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AfD-Fraktion im Bundestag
Neue Rolle, alte Probleme

Die Fraktion der AfD hat an ersten Bundestagssitzungen teilgenommen, doch noch ist ihre künftige Rolle im Parlament nicht klar. Auch intern gibt es Baustellen: Auf dem Parteitag in Hannover an diesem Wochenende soll eine neue Führungsspitze gewählt werden.

Von Nadine Lindner und Volker Finthammer | 01.12.2017
    Abgeordnete der AfD-Fraktion mit ihren Vorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland bei einer Abstimmung im Bundestag
    Abgeordnete der AfD-Fraktion mit ihren Vorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland bei einer Abstimmung im Bundestag (dpa / Kay Nietfeld)
    Neun Wochen sind vergangen, seitdem die Alternative für Deutschland mit 12,6 Prozent der Stimmen und damit als drittstärkste Partei in den Deutschen Bundestag eingezogen ist.
    Weidel: "Wir haben ein sehr gutes Wahlergebnis geholt als Alternative für Deutschland, das hat uns selber überrascht."
    Gauland: "Natürlich ist es erstmal unser Erfolg aber es ist auch natürlich der Misserfolg der anderen."
    Meuthen: "Das ist der 14. Erfolg hintereinander. Das ist keiner Partei vor der Alternative für Deutschland bisher gelungen."
    Petry: "Alle diese Ergebnisse zeigen uns, dass die Bürger eine neue Kraft in diesem Land dringend suchen."
    So klang am Morgen nach der Wahl noch die vierstimmige Einigkeit zwischen den Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland sowie den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Frauke Petry. Doch nur Sekunden später folgte der Eklat, denn Frauke Petry hängte ihrer Bewertung des Wahlausgangs sogleich ein persönliches Statement an:
    "Die AfD von 2013 hat den klaren Anspruch vertreten und so war es auch bis 2015, am Ende schnell regierungsfähig zu werden. Das ist weiterhin mein Anspruch. Eine anarchische Partei, wie es in den vergangenen Wochen das eine oder andere Mal zu hören war, die die AfD sei − die kann in der Opposition erfolgreich sein, aber sie kann eben dem Wähler kein glaubwürdiges Angebot für eine Regierungsübernahme machen. Und das ist der Grund für mich, nach langer Überlegung zu entscheiden, dass ich der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag nicht angehören werde."
    Sprach's und verschwand. Doch mit ihr trat nur der nordrhein-westfälische Abgeordnete Mario Mieruch aus der AfD-Fraktion aus, und kurze Zeit später verließen Petry und Mieruch auch die Partei in der Hoffnung, für "Die Blauen", als neue Partei, schnell ehemalige Mitstreiter gewinnen zu können.
    "Bin maßlos enttäuscht von Frauke Petry"
    Doch bislang lässt sich die AfD nicht spalten, und das Kapitel Petry war für alle Seiten schnell abgehakt. So wie zwei Jahre zuvor schon das Kapitel Bernd Lucke, der von Petry entmachtet mit seiner Partei "Alfa" innerhalb kürzester Zeit in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Frauke Petry dürfte es bei einer möglichen Neuwahl ähnlich ergehen und auch schon jetzt ist sie im Bundestag in die hinterste Ecke verbannt.
    "Ich bin maßlos enttäuscht von ihr, dass sie das gemacht hat. Ich habe sie anders eingeschätzt. Ich habe mich in dieser Person dahingehend getäuscht, dass ich geglaubt habe, das tatsächlich ihr Herz für die AfD schlägt. Das war offensichtlich nicht der Fall, sondern es ging ihr nur um persönliche Dinge und so etwas verurteile ich auf’s Schärfste", sagt der Berliner AfD-Vorsitzende Georg Pazderski.
    Die ehemalige AfD-Chefin Frauke Petry spricht in Rodgau bei einer Diskussionsveranstaltung, wo sie den Startschuss für ihr neues Bürgerforum "Blaue Wende" gab.
