Samstag, 20. April 2024

Archiv

Adveniat
Limburger Skandal dämpft Spendenbereitschaft

Als Reaktion auf den Skandal um den Bischof von Limburg erfährt der Weihbischof Franz Grave, dass Spenden eingestellt werden. Der ehemalige Vorsitzende der Bischöflichen Kommission Adveniat kritisiert, dass damit den Ärmsten der Armen die Hilfe entzogen werde.

Franz Grave im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 14.12.2013
    Zurheide: Die Deutschen spenden, aber sie spenden möglicherweise anders als in den Jahren zuvor. Und darüber wollen wir reden, und wir wollen vor allen Dingen reden auch über Adveniat, die bischöfliche Aktion. Und der langjährige Leiter dieser Aktion ist bei mir im Studio. Ich begrüße zunächst einmal Weihbischof Franz Grave, schönen guten Morgen!
    Franz Grave: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Grave, beginnen wir doch zum Beispiel mal mit Adveniat im abgelaufenen Jahr. Sie haben dort Bildung als Schlüssel im Kampf gegen die Armut vor allen Dingen in Südamerika in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt. Was haben Sie in diesem Jahr Besonderes gemacht?
    Grave: Wir haben zum Beispiel in dem Katastrophenland Haiti die Pfarreischulen mit gestützt und mit unterstützt; haben dafür gesorgt, dass die Pfarreiräume nicht nur für, wie soll ich sagen, liturgische Dinge gebraucht werden und für die Katechese im engeren Sinne, sondern dass die Räume auch offen waren für Menschen, die bislang nicht lesen und schreiben können. In Haiti gibt es merkwürdigerweise viele Lehrer, aber die Lehrer haben keine Schulen, haben keine Arbeit, und da konnten wir gut helfen, indem wir unsere Pfarrei-eigenen Räume geöffnet haben und auf diese Weise Schulräume zur Verfügung gestellt haben, den Lehrern ein Honorar gegeben haben, sodass die auch eine kleine wirtschaftliche Sicherheit hatten für ihre Tätigkeit. Das ist ein kleines Beispiel für die Unterstützung der Not vor Ort; ein kleines Beispiel, um Bildung zu intensivieren, und das geht natürlich im größeren Bereich auch. In diesem Jahr merke ich, dass Bildung in der Tat der große Schlüssel ist, zu den großen sozialen Problemen auch.
    Zurheide: Das heißt aber übrigens, was Sie gerade schildern, dass die Rolle der Kirche dort eine andere Rolle ist. Auf der einen Seite Transzendenz, möglicherweise das Gespräch mit Gott, aber eben auch ganz weltlich und ganz nahe bei den Menschen – also so, wie der Papst das im Moment sagt.
    Grave: Da können wir Deutschen nur lernen, wenn es um die Frage nach dem pastoralen Begriff geht. Himmel und Erde, wenn ich das so simpel sagen darf, werden hier zusammengebunden. Natürlich berichten wir und verkünden wir die Botschaft, dass Gott existiert. Aber das ist die eine Seite. Der existierende Gott will natürlich auch, dass die Menschen in dieser Erde besser leben können. Und darum binden wir beides zusammen, die Nahrung, wenn Sie so wollen, für den Geist, aber die Magenfrage muss auch gelöst werden.
    Zurheide: Springen wir jetzt mal von Südamerika nach hier. Da haben wir in diesem Jahr natürlich andere Diskussionen auch im Bezug auf die katholische Kirche geführt, die nicht besonders erfreulich sind. Ich sage nur das Stichwort Limburg. Der Bischof von Limburg, der Bischofssitz – macht sich das bemerkbar auch im Spendenaufkommen, dass Sie da größere Probleme als sonst haben? Werden Sie darauf angesprochen?
