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"Lucke sammelt seine Truppen"

Mit der Gründung des Vereins "Weckruf 2015" versuche AfD-Parteichef Bernd Lucke vor dem Parteitag der Alternative für Deutschland im Juni die Mitgliederbasis zu mobilisieren, sagte der Bonner Politologe Frank Decker im DLF. Denn im Ringen mit den national-konservativen Kräften seien Luckes Aussichten derzeit eher schlecht.

Frank Decker im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 19.05.2015
    AfD-Bundesparteichef Bernd Lucke spricht am 22.03.2014 auf dem Europaparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) in Erfurt (Thüringen). Die AfD will auf dem zweitägigen Parteitag unter anderem ihr Programm für die Europawahl am 25. Mai beschließen.
    AfD-Parteichef Bernd Lucke. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Dirk-Oliver Heckmann: Bei der Alternative für Deutschland geht es derzeit hoch her. Parteichef Bernd Lucke warnt vor einem Rechtsruck und hat seine Anhänger dazu aufgerufen, einem Verein beizutreten mit dem Namen "Weckruf 2015". In Straßburg hatte er sein Vorgehen heute näher begründet und den Verdacht zurückgewiesen, es gehe ihm um die Neugründung einer Partei. Am Telefon ist Frank Decker, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn. Guten Tag, Herr Decker.
    Frank Decker: Guten Tag!
    Heckmann: Bernd Lucke verschärft den Kurs gegenüber seinen innerparteilichen Gegnern. Weshalb gerade jetzt?
    Das national-konservative Lager könnte stärker sein
    Decker: Nun, das Datum ist ja schon genannt worden. Mitte Juni steht der Parteitag an in Kassel und da geht es darum, wer die Partei künftig führt. Es soll nur noch ein Vorsitzender sein und Bernd Lucke möchte Vorsitzender werden, und damit verbindet sich natürlich dann schon auch eine Aussage über die künftige Richtung der Partei. Wir haben es hier mit einer ganz klaren Alternative zu tun und jetzt geht es darum, die Truppen zu sammeln, und da ist ein ganz wichtiges Detail: Auf dem Parteitag entscheiden nicht die Mitglieder, sondern die Delegierten, und da gibt es Hinweise, dass das national-konservative Lager doch stärker sein könnte, dass Lucke eventuell nicht genug Rückhalt hat, und deshalb mobilisiert er jetzt die Basis, auch die Mitglieder, wo er mehr Unterstützung für sich vermutet, dann gegen die rechts-nationalen oder rechts-konservativen Kräfte.
    Heckmann: Das heißt, Sie lesen das so, dass Lucke nicht das Ziel hat, diese rechten Kräfte aus der Partei zu entfernen, sondern nur seine Truppen zu mobilisieren?
    Decker: Sicherlich nicht in Gänze, denn - das haben ja auch die Wahlkämpfe gezeigt - die AfD profitiert davon. Sie wird auch wegen des Themas Zuwanderung gewählt und Lucke hat ja selber auch diese Themen für sich besetzt. Er sieht aber, wie ich finde, zu Recht ein großes Problem: Wenn diese Kräfte überhandnehmen, gibt es kein Halten mehr. Das ist die Gefahr der Erosion, der Abgrenzung nach ganz rechts außen, und da muss man nur in die Geschichte solcher Parteigründungsversuche in der Bundesrepublik zurückblicken. Alle Parteien sind letztlich an diesem Problem gescheitert, und das ist Bernd Lucke natürlich sehr wohl bewusst.
    Heckmann: Sie haben gerade von "diesen Kräften" gesprochen, Herr Decker. Wie berechtigt ist denn der Versuch, diese rechten Kräfte aus der Partei zu drängen? Anders gefragt: Wie weit rechts steht dieser rechte Flügel?
    Manchmal keine Abgrenzung zum Rechtsextremismus mehr
    Decker: Wenn Sie sich einzelne Protagonisten anschauen, etwa Björn Höcke aus Thüringen, oder Marcus Pretzell aus Nordrhein-Westfalen, über den ja Frauke Petry auch ihre schützende Hand zu halten scheint, dann sind diese Vorhaltungen natürlich ganz berechtigt. Da gibt es keine wirklich erkennbaren Abgrenzungen mehr zum Rechtsextremismus. Und wenn es der Partei nicht gelingt, diesen Verdacht zu zerstreuen, dann ruiniert sie ihr öffentliches Ansehen und dann werden natürlich auch die innerparteilichen Auseinandersetzungen weiter schwelen. Die Partei wird dann notorisch mit dem Problem konfrontiert sein, sich von diesen Kräften abzugrenzen, und für die AfD gilt, genau wie für alle anderen Parteien: Im Wettbewerb ist es wichtig, geschlossen nach außen hin aufzutreten, und damit vertragen sich natürlich offen ausgetragene Richtungsauseinandersetzungen nicht.
    Heckmann: Wobei Björn Höcke bei uns im Deutschlandfunk in der vergangenen Woche zurückgewiesen hat, irgendetwas mit der NPD zu tun zu haben, und er hat gesagt, dass er eigentlich gar keine Beziehungen und gar kein Verhältnis zur NPD habe, weil er gar nicht wisse, um was für eine Partei es sich dabei genau handele.
    Decker: Das ist aus seiner Sicht natürlich verständlich, denn nichts ist gefährlicher, als als rechtsextrem stigmatisiert zu werden. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass es in der Sache dann auch tatsächlich berechtigt ist.
    Heckmann: Über den "Weckruf 2015" haben wir schon gesprochen, diesen Verein, den Bernd Lucke jetzt ins Leben gerufen hat. Lucke weist zurück, dass es sich dabei um eine Vorstufe einer Neugründung einer Partei handeln soll. Trotzdem die Frage: Steht die Partei jetzt ganz kurz vor der Spaltung?
    "Frauke Petry wäre fast eine natürliche Vorsitzende der AfD"
    Decker: Ich würde das zunächst einmal als eine Drohkulisse werten. Lucke baut hier vor. Er will seine Truppen sammeln. Was dann passiert, wenn er tatsächlich auf dem Parteitag unterliegen sollte, das ist eine andere Frage. Ich gebe einer Partei, einer rechten Partei jenseits von Union und FDP keine Chance, wenn sie nicht in der Lage ist, diese liberalen und konservativen Positionen zusammenzubringen, und das mag sich dann vielleicht auch Bernd Lucke überlegen, dass eigentlich ein solches Projekt dann ohne diesen konservativen Teil in der Bundesrepublik keinen Erfolg hätte.
    Heckmann: Ganz kurz noch zum Schluss. Wie groß sind die Chancen von Lucke, diesen Machtkampf zu gewinnen?
    Decker: Das ist schwer einzuschätzen. Ich vermute, dass seine Karten eher schlecht sind, weil es doch den nationalen Kräften besser gelingt, dann die Delegierten hinter sich zu bringen. Insoweit wäre Frauke Petry fast eine natürliche Vorsitzende der AfD. Die nationalen Kräfte können mit dem liberalen Teil besser leben als umgekehrt, und das spielt ihnen vielleicht in die Hände.
    Heckmann: Die Alternative für Deutschland wird uns also noch weiter beschäftigen. Das war ein Interview mit dem Politikwissenschaftler Frank Decker. Schönen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.