    Die ehemalige AfD-Chefin Frauke Petry spricht in Rodgau bei einer Diskussionsveranstaltung, wo sie den Startschuss für ihr neues Bürgerforum "Blaue Wende" gab. (dpa-Bildfunk / Frank Rumpenhorst)
    Eine Hinterlassenschaft Petrys muss die Partei noch aufarbeiten: Das maßgeblich von Petry angestrebte Parteiauschlussverfahren gegen den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke wegen dessen revisionistischem Geschichtsverständnis. Im Bundestagswahlkampf hatte aber auch der heutige Fraktionsvorsitzende und frühere CDU-Politiker Alexander Gauland diese rechte Flanke etwa im Blick auf die nationalsozialistische Vergangenheit gerne ausgespielt:
    "Man muss uns diese zwölf Jahre jetzt nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identitäten heute nicht mehr und das sprechen wir auch aus. (Applaus) Und deshalb haben wir auch das Recht, nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen."
    Dem Parteitag liegt nun ein Antrag vor, das Aussschlußverfahren gegen Höcke aufzuheben. Die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme hat das Potential, die Partei zu spalten. Denn Höckes Position in der Partei sei stärker als vor zwei Jahren, schreibt die Antragstellerin Petra Hentschel, Vorsitzende im AfD-Kreisverband Ostprignitz.
    "Höcke repräsentiert 30 Prozent unserer Mitglieder"
    "Ja natürlich, das muss vom Tisch. Wir sind eine breit aufgestellte, kleine Volkspartei und das müssen wir auch sein, denn die repräsentiert an sich das ganze Spektrum der Themen in unserer Republik und das was uns bewegt. Und dann gehört ein Björn Höcke genauso dazu. Die repräsentiert an die 30 Prozent unserer Mitglieder, und das darf man nicht untern Tisch fallen lassen", sagt der niedersächsische AfD-Vorsitzende Armin Paul Hampel. Und auch der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland würde das gerne so sehen:
    "Ich war gegen das Parteiausschlussverfahren und habe das immer für falsch gehalten, hätte mir eine klare Distanzierung und Rüge gewünscht und deswegen muss ich logischerweise auch für die Aufhebung des Parteiauschlussverfahrens jetzt sein, weil ich mich da gar nicht geändert habe."
    Der AfD-Landesvorsitzende von Thüringen, Björn Höcke, gibt am 13.2.2017 im Thüringer Landtag in Erfurt ein Pressestatement.
    Der AfD-Landesvorsitzende von Thüringen, Björn Höcke, gibt am 13.2.2017 im Thüringer Landtag in Erfurt ein Pressestatement. (dpa-Bildfunk / Hendrik Schmidt)
    Von Beatrix von Storch kommt eine etwas andere Haltung zu dieser Frage. Sie möchte den Parteitag nicht von dieser Frage überlagert wissen:
    "Wir haben auch in Köln diesen Antrag schon gehabt und haben den nicht entschieden, weil wir in Köln unser Wahlprogramm aufstellen wollten. Ich glaube, wir haben als AfD in der Vergangenheit immer bewiesen, dass wir auf den Parteitagen die Jobs machen, für die der Parteitag gedacht ist, und hier ist das die Neuwahl des Bundesvorstandes."
    In gleicher Weise argumentiert auch der Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski:
    "Ich hoffe, dass der Parteitag klug entscheidet. Wir fahren nach Hannover, um einen neuen Bundesvorstand zu wählen, Bundesrichter zu wählen und andere Dinge mehr. Zudem ist das im Moment ein schwebendes Verfahren. Das liegt beim Landesschiedsgericht Thüringen. Es gibt mittlerweile einen Zeitplan. Das heißt Anfang Januar wird vermutlich das Landesschiedsgericht Thüringen entscheiden und dann muss der neue Bundesvorstand entscheiden, wie er in der Causa weiter vorgeht."
    Das wäre also eine eher taktisch motivierte Verschiebung, weil das Thema nicht wirklich drängt und wahrscheinlich beiläufig im Bundesvorstand erledigt werden soll, anstatt öffentlichkeitswirksam auf einem Bundesparteitag.
    Wie die AfD im Bundestag auftritt
    Denn in Hannover wird es erst einmal spannend zu sehen, welches Gewicht der neuen Bundestagsfraktion und deren Vertreter für die künftige Arbeit eingeräumt wird.
    "Ich eröffne die Aussprache, das Wort hat zu ihrer ersten Rede die Kollegin Dr. Alice Weidel von der AfD-Fraktion."
