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Ägypten
Plastikverbot am Roten Meer

Tüten, Flaschen, Zahnbürsten: Im Roten Meer sammelt sich der Plastikmüll. Um dagegen vorzugehen, gilt in der ägyptischen Provinz Bahr Al-Ahmar ab dem 1. Juni ein Verbot für Einwegplastik - auch weil die Region vom Schnorcheltourismus abhängig ist. Doch noch nicht alle sind überzeugt.

Von Anne Allmeling | 31.05.2019
Plastiktüten treiben im Roten Meer vor Ägypten
Plastikfreies Meer - das soll künftig ein Wettbewerbsvorteil für die ägyptischen Badeorte am Roten Meer sein (dpa / Mike Nelson)
Vom Motorboot springen Lisa und ihre Freundinnen ins Meer. Eine nach der anderen lässt sich ins Wasser fallen – mit Schwimmflossen, Schnorchel und Taucherbrille.
Vor der Küste von Hurghada ist das Wasser so klar, dass die Korallen und Clownsfische von der Oberfläche aus zu sehen sind. Aus der Ferne nähert sich eine Gruppe Delfine: fünf, sechs, sieben große Tiere. In Paaren schnellen sie durchs Wasser, drehen sich um die eigene Achse, tauchen auf und holen Luft. Eine Weile lassen sie sich bestaunen, dann nehmen sie Kurs aufs offene Meer. Tauch-Guide Andreas Krieg erklärt ihr Verhalten.
"Die Tiere haben gespielt, also es waren welche in der Schlafphase und welche waren in der Spielphase, und hast Du auch gesehen, mit der Qualle haben sie auch gespielt."
Tödliches Spiel mit Plastiktüten: Quallen und Delfine
Diese Neugierde wird den Tieren leicht zum Verhängnis. Denn sie spielen auch mit Plastiktüten – und davon gibt es im Roten Meer jede Menge. Der Müll von Einheimischen und Touristen landet häufig im Wasser und im Magen der Tiere, sagt die Schweizer Zoologin Andrea Ziltener. Sie erforscht das Verhalten von Delfinen im Roten Meer.
"Plastiktüten zum Beispiel sehen oft aus wie Nahrung und zum Beispiel Schildkröten und so weiter, die jagen ja Quallen, fressen Quallen, und das ist dann natürlich auch eine Gefahr, dass das dann verwechselt wird. Als Nahrung. Und Delfine zum Beispiel, wenn man da sieht, die spielen halt oft auch da mit Seegras oder Seetang und allem, was herumschwimmt, und dann auch je nachdem, mit Plastik, und da kann es natürlich auch tödlich enden, wenn die sich darin verheddern, mit Plastik drinnen."
Verendende Tiere, Strände voller Plastikmüll: Das will Ahmed Abdallah unbedingt vermeiden. Der Gouverneur der ägyptischen Provinz Bahr Al-Ahmar hat ein Verbot für Einwegplastik erlassen. In Hurghada und bald auch in anderen Orten der Provinz dürfen Supermärkte keine Plastiktüten mehr ausgeben; Kunden müssen auf Strohhalme und Einwegbesteck verzichten. Das Verbot gilt zwar nur in der Provinz Bahr Al-Ahmar. Doch die erstreckt sich etwa 800 Kilometer am Roten Meer entlang bis zur Grenze zum Sudan. Ahmed Abdallah will sicherstellen, dass die Gegend attraktiv bleibt.
"Für uns hier in Hurghada und in Provinz Rotes Meer ist der Tourismus die wichtigste Einkommensquelle. Wollen diese Branche bewahren und die Qualität steigern. Und um die Qualität zu steigern, müssen wir auch auf die Umwelt und die Gesundheit achten."
Plastikfrei - ein Wettbewerbsvorteil
Davon ist auch Gérard Hansen überzeugt. Der Niederländer leitet das erste plastikfreie Hotel in Hurghada.
"Wir haben uns zusammengesetzt mit unseren Abteilungsleitern und wir haben angefangen, wie man auf Englisch sagt, einfach mal zu brainstormen: Was kann man tun? Und jeder Abteilungsleiter hat gute Beiträge gemacht. Wie ein Wirtschaftsdirektor, der hat gesagt, ich kann die Becherchen wegnehmen, da gibt es Papierbecherchen. Ich kann die Strohhalme ersetzen mit Papier."
Hansen und seine Mitarbeiter sind sichtlich stolz auf ihr neues Konzept. Wo früher Kleiderbügel aus Plastik im Schrank hingen, finden Gäste heute Bügel aus Holz; kleine Fläschchen für Shampoo und Duschgel haben einem nachfüllbaren Behälter Platz gemacht. Kleine Schritte, die zu größeren führten. Ein Jahr habe die Umstellung gedauert, erzählt Hansen.
