheit des Autors hin.
    Auf die Geschäftstüchtigkeit eines Maklers hingegen verweist die Tatsache, dass anstelle der Schmiede heute ein Immobilienvermittler die Räume angemietet hat und in deutsch, englisch und russisch seine Dienste anpreist.

    Was bei den russischen Kunden gefragt ist, weiß die Maklerin Elina Schanz, die seit zehn Jahren in Baden Baden lebt.

    "Die Russen, die hierher kommen um eine Immobilie zu kaufen entweder sie ziehen um nach Deutschland oder einfach als Ferienwohnung oder Ferienhaus hier. Meistens suchen sie eine alte Villa, aber natürlich gibt es Kunden, jüngere Leute, die möchten eine moderne Wohnung haben. Manchmal gehen sie mit uns in die Stadt und sagen, ich möchte dieses Haus oder dieses Haus kaufen, der Preis spielt keine Rolle."

    So großzügig konnte der ehemalige Mieter aus der 1.Etage nicht kalkulieren. Um seiner Leidenschaft, dem Roulettspiel, zu frönen, schreckte Dostojewskij selbst vor dem Familienschmuck seiner schwangeren Frau nicht zurück, wie in ihrem Tagebuch aus jenen Tagen zu lesen ist.

    Heute präsentiert sich das frisch renovierte Casino in seiner prunkvollsten Form. Der prächtigste Raum ist der Florentiner Saal, ausgestattet mit Wandgemälden und großen Spiegeln. Die Ecken schmücken riesige Figuren. Die üppig bemalte Kuppel konnte heruntergefahren werden, um einem Orchester Platz zu geben. Der Saal bietet sich geradezu an als Kulisse für illustre Treffen, wie der Croupier Axel Mayer begeistert schildert.

    "Wohl der schönste Saal im Hause, wenn nicht sogar in ganz Baden Baden, ein Prunkstück, ein absolutes Prunkstück mit diesen wahnsinns Kronleuchtern, wie Sie sehen. Das ist auch der beliebteste Saal, der ja auch 2009 zu großer Berühmtheit kam durch den Natogipfel, der hier stattgefunden hat. Also Sie stehen jetzt hier an der Stelle, da saß Barack Obama mit Frau Merkel und Herrn Sarkozy. Das war schon sehr beeidruckend muss man sagen."

    Üppige russische Roben sieht der Saal auch heute, zum Beispiel anlässlich des einjährigen Bestehens des Fabergé Museums, wo - wie Axel Mayer betont - immerhin ein 25-minütiges Feuerwerk gezündet wurde. Ansonsten ist das Publikum sehr gemischt:

    "Mittlerweile zählen ja einige Hundert Russen zu Stammgästen hier im Haus. Sie müssen sich das so vorstellen, so eine Pokerrunde mit zehn Spielern, da sitzt der mehrfache Millionär neben seinem Bodyguard, dann ist vielleicht ein Ex–Boxer dabei, dann sitzt die Edelnutte noch im Hintergrund, aber das macht das Flair des Casinos aus, ja. Da können genauso gut Prominente auftauchen, Baden Baden ist ja bekannt, wo viele Promis auftauchen. Wenn ich an die Jahre zurückdenke, Bill Clinton war unser Gast, da kann man schon einige nennen, die hier gespielt haben. Da sitzt Rod Stewart dann am Pokertisch und neben dran sitzt vielleicht ein Landwirt aus Sinzheim. Es gibt da schon unterschiedliche Konstellationen."

    Was den Dresscode anbelangt: Oberhemden verkauft die Spielbank, Krawatten und Sakkos können ausgeliehen werden. Das scheint bei den russischen Gästen nicht nötig zu sein:

    "Bei den Russen darf es immer etwas mehr sein. Also bei den russischen Gästen, die weiblichen Gäste, da ist es vom Schmuck her oft schon zu viel."

    Die ein oder andere russische Dame mag vielleicht auch vor ihrem großen Auftritt bei Asil vorbeischauen. Der im Art Deco–Stil eingerichtet Salon zählt neben den deutschen auch regelmäßige russische Stammkundinnen. Irina aus Moskau ist mit ihrer Dolmetscherin gekommen, um sich die Haare färben zu lassen.

    "Wir haben jetzt gerade gefärbt die Ansätze und machen da noch obendrauf ein paar Highlight."

    Asil Aydin hat sich auf russische Kundinnen eingerichtet und bietet neben der Frisur auch die nötige Entspannung: die aktuellen Ausgaben der russischen Vogue, Cosmopolitan und Playboy liegen griffbereit. Die Kundinnen - sofern sie kein deutsch sprechen - kommen mit ihren Dolmetscherinnen, zum Beispiel Galina Koskynkovski, die in einem Punkt mit der russischen Urlauberin einig ist: Baden Baden ist eine wunderbare Stadt.

    "Sie ist einfach verliebt in diese Stadt. Sie hat mir vorher erzählt, sie war schon überall, sogar in anderen Städten in Deutschland aber sie sagt immer: Jetzt fahre ich nach Hause und das heißt, jetzt fahre ich nach Baden Baden."