    Mittwoch, 21. November, ein wichtiger Tag für die AfD und Fraktionschefin Alice Weidel, denn die Fraktion bringt ihren ersten Antrag im Bundestag ein und will von der Bundesregierung:
    "Wir fordern deshalb, gegen sämtliche EZB-Beschlüsse zum munteren Gelddrucken und Vermögensvernichtung endlich Klage einzureichen."
    Weidel bespielt damit ein Kernthema der AfD: die Kritik an der Euro-Rettungspolitik. Die sei unverantwortlich gewesen, der Euro schade Europa.
    "Und offensichtlich ist es Ihnen, die hier länger sitzen, völlig egal, was sie den Bürgern versprechen, sonst hätten sie nicht den fatalen Griechenland-Rettungspaketen zugestimmt und den Griechenland-Rettungsschirmen."
    Weidels Rede ist schneidig im Ton, gespickt mit Vorwürfen an die anderen Fraktionen. Ein Redebeitrag eher in Wahlkampfrhetorik. Der Applaus aus den eigenen Reihen: kräftig.
    Alice Weidel
    Alice Weidel (dpa/Soeren Stache)
    "Da sind da Verschwörungstheorien drin, Halbwahrheiten, Unwahrheiten…"
    Nächster Redner: Eckhart Rehberg, CDU-Abgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Replik des Haushaltspolitikers fällt nicht weniger deutlich aus. Johlen bei der AfD.
    "Und Sie fordern die Bundesregierung, Sie fordern den deutschen Bundestag zum Rechtsbruch auf. Nämlich zum Rechtsbruch gegen die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und das ist mit uns nicht zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen."
    Anschließend sagt der Christdemokrat Rehberg im Interview:
    "Wenn man die Rede der Fraktionsvorsitzenden Weidel gehört hat, spielen sie sich als Richter auf. Das heißt, sie spielen quasi Bundesgerichtshof und Verfassungsgericht."
    Kernthemen sind der Euro und die Flüchtlinge
    In ihrem zweiten Antrag fordert die AfD, ein Rückkehrabkommen für Flüchtlinge mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad abzuschließen. Die Sicherheitslage habe sich in Teilen des Landes verbessert, so argumentiert der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann:
    "Wir wollen, dass Sie vorausschauend handeln und überhaupt erstmal Verhandlungen aufnehmen, dass Sie Wege ebnen und aktiv mal Flüchtlingsströme umkehren, meine Damen und Herren."
    Die Kritik aus den anderen Fraktionen ist auch hier deutlich. Der Antrag sei schlecht recherchiert, ein Taschenspielertrick.
    Aber mit den beiden parlamentarischen Initiativen setzt die AfD auf ihre Kernthemen; Kritik am Euro und der Flüchtlingspolitik. Im Abstimmungsverhalten zu anderen Tagesordnungspunkten ist sie wechselhaft. So unterstützt sie beispielsweise den Bundeswehrauslandseinsatz im Mittelmeer. Im Gegensatz dazu lehnt sie das Mandat Afghanistan ab, teilweise mit wohlgesetzten Provokationen wie durch Fraktionschef Alexander Gauland:
    "Verehrte Bundesregierung und Frau Verteidigungsministerin, wollen Sie erneut deutsche Soldaten zur Staatenrettung nach Afghanistan schicken, während afghanische Flüchtlinge auf dem Ku'damm Kaffee trinken, statt ihr Land aufzubauen."
    In den kommenden Wochen will die AfD noch einen Untersuchungsausschuss gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik beantragen.
    Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, bei einer Rede im Parlament
    Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, bei einer Rede im Parlament (dpa / Silas Stein)
    Auffällig ist während der ersten Sitzungstage Ende November: die Fraktion der AfD bleibt fast geschlossen im Plenum, die Reihen sind gut gefüllt.
