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Ärzte fordern Verbot
Hormonell wirksame Chemikalien können krank machen

Hormonähnlich wirkende Chemikalien kommen in Kosmetika, in Plastik und in Medikamenten vor. Doch Ärzte befürchten, dass viele von ihnen krank machen können. Jetzt fordern sie: Manche dieser Stoffe, in der Fachsprache heißen sie endokrine Disruptoren, müssten aus dem Verkehr gezogen werden.

Von Daniela Siebert | 18.06.2019
Kunden in einem Drogeriemarkt in Stuttgart
Manche Kosmetika enthalten hormonell wirksame Substanzen (imago / Westend61)
Endokrine Disruptoren werden für ziemlich viele Krankheiten verantwortlich gemacht, allerdings ist die Beweisführung etwas schwierig. Es gibt nur ganz wenige Fälle, wo endokrine Disruptoren als einzige Ursache quasi gerichtsfest bewiesen werden konnten, aber: Es gibt eine krankheitsfördernde Wirkung, da ist sich die Fachwelt in vielerlei Hinsicht sicher, gerade auch bei vielen aktuellen Volkskrankheiten. Professor Josef Köhrle, Endokrinologe an der Berliner Charite ist sich bei diesen Erkrankungen ziemlich sicher:
"Adipositas, also Fettleibigkeit, Diabetes – mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er auch gefördert. Bei Schilddrüsenkrebs wird es sehr stark diskutiert und dann Störungen der Fertilität vor allen Dingen beim Mann, also Fruchtbarkeit, Samenqualität und entsprechende Beeinträchtigungen der Nachkommenschaft."
In unserem Alltag können wir endokrinen Disruptoren, also diesen hormonell wirksamen Substanzen, kaum aus dem Weg gehen, denn sie kommen als Spuren von Pflanzenschutzmitteln in unserer Nahrung vor, sie entweichen aus Verpackungen wie etwa Plastikflaschen und Konservendosen, sie sind in Kosmetika und als Flammschutzmittel auf vielen Gegenständen.
Aufnahme durch Haut und Nahrung
Und dadurch kommen endokrine Disruptoren auf ganz vielfältigen Wegen in den menschlichen Körper:
"Durch die Haut, durch die Nahrung, durch das Wasser und in gewissem Umfang auch durch Einatmen, zum Beispiel Hausstaub und solche Dinge."
Rund 1.000 problematische hormonell wirksame Chemikalien spielen in unserem Leben eine Rolle sagt Josef Köhrle, manchmal sind sie auch in Produkten, wo wir das überhaupt nicht erwarten würden, nämlich in Medikamenten.
Vorkommen auch in Medikamenten
Etwa in der Hülle von manchen Retard-Kapseln, die sich erst im Darm auflösen. Oder:
"Manche Medikamente haben Nebenwirkungen, die das endokrine System oder die Entwicklung des endokrinen Systems im Mutterleib beeinträchtigen und dazu wird schwer diskutiert und mit vielen Daten auch mittlerweile untermauert, rezeptfreie Schmerzmittel, die in der Schwangerschaft angewendet werden. Ich will jetzt keinen Namen nennen, aber jeder weiß, was man da kaufen kann in der Apotheke oder im Supermarkt." Konkrete Stoffe wollen Sie nicht benennen? "Ich kann Paracetamol benennen, dazu gibt es Daten."
Ärzte fordern Verbote
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, deren Präsident Josef Köhrle ist, fordert daher strengere Regulierungen für solche hormonell einflussreichen Substanzen, was die Bundesregierung und die EU dazu bislang geleistet haben, das reiche nicht.
"Substanzen von denen klar ist dass sie endokrin aktiv wirken müssen aus dem Verkehr gezogen werden, sofort. Substanzen, die im Verdacht stehen, dass sie endokrin aktiv wirken können aus Tierversuchen, aus Zellkulturversuchen oder aus epidemiologischen Bevölkerungsstudien müssen, solange bis das Gegenteil bewiesen ist ebenfalls aus dem Verkehr gezogen werden. Das erfolgt zur Zeit nicht oder nur ganz selten."
Nach diesen Forderungen müssten zum Beispiel Bisphenol A, viele Pflanzenschutzmittel und das Insektizid Fipronil sofort vom Markt verschwinden. Unser Nachbarland Frankreich hat Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen bereits verboten. Wichtig ist den deutschen Endokrinologen auch, dass es endlich zu einer einheitlichen Definition kommt, was endokrine Disruptoren genau sind und dass die dann auch bei der Zulassung von Nahrungsmitteln, Kosmetika und Zusatzstoffen auch berücksichtigt werden. Josef Köhrle hofft jetzt, dass seine Warnungen bei der anstehenden Konferenz der EU-Umweltminister gehört werden und diese die EU-Kommission zu entsprechenden Schritten bewegen.