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Älter werden auf der Bühne

Über das Altern und über die Zeit hat der Jungdramatiker Philipp Löhle, selbst gerade 30, eine Komödie geschrieben. "Morgen ist auch noch ein Tag" heißt das Stück, und man ahnt, dass das sowohl Versprechen wie auch Drohung ist. Das Rentner-Dasein, in dem doch alles noch einmal möglich scheint, wenngleich eben erschöpfungsbedingt verlangsamt, ist leider ziemlich leer, auch dramaturgisch.

Von Christian Gampert | 24.01.2009
    Das Vorurteil sagt: In Baden-Baden gibt es nur reiche alte Damen mit Pudel und SWR-Redakteure. Das Vertrackte aber ist: Kaum hat man in der Kurstadt das Auto abgestellt, begegnet man tatsächlich sofort der ersten pelztragenden Dame mit Hündchen und gleich diversen SWR-Redakteuren, außerdem reichen Russen und Spielern, die ins Casino streben. Das liegt übrigens gleich neben dem Theater.

    In dieser Umgebung, in der die Wirklichkeit das Klischee längst überholt hat, ist der Jungdramatiker Philipp Löhle aufgewachsen, und hier hat er, nach dem Studium und Geldjobs in Berlin, als Regieassistent gearbeitet. Ein Glückskind offenbar, das mit seinen Stücken einen Theaterpreis nach dem anderen abräumt, Aufführungen in Berlin, Bochum und Wien, nun aber wieder Baden-Baden, wo der Papa ein bekannter Orthopäde ist. Das halbe Publikum sei bei dem in Behandlung gewesen, grinste einer der schon erwähnten SWR-Redakteure, und nun trägt man die morschen Knochen halt zu Löhle junior ins Theater.

    Ein Blick in den Zuschauerraum des pompösen Badener Barock-Theaters zeigt in der Tat: Wir leben in einer überalterten Gesellschaft. Das hat auch Philipp Löhle erkannt und prompt ein Stück geschrieben. Es kommt ganz unbekümmert daher wie auch seine anderen Theaterarbeiten, die sich meist mit Aussteigern beschäftigen, Öko-Freaks, Möchtegernterroristen, antikapitalistische Bettler, und die Figuren dann in eine freundliche Absurdität hochschrauben.

    Auch Karl Auer, leider ist schon der Name bei lascher Sprechweise ein Kalauer, haha, steigt aus, aus dem Berufsleben in die Rente. Aber er ist zu Hause nicht sehr willkommen, Gattin Katja hat sich ein Leben voller Hobbies zurechtgebastelt und muss ein Pazifik-Projekt für Gutmenschen und Hausfrauen voranbringen. Ihr Karl ist da nicht erwünscht, er lümmelt folglich zu Hause herum und geht der Familie auf die Nerven.

    So weit, so bekannt: Probleme des Übergangs. Löhle spult in der ersten Szene ein ins 08/15-Format verallgemeinertes Routine-Arbeitsleben vor und zurück, vom Abi bis zum Reihenhaus, von den letzten, unbefriedigenden Karriereschritten zurück zum Kinderkriegen und dem Kennenlernen der Ehefrau.

    Und Regisseurin Katharina Kreuzhage lässt Sohn, Gattin und zwei greisenhafte Rentner-Lemuren als peinigenden Einsager-Chor auftreten, bevor Karl sich dann in das Gerippe eines Einfamilienhauses setzt und einfach Zeit hat.

    "Morgen ist auch noch ein Tag" heißt das Stück, und man ahnt, dass das sowohl Versprechen wie auch Drohung ist. Das Rentner-Dasein, in dem doch alles noch einmal möglich scheint, wenngleich eben erschöpfungsbedingt verlangsamt, ist leider ziemlich leer, auch dramaturgisch.

    Löhle löst das Problem, indem er Karl Auer zwei geisterhafte Alte auf den Leib hetzt, tuttelige, skurrile graue Panther des Generationenkampfes; die lassen sich ganz gern mal von jungen Autofahrern auf die Kühlerhaube nehmen und kassieren dafür satte Schadenersatz-Prämien. Auch eine Möglichkeit. Und sie schüren bei dem armen Karl die Angst, seine Familie wolle ihn loswerden und in ein Pflegeheim stecken.

    So schwankt das Stück gefällig hin und her zwischen skurrilen Alltagssituationen und der Tragik des Älterwerdens und bleibt doch nur auf einem flotten Boulevard-Niveau. Hübsch harmlos, das alles: Fernsehserie, Vorabend, tut keinem weh.

    Die Regisseurin stellt die Figuren vordergründig und posenhaft aus und treibt den Schauspieler Oliver Jacobs (als Karl Auer) immer mehr in eine verschämte Infantilisierung, der hilflose Alte, der sich andient und mit über 60 noch mal pubertiert.

    Auer, der seine Frau durchaus noch begehrt, muss in Unterhose durchs Zimmer hüpfen und sich fragen lassen: Na, wie läuft es denn so? Prostata-Witze für RTL 2. Das alles aber mit schönem Entertainment-Tempo, immerhin. Der böse, analytische Blick auf das Alter aber ist die Sache dieses Theaters nicht: Es will nur nett sein zu uns allen.

    Unter all den Postmodernisten seiner Generation wirkt der Autor Philipp Löhle allerdings erfrischend pragmatisch: Wer nicht hoch springt, der fällt eben auch nicht sehr tief. Löhle schreibt bisweilen nette Gags und hat schräge Einfälle.

    Aber er muss nun beweisen, dass er mehr ist als ein mainstreamiger, schnell produzierender Unterhaltungsschreiber. Sonst endet er nämlich nicht beim Theater, sondern beim Fernsehen. In Baden-Baden läge auch das ganz nahe …