    Sie johlen bei anderen, applaudieren heftig den eigenen Leuten, wie nach der Rede Gaulands. Die AfD-Abgeordneten dokumentieren die Anwesenheits-Kultur zahlreich inklusive Foto in den sozialen Netzwerken. Obwohl Bildaufnahmen im Saal laut Hausordnung während der Sitzung nicht erlaubt sind. Man wolle Präsenz zeigen, anders als die anderen Fraktionen, sagt Gauland. Denn bei den Anhängern sei das leere Plenum im Wahlkampf oft Thema gewesen:
    "Dass gesagt wurde, wieso kann es sein, dass bei wichtigen Fragen nur die ersten zwei Reihen besetzt sind. Und also haben wir von vornherein in der Fraktion gesagt, dieses Bild wollen und werden wir nicht abgeben."
    Die AfD hat eine selbst gesteckte Zielmarke laut Gauland schon erreicht. Er hatte kurz nach der Wahl angekündigt, dass die Sprache des Parlaments anders sei als die Sprache des Wahlkampfs. Dass das eingetreten ist, könnte man eben daran sehen, "dass wir keinen Ordnungsruf von den amtierenden Präsidenten einschließlich Frau Pau bekommen haben. Also verhalten wir uns ja bereits parlamentarisch, da sehe ich keinen Nachholbedarf."
    Auch mit dem Fraktionsaufbau zeigt sich Gauland zufrieden. Die Bewerberlage auf offene Stellen bei Fraktion und Abgeordneten sei gut, anders als vielfach berichtet würde. Eine Recherche des WDR belegt nach Einsicht interner AfD-Dokumente, dass zahlreiche, teils hochrangige Bewerbungen von Ex-Mitarbeitern anderer Fraktionen vorliegen.
    Positiv sei außerdem, sagt Gauland, dass es bei der Fraktion bislang keine Grabenkämpfe zwischen den parteiinternen Strömungen "Alternative Mitte" und dem national orientierten sogenannten "Flügel" gebe.
    Pionierarbeit der "Waisenknaben"
    Hört man sich nach den zwei Sitzungstagen unter den AfD-Abgeordneten um, demonstrieren sie Selbstbewusstsein und Zufriedenheit. Viele tragen blaue Partei-Pins am Revers, mit denen sie klar als AfD-Vertreter zu erkennen sind. Der Start sei geglückt, obwohl die meisten keine parlamentarische Vorerfahrung haben und noch viel organisatorische Aufbauarbeit zu leisten sei, findet Roland Hartwig, stellvertretender Fraktionsvorsitzender:
    "Insgesamt aber sind wir stolz, dass wir hier sind."
    Man muss Pionierarbeit leisten, die Verteilung der Büros steht noch nicht fest, mehrere Abgeordnete müssen sich derzeit einen Raum teilen, erst nach und nach werden grundlegende Dinge wie Computer geliefert. Im Rückblick auf die ersten beiden Parlamentstage sagt Hartwig über die anderen Fraktionen:
    "Überraschend ist, wenn man Themen anspricht, dass dann der Diskurs nicht nur um Sachargumente kreist, sondern dass man mit den Sachargumenten auch noch Wertungen vornimmt."
    Ähnlich sieht es Karsten Hilse, einer der zwei direkt gewählten Abgeordneten aus Sachsen:
    "Da muss ich mal sagen, wenn ich mir mal anschaue, was wir anderen vorgeworfen haben und was die anderen uns vorgeworfen haben, da sind wir wirklich Waisenknaben gewesen."
    Der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser kandidierte für den Posten des Bundestags-Vizepräsidenten und fiel damit mehrmals durch.
    Der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser kandidierte für den Posten des Bundestags-Vizepräsidenten und fiel damit mehrmals durch. (dpa-Bildfunk / Ralf Hirschberger)
    Und wie werden die AfD-Abgeordneten insgesamt aufgenommen?
    "Bei den Abgeordneten hier im Reichstag ist es schon so höflich-distanziert, würde ich es nennen."
    Bei einigen AfD-Abgeordneten ist abseits des Mikrofons auch etwas Schadenfreude zu hören. Jetzt sitze man quasi in der guten Stube der Republik, und das ärgere die Etablierten. Zum Beispiel mit der Personalie Glaser: An ihrem Kandidaten für den Posten des Bundestagsvize-Präsidenten, Albrecht Glaser, der wegen seiner Position zum Islam nicht gewählt worden war, will die Fraktion bis auf weiteres festhalten. Man lasse sich doch nicht vorschreiben, wen man aufstelle, heißt es dazu aus der Fraktionsspitze.
