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Ärztemangel und Pflegenotstand
Gebremste Integration

Wer als ausländische Fachkraft in Deutschland als Arzt oder im Pflegebereich arbeiten will, muss sich dazu seine bisherigen Abschlüsse anerkennen lassen. Das gelingt auch in den meisten Fällen, die Hürden aber bleiben hoch.

Von Johannes Kulms | 21.11.2016
    Eine Krankenschwester im Flur des Klinikums Carl Gustav Carus in Dresden neben einem Patienten im Rollstuhl.
    Die Ausbildung der Pflegeberufe soll reformiert werden. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Der Bedarf an Fachkräften im Ärzte- und Pflegebereich ist hoch, unterstreicht Ralf Maier. Er leitet das Referat für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Migration im Bundesbildungsministerium und weiß:
    "Dass man das allein mit der Qualifizierung im Inland nicht hinbekommt und dass wir angewiesen sind auf qualifizierte Zuwanderer in diesem Bereich."
    Während der deutsche Gesundheitssektor also die ausländischen Fachkräfte braucht, sind diese vor allem auf eines angewiesen: die Anerkennung ihrer Abschlüsse. Knapp 19.400 entsprechende Neuanträge sind im vergangenen Jahr gestellt worden. Mehr als die Hälfte von ihnen stammt von Ärzten und Krankenpflegern.
    Bei den Medizinern wurden 86 Prozent aller Anträge voll und ganz anerkannt, bei den Krankenpflegern waren es 71,1 Prozent. Allerdings: Die hohe Zahl an Flüchtlingen, die seit dem Herbst 2015 in Deutschland ankommen, findet in dieser Statistik noch keine Berücksichtigung.
    Wer in Deutschland arbeiten will, muss Nachweise erbringen
    Seit 2012 können ausländische Fachkräfte in Deutschland vom Anerkennungsgesetz Gebrauch machen. Doch es gebe weiterhin Defizite, meint Farzaneh Vagdy-Voß vom IQ Netzwerk Schleswig-Holstein, das Migranten berät: "Jedes Bundesland hat seine eigene föderale Richtung, die es auch umsetzen will. Deshalb sind wir tatsächlich auch zurückgehalten worden, die Personen, die zu uns kommen, in erster Linie bei der Anerkennung sofort zu sagen: Alles paletti!"
    Ob aus Syrien, Argentinien oder Schweden: Wer in Deutschland als Arzt oder Krankenpfleger arbeiten will, muss Nachweise erbringen: Wo hat er oder sie gelernt, was stand auf dem Lehrplan, wie steht es um die Sprachkenntnisse und wie sah der letzte Job im Ausland aus? Für die Antragsteller bedeutet das viel Papierkram, aber vor allem auch viel Warten. Und Ungewissheit.
    Wo die Hürden sind und ob und wenn ja wie diese auszuräumen sind, will das IQ Netzwerk-Schleswig-Holstein an diesem Vormittag auf einer Tagung diskutieren.
    Patientenschutz steht im Vordergrund
    Deutschland sei bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse im internationalen Vergleich liberal aufgestellt, betont Ralf Maier. Nachbesserungsbedarf bei den Gesetzen sieht er nicht – wohl aber bei deren Anwendung. Es sei wichtig, sagt Maier, "dass die Verfahren gleich sind. Dass eine Krankenpflegerausbildung aus einem Land in Kiel oder in München gleich funktioniert, das gleiche Ergebnis ist, trotz der ganzen individualisierten Verfahren. Da gibt es jetzt eine neue Gutachtenstelle, die die Länder einrichten, von der erhoffen wir uns auch Verbesserung."
    Auch müssten die Behörden die Antragsteller besser darüber informieren, welche Unterlagen nötig seien. Das gilt erst recht für die Flüchtlinge, unter denen es nicht nur, aber eben auch viele Fachkräfte für Heilberufe gibt. Ob und wie eine Qualifikation anerkannt wird, entscheiden die Länder. Hierbei stehe der Patientenschutz im Vordergrund, sagt Friedrich Engler, der beim Schleswig-Holsteinischen Landesamt für Soziale Dienste die Abteilung Gesundheitsschutz leitet: "Das heißt also, der Patient soll geschützt werden vor Personen, die ohne die notwendige Qualifikation und ohne die nötige praktische Berufserfahrung in der Heilkunde tätig werden wollen."
    Das zeigt aber auch: Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen in den Gesundheitsberufen folgt nicht automatisch dem Integrationsgedanken von Fachkräften in den Arbeitsmarkt – sie kann ihr durchaus auch in die Quere kommen.