"Unter anderem auf dem Balkon, wir haben fünf Stockwerke, 550 Zimmer, jeder hat sein eigenes Balkon, da steht zwei Stühle, zwei Plastikstühle und ein Tischchen. Und die haben wir angefangen auszutauschen mit Bamboo."
Bambus, Holz und Papier statt Plastik – langfristig rechnet der Hotel-Direktor aber mit einem Wettbewerbsvorteil:
"Ganz ehrlich gesagt: Die meisten sind – begeistert ist ein großes Wort, aber sicherlich motiviert und unterstützen uns. Vor kurzem habe ich mir mit einer Dame unterhalten und habe ihr gesagt: Schmeckt Ihnen das Eis? Und da hat sie gesagt: Das Eis schmeckt gut, aber das Löffelchen aus Holz, damit schmeckt es weniger gut. Aber ich bin gerne bereit, das so damit zu essen, weil ich weiß, dass das gut ist für die Umwelt. Und so etwas macht Spaß."
Unterstützung bekommen Hotels und Unternehmer von der ägyptischen Nichtregierungsorganisation HEPCA. Die setzt sich schon seit Jahren für das Verbot von Einwegplastik ein. Dabei gehe es aber nicht allein um den Umweltschutz, sagt die stellvertretende Direktorin Heba Shawky.
"Wir wollen unser Ziel auf verschiedenen Ebenen erreichen. Zuallererst geht es uns um die Gesundheit der Menschen. Außerdem wollen wir ihre Mentalität ändern, indem wir ihnen klar machen, dass wir ohne Plastik auskommen können und dass uns Plastik schadet. Und darüber hinaus wollen wir Plastik insgesamt reduzieren, weil es im Meer landet und unsere natürlichen Ressourcen zerstört."
Keine leichte Aufgabe in einem Land, in dem viele Menschen ihren Müll überall entsorgen: am Straßenrand, auf den Feldern, im Fluss. Wie schädlich Plastik für die Umwelt, aber auch für die Menschen sein kann, ist vielen Ägyptern nicht bewusst. Armut und Analphabetismus sind weit verbreitet; Umweltschutz wirkt auf viele wie ein Luxusproblem. Ein Grund, warum längst nicht alle Einheimischen vom Plastikverbot überzeugt sind.
Händler noch skeptisch
In dem kleinen Supermarkt von Abdallah Gad stapelt sich die Ware bis unter die Decke. Die Regale sind vollgepackt mit Schuhputzzeug, Waschpulver und Geschirrspülmittel. Kinder aus der Nachbarschaft kaufen Eis und Schokoriegel, Männer und Frauen besorgen Batterien, Brot oder eine Packung Reis. Fast alle nehmen auch eine oder gleich mehrere Plastiktüten – für Inhaber Abdallah Gad ein Service, der einfach dazugehört. Auf Papiertüten umzusteigen, wie der Gouverneur es für die gesamte Provinz fordert, kann sich der Händler noch nicht vorstellen:
"Ein Kilo Plastik ergibt 200 Tüten. Damit kann ich 200 Kunden bedienen – für 30 Pfund. Aber wie viel kosten Papiertüten? Wichtig ist für mich, dass die Papiertüten nicht mehr kosten als die Plastiktüten. Sie müssen für mich bezahlbar sein."
Wer gegen das Plastik-Verbot in der Provinz verstößt, muss erst mit einer Verwarnung und dann mit einem Bußgeld rechnen. Bei einem dritten Verstoß soll der Betrieb dann geschlossen werden – so sieht es der Plan vor. Heba Shawky von HEPCA setzt aber weniger auf Strafen. Sie und ihre Kollegen wollen überzeugen. Sie halten Vorträge in Schulen, verteilen Mehrweg-Einkaufstaschen und zeigen Alternativen zu Plastik auf. Anregungen haben sie sich zum Beispiel in alten Filmen geholt, aus den 50er und 60er Jahren, als Ägypten noch so gut wie plastikfrei war.
"Wir haben viele Strategien, aber es wird dauern. Das sage ich auch den Leuten, die immer pessimistisch sind. Wir umarmen keine Bäume. Aber manche Ziele brauchen einfach Leidenschaft, Zeit und Mühe, damit wir sie erreichen."
Plastik im Meer und am Strand – ein hässlicher Anblick, findet Lisa aus Baden-Württemberg. Sie und ihre Freundinnen sind vom Plastikverbot schon überzeugt.
"Finde ich eine super Idee, weil ich im Urlaub gemerkt habe, dass hier in Hurghada oder speziell in Ägypten viel zu viel Plastik vorhanden ist. Auf den Straßen, im Meer – überall."