    "Wir müssen uns anstrengen und besser aufpassen"
    Aber für langjährige Abgeordnete anderer Parteien bedeutet die AfD im Bundestag eine Zäsur. Claudia Roth, Grüne, Bundestags-Vizepräsidentin beschrieb im Deutschlandfunk ihre Eindrücke von der AfD so:
    "Es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, wenn da Leute sich auf die Schenkel klopfen, wenn es zum Thema syrische Flüchtlinge geht."
    Allerdings sagt Roth - und diesen Eindruck teilt sie mit vielen Beobachtern − sind die Debatten im neuen Bundestag lebhafter geworden.
    "Ja, also wir müssen uns, die Kollegen müssen sich anstrengen. Wir müssen besser aufpassen. Wir müssen sehr gut argumentieren."
    Für die FDP trifft Marc Buschmann als parlamentarischer Geschäftsführer regelmäßig auf AfD-Abgeordnete. Die AfD hat die FDP wegen ihrer Haltung in der Flüchtlingspolitik mittlerweile als politische Konkurrenz identifiziert.
    Das Verhältnis zwischen den beiden Oppositionsparteien könnte also kompliziert werden, da sowohl FDP als auch AfD angekündigt haben, jeweils einen Antrag zur weiteren Aussetzung des Familiennachzugs einzubringen. Könnte diese inhaltliche Nähe der FDP gefährlich werden?
    "Ja, überhaupt nicht, weil es in der AfD kein liberales Element gibt. Die AfD ist skeptisch gegenüber Freihandel, gegenüber Globalisierung, da ist keine marktwirtschaftliche Grundorientierung."
    Auch in der Linksfraktion macht man sich Gedanken über den Umgang mit der AfD. Auslöser war unter anderem eine Rede der Linken Abgeordneten Christine Buchholz während der Debatte zum Bundeswehr-Einsatz in Mali:
    "Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir haben es gerade gehört, die AfD ist nicht nur rassistisch und nationalistisch, sie ist auch militaristisch."
    Umgehend folgt der Protest von Bernd Baumann, AfD:
    "Die Abgeordnete von der Linken hat gerade die AfD als rassistisch bezeichnet. Bitte jetzt genau hinzuschauen, wer jetzt klatscht! Wer seine demokratisch gewählten Kollegen als rassistisch verunglimpft, in Deutschland, wo der Begriff Rassismus mit Millionen Toten verbunden ist, mit dem anti-demokratischen, was man sich nur vorstellen kann… da gehen Sie so leichtfertig damit um und beklatschen das auch noch!"
    Bernd Baumann (AfD) redet am 22.11.2017 bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages in Berlin.
    Bernd Baumann (AfD) redet am 22.11.2017 bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages in Berlin. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble will, dass sich der Ältestenrat nun mit dieser Debatte beschäftigt und sagt in Richtung Plenum:
    "Mein Rat an uns alle ist, daran zu denken, dass ein Argument in der Sache durch Mäßigung in der Form stärker und nicht schwächer wird."
    Buchholz blieb auch später bei ihrer Haltung und begründete sie mit den Programmpunkten der AfD zum Islam und Afrika.
    Diese kurze Episode zeigt, dass auch erfahrene Parlamentarier noch unsicher sind im Umgang mit der neuen rechten Kraft im Bundestag. Und dass die AfD selbst klären muss, wie stark sie an der Provokationsschraube drehen will.
    In Hannover wird über das Spitzenduo entschieden
    Die zentrale Frage beim Parteitag in Hannover wird jedoch die nach dem künftigen Spitzenduo sein, nachdem Frauke Petry gegangen ist. Es gibt zwar auch schon eine Diskussion darüber, ob die Partei künftig nur von einem einzigen Vorsitzenden geführt werden sollte. Aber dazu bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Satzung zu ändern. Das hätte entsprechend vorbreitet werden müssen.
    Wieder antreten will in jedem Fall Jörg Meuthen, auch wenn der den Fraktionsvorsitz in Stuttgart aufgegeben hat und künftig im EU Parlament agieren will:
    "Der Grund ist der, dass ich als Bundesvorsitzender meine Partei voranbringen will. Sehen Sie, wir sind im Europaparlament derzeit noch völlig unterrepräsentiert, während wir hier im Landtag und 13 anderen Landtagen und im Bundestag mit der Alternative für Deutschland längst angekommen sind."