    Grave: Ganz deutlich. Ich komme gerade oder befinde mich noch auf einer, wie soll ich sagen, Adveniat-Missionsreise durch deutsche Lande, und bei jeder Gelegenheit, bei jedem Vortrag und bei jeder Diskussion ist das ein Thema. Das kann man nicht verschweigen, und ich finde, man muss diese Problematik auch kirchlicherseits, adveniatseits offensiv angehen. Und dann heißt das Urteil zunächst einmal: Was da in Limburg geschehen ist, ist eine Katastrophe und ist ein Schatten, der über die ganze Kirche in Deutschland fällt und wahrscheinlich auch über die Kirche insgesamt, auf der ganzen Welt. Ich habe einen Kollegen, einen Bischof aus Nordostbrasilien bei mir zu Gast. Der hat davon berichtet, dass über diese Angelegenheit 14 Tage in lateinamerikanischen Medien berichtet wurde.
    Zurheide: In Lateinamerika?
    Grave: In Lateinamerika, wohlgemerkt!
    Zurheide: Wie kann man das aufarbeiten? Oder wie kann Kirche das Vertrauen, das das verloren gegangen ist, zurückgewinnen? Denn wir haben ja gerade über die Menschen gesprochen, die die Hilfe brauchen. Am Ende ist es eine Katastrophe, Sie haben es gesagt.
    Grave: Also, die Reaktion, die ich jetzt natürlich oft höre, heißt, wir stellen das Spenden ein. Aber da bitte ich einfach mal zu überlegen, ob das die richtige Konsequenz ist, die Spenden einzustellen. Denn das bedeutet ja, dass wir den Ärmsten der Armen die Möglichkeit der Hilfe entziehen. Und wir treffen durch solche Entscheidungen natürlich die Falschen, wirklich die Falschen. Und ich werbe darum, dass unsere Menschen die Armen in Lateinamerika nicht über – leiden müssen, weil wir hier unbedacht und in einer ja geradezu dramatischen Weise mit dem uns anvertrauten Geld umgehen. Das darf nicht sein.
    Zurheide: Auf der anderen Seite müssen hier auch Konsequenzen gezogen werden. Sie sind jetzt nicht der, der das machen muss, aber Sie sagen, das gehört auch zum Spiel dazu?
    Grave: Das gehört zum Spiel dazu. Und wenn Sie eine Konsequenz hören wollen, dann würde ich als nicht Zuständiger, als einer, der mit den Gläubigen fühlt, sagen, eine Rückkehr ist, denke ich, völlig ausgeschlossen. Ich glaube nicht, dass das zerstörte Vertrauen mit früheren Personen wieder hergerichtet und hergestellt werden kann.
    Zurheide: Jetzt wollen wir nicht mit dem Negativen schließen, sondern auf den Papst schauen. Sie kennen ihn selbst aus Ihrer vielfältigen Arbeit in Südamerika, Sie haben ihn dort erlebt. Kann er helfen möglicherweise, das Vertrauen dann auch wieder herzustellen, indem er auch möglicherweise der Kirche in Deutschland und der Amtskirche die Hinweise gibt, ja, da müsst ihr ein paar Dinge verändern?
    Grave: Ich glaube, dass der Papst ein Gewinn ist. Das ist wirklich ein Geschenk des Himmels, und das ist nicht nur meine Vermutung und eine Verkündigung von oben, also eine Feststellung von amtlicher Seite, sondern ich höre das im Volk. Ich höre das auch außerhalb der katholischen Kirche immer wieder, dass der Papst im positiven Sinne des Wortes Aufsehen erregt, und dieser Papst kommt aus Lateinamerika, aus Argentinien, und hat eine eindeutige lateinamerikanische Handschrift in dem, was er schreibt, und auch in dem, was er sagt. Eine Ermutigung für die Kirche insgesamt.
    Zurheide: Was haben Sie für einen Wunsch zu Weihnachten?
    Grave: Ich hab den Wunsch, dass unsere kritischen Einstellungen überwunden werden, dass wir trotz mancher Ungereimtheiten in Deutschland über den Schatten springen und das gute Herz in uns intensivieren.
    Zurheide: Weihbischof Franz Grave war das, hier bei uns im Deutschlandfunk. Exzellenz, ich bedanke mich für das Gespräch um 8.18 Uhr. Danke schön!
    Grave: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.