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Adlerauge für Asteroiden

Professor Ulrich Christensen, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, ist auch an der Dawn-Mission beteiligt. Im Interview sagt er, das Überraschendste an den Aufnahmen des Asteroiden Vesta seien dessen lange Gräben.

Ulrich Christensen im Gespräch mit Ralf Krauter | 02.08.2011
    Ralf Krauter: Mitgehört hat Professor Ulrich Christensen. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau und an der Dawn-Mission ebenfalls beteiligt. Herr Professor Christensen, von gürtelähnlichen Gräben am Äquator und einem riesigen Einschlagskrater war da die Rede. Was hat Sie selbst an den scharfen Bildern von Vesta am meisten überrascht?

    Ulrich Christensen: Das Überraschendste waren die Gräben am Äquator, die sich wirklich mindestens um den halben Planeten parallel zum Äquator hinziehen. Also das sind sehr ungewöhnliche Strukturen, die wir sonst auf keinem Himmelskörper gesehen haben. Und wir glauben, dass sie vermutlich mit diesem großen Einschlag am Südpol zusammenhängen.

    Krauter: Was verrät das über die Geschichte. Wie kann man sich solche Strukturen erklären, wenn sie so überraschend auftreten?

    Christensen: Sie sind möglicherweise Kompressionsstrukturen. Denn das war ja wirklich ein riesiger Impakt, der einen Krater erzeugt hat, der fast so groß ist, wie der ganze Planet. Von daher finden wir so etwas zumindest in diesen Ausmaßen nicht auf anderen Himmelskörpern.

    Krauter: Sie haben Vesta eben als Planeten bezeichnet. Das ist er ganz offiziell ja nicht mehr. Es ist ein Asteroid, aber ein Planeten-Embryo sozusagen. Könnte man das sagen?

    Christensen: Ja, das kann man sicherlich sagen. Er unterscheidet sich von den anderen Asteroiden, bei denen es sich um deutlich kleinere und unregelmäßig geformte Gesteinsbrocken handelt. Einmal durch seine Größe, dass er eine nahezu runde oder ellipsoidische Form angenommen hat. Und höchstwahrscheinlich auch dadurch, dass er eben kein undifferenzierter, gleichmäßiger Gesteinsbrocken ist, sondern wie die großen Planeten einmal aufgeschmolzen war im Inneren und dadurch in einen Eisenkern, einen Silikatmantel und eine Schmelzkruste, also eine Kruste, die aus magmatischem Gestein außen erstarrt ist, sich differenziert hat.

    Krauter: Eine Kollege von Ihnen von der NASA, der auch am Projekt beteiligt ist, ging sogar so weit, von einem erdähnlichen Planeten-Embryo zu sprechen. Geht das zu weit?

    Christensen: Nein, das geht sicherlich nicht zu weit. Denn wir glauben, dass die Erde und die anderen erdähnlichen Planeten sich vor viereinhalb Milliarden Jahren letztlich durch Zusammenballung, durch Kollisionen solcher Embryos gebildet haben. Das heißt in anderen Worten, es handelt sich praktisch um einen, vielleicht den einzigen übergebliebenen Baustein für die Bildung unserer großen Planeten.

    Krauter: Vesta ist der zweitschwerste Asteroid im Sonnensystem. Ist das der Grund, dass man den angeflogen? Und diese Ähnlichkeit eben zur Entstehung, um Einblicke in die Kinderstube der Planetenentstehung zu bekommen?

    Christensen: Ja, sicherlich Ziel dieser Mission Dawn ist ja gerade, die Frühzeit des Sonnensystems besser verstehen zu lernen. Und da spielt Vesta wahrscheinlich eine Schlüsselrolle, weil es der größte Körper ist, von dem wir sehr sicher annehmen können, dass er eben einen solchen Schmelz- und Differenzierungsprozess mit Kernbildung, Krustenbildung durchgemacht hat.

    Krauter: Die eigentlichen wissenschaftlichen Messungen haben ja noch gar nicht begonnen. Die sollen offiziell, hab ich gelesen, am 11. August beginnen, also kommende Woche. Im Laufe des nächsten Jahres dann will man sich Vesta auf bis zu 200 Kilometern annähern, ihm also richtig auf die Pelle rücken. Welche weiteren Einblicke versprechen, erhoffen Sie sich davon?

    Christensen: Natürlich, wenn wir erstmal Vesta systematisch aus größerer Entfernung untersuchen und dann aus einer ganz nahen Umlaufbahn die Oberfläche aus der Nähe studieren können, da hoffen wir uns Hinweise drauf zu finden: Gibt es zum Beispiel vulkanische Strukturen, die man heute noch erkennen kann? Können wir noch Lavaflüsse auf der Oberfläche erkennen? Können wir vielleicht in einigen dieser Impakt-Krater, die ja so große Vertiefungen sind, durch die Kruste hindurch schauen, vielleicht sogar auf den Gesteinsmantel von Vesta? All diese Fragen werden uns also im Laufe des nächsten Jahres beschäftigen.

    Krauter: Also es bleibt weiter spannend und die Suche hat jetzt eigentlich erst wirklich begonnen?

    Christensen: Natürlich. Es geht erst richtig los.