    So lautet die letzte öffentliche Auskunft Meuthens, dessen Wiederwahl offenbar wenig umstritten ist, auch wenn er künftig in Brüssel fern der Parteizentrale und der politischen Debatten in Berlin agieren will.
    Jörg Meuthen, Bundesvorsitzender der AfD
    Jörg Meuthen, Bundesvorsitzender der AfD (picture alliance / Peter Steffen/dpa)
    Meuthen hatte sich im Wahlkampf erkennbar mit dem "Flügel", also den Parteirechten um Björn Höcke und André Poggenburg eingelassen, obwohl er auf der anderen Seite für ein Parteiauschlussverfahren gegen den Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon eingetreten war. Aber auf den Platz des zweiten Vorsitzenden erheben die Vertreter des "Flügels" Anspruch.
    "Für mich ganz klar Favorit als Bundesvorsitzender ist Jörg Meuthen. Ich kann mir sehr gut aber auch vorstellen einen Herrn Gauland, einen Herrn Höcke, einen Herrn Kalbitz, aber auch einen Herrn Baumann im neuen Bundesvorstand. Ich persönlich werde auch kandidieren als einer der stellvertretenden Vorsitzenden", sagt der AfD-Landeschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. Dass der rechtskonservative Flügel Anspruch erhebt, wird daran deutlich, dass seit gestern von einer möglichen Kampfkandidatur von Fraktionschef Alexander Gauland die Rede ist. Der sich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk gegenüber noch sehr bedeckt gehalten hat und nur mit der notwendigen Balance der Flügel argumentierte:
    "Tatsächlich ist die Zweierspitze aber dazu gedacht, dass sowohl Ost-West ausgeglichen wird, wie auch die mehr konservativen und die mehr liberalen Positionen. Aber einen Namen verbinde ich damit nicht."
    Georg Pazderski, AfD-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus
    Georg Pazderski, AfD-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Auslöser für diesen möglichen Schwenk dürfte die Ankündigung des Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski gewesen sein, der zum gemäßigten Flügel zählt und tags zuvor seine Kandidatur ins Rennen gebracht hatte:
    "Und ich habe auch viele Gespräche mit Wählern geführt, die zu mir gesagt haben: Wir haben euch gewählt, dass ihr irgendwann mal Verantwortung übernehmt. Nur Opposition geht nicht und genau das sehe ich auch als meinen Auftrag."
    Georg Pazderski kann mit der Unterstützung all derjenigen rechnen, in deren Augen die Vertreter der Bundestagsfraktion in der Partei nicht zu stark werden dürfen. Dazu zählt auch der niedersächsische Landesvorsitzende Armin Paul Hampel, der auch im Bundestag sitzt:
    "Also wir würden einen Fehler begehen, wenn wir diejenigen, die jetzt in Berlin sitzen, auch gleich in alle Bundespitzen und am besten noch in alle Gremien reinwählen würden. Nein, da brauchen wir die Vielfalt aus der Fläche, da haben wir gute Leute."
    Ein AfD-Parteitag ist unkalkulierbar
    Eher hinter den Kulissen agiert in diesen Tagen die Ko-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Auch sie wurde von Pateimitgliedern gedrängt, sich um das Amt zu bewerben. Hat es aber bislang nicht getan und steht hinter Pazderski. Einen Posten im erweiterten Parteivorstand strebt sie jedoch an.
    In jedem Fall dürfte der Ausgang der Neuwahlen ein Zeichen dafür werden, in welchem Verhältnis die beiden wichtigsten politischen Lager in der AfD zueinander stehen. Dem rechtsnationalen Flügel wird ein Anteil von maximal 30 Prozent unterstellt. Er könnte theoretisch überstimmt werden. Aber weil dahinter gerade die besonders starken ostdeutschen Landesverbände stehen, ist nicht damit zu rechnen. Sowohl Alexander Gauland als auch Georg Pazderski sprechen davon, dass AfD-Parteitage in solchen Fragen immer noch unkalkulierbar sind.