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Ägypten nach dem Anschlag
"Jetzt müssen wir das Militär in Bewegung setzen"

Auf den mutmaßlich von IS-Terroristen ausgeführten schwersten Anschlag in der Geschichte Ägyptens mit 305 Toten reagierte die Armee mit der Bombardierung von Zielen im Norden der Sinai-Halbinsel. Polizei und Militär im Kampf gegen Terroristen einzusetzen, scheint jetzt der Plan für die Zukunft.

Von Anne Allmeling | 27.11.2017
    Ein Foto vom 25. November 2017 zeigt die Rawda-Moschee, etwa 40 Kilometer westlich der Hauptstadt des Nord-Sinai, El-Arish, nach einem Schusswaffen- und Bombenangriff.
    Beim Anschlag auf die al-Rawdah-Moschee mutmaßlich durch IS-Terroristen starben 305 Menschen. Die Täter kamen als getarnt als Militärangehörige, umstellten das Gebäude und griffen mit Granaten und Gewehren an. (AFP / STR)
    Mohamed Abdelfatah steht der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Der junge Mann versucht, sich auf seiner schmalen Liege aufzurichten. Das gelingt ihm nicht ganz, denn sein rechter Arm ist verletzt. Mohamed hat Glück gehabt: Mehr ist ihm nicht passiert. Der Imam der Al-Rawda-Moschee hat den schwersten Anschlag in der jüngeren Geschichte Ägyptens überlebt. Er war gerade im Begriff zu predigen, als sich schwer bewaffnete Männer der Moschee näherten:
    "Ungefähr zwei Minuten, nachdem ich auf die Kanzel gestiegen bin, hörte ich draußen eine Art Explosion, und dann kamen Männer herein und schossen auf die Betenden. Alle versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, einige kletterten auf die Kanzel, die Angreifer schossen auf jeden, der atmete. Ich konnte nicht sehen, wie viele es waren oder wie sie aussahen, ich habe nur gespürt, dass sie in der Moschee waren."
    Rund 30 Männer in Tarnkleidung attackierten die Gläubigen
    Zwischen 25 und 30 Männer waren der ägyptischen Staatsanwaltschaft zufolge mit Geländewagen zur Moschee gekommen - in Tarnkleidung, die aussah, als gehörten sie zum Militär. Sie umstellten die Moschee und griffen die Gläubigen mit Granaten und Gewehren an - innerhalb weniger Minuten töteten sie alle, die sich bewegten oder zu fliehen versuchten. Auch auf Helfer und Krankenwagen schossen die Terroristen, bevor sie sich wieder aus dem Staub machten. Die Moschee hätten sie sich ganz gezielt ausgesucht, meint der ägyptische Terrorismus-Experte Reda Mahmoud:
    "Das Ziel der Terroristen sind religiöse Einrichtungen. Früher haben sie schon christliche Kirchen attackiert, jetzt haben sie Muslime in einer Moschee ermordet. Sie wollen Konflikte säen zwischen den verschiedenen Religionen in Ägypten. Sie wollen das Vertrauen der Ägypter in die staatlichen Institutionen zerstören."
    Terror auf der Sinai-Halbinsel, in Kairo und Alexandria
    Schon seit Langem versuchen Militär und Polizei in Ägypten, die extremistischen Gruppen zu vernichten, die im Norden der Sinai-Halbinsel aktiv sind. Terroristen mit Verbindungen zum sogenannten Islamischen Staat hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Anschläge in der Region verübt, vor allem gegen Sicherheitskräfte. Im vergangenen Jahr reklamierte der IS aber auch Anschläge auf die koptische Minderheit unter anderem in Kairo und Alexandria für sich. Das ägyptische Militär antwortete nach eigener Darstellung mit Luftschlägen - auch in der Nacht zum Samstag, als Kampfjets mehrere mutmaßliche Verstecke von Terroristen bombardierten. Der ägyptische Terrorismus-Experte Reda Mahmoud meint:
    "Die momentane Situation bringt uns dazu, Polizei und Militär im Kampf gegen den Terror einzusetzen. Auch die Zivilisten werden sich an dem Kampf beteiligen. Das ist unser Plan für die Zukunft. Jetzt müssen wir das Militär in Bewegung setzen, um entschlossen und umfassend gegen die Terroristen vorzugehen."
    Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi hatte noch am Freitag, wenige Stunden nach dem Anschlag, im ägyptischen Fernsehen eine "harte Antwort" angekündigt. Die Regierung rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt drückten Ägypten nach dem Anschlag ihre Anteilnahme aus.