Dienstag, 19. März 2024

Archiv

AfD-Saarland
Schluss mit dem System "Family-and-Friends"

Der 78-jährige AfD-Landesvorsitzende im Saarland, Josef Dörr, hat in der Partei Familie und Freunde um sich geschart und seinen eigenen Sohn als Bundestagskandidaten aufgestellt. Am Wochenende hat sich der Widerstand dagegen Bahn gebrochen.

Von Tonia Koch | 03.07.2017
    Christian Wirth und Josef Dörr vor einem Plakat der AfD
    Christian Wirth und Josef Dörr stritten um den Landesvorsitz der AfD Saarland (imago / Becker und Bredel)
    Das Wahlergebnis für den Listenplatz eins für die bevorstehende Bundestagswahl lässt die eine Hälfte der AfD-Mitglieder erstarren und die andere jubeln. Vor ein paar Wochen hatte die Saar-AfD schon einmal gewählt. Damals standen die gleichen Kandidaten zur Wahl: der Saarbrücker Rechtsanwalt Christian Wirth und der Lehrer Michel Dörr, Sohn des amtierenden Landesvorsitzenden.
    Seinerzeit fiel das Votum zugunsten von Dörr aus. Aber dagegen hatte ein AfD-Mitglied geklagt und vor dem Landgericht recht bekommen, weil die Liste von einem Mitglieder- und nicht von einem Delegiertenparteitag hätte erstellt werden müssen. Gestern wählten also die AfD-Mitglieder und sie stellten das alte Ergebnis auf den Kopf.
    "Ich gehöre zum Lager der Dörr-Kritiker. Ich sage, Josef Dörr hat uns zu lange dominiert und die AfD-Saarland sieht er als sein Privateigentum an und das schon zu lange. Und da haben wir heute die Revolution gemacht. Im Hinblick auf die bevorstehende Wahl denke ich, dass dieses Ergebnis für uns nicht positiv ist und die Fünf-Prozent-Hürde ist weit weg gerückt. Demokratischer wie es jetzt hier gegangen ist, konnte es nicht mehr gehen. Dass Herr Dörr vielleicht ein wenig benachteiligt worden ist durch die Geschichte 'Friends-and-Family' hat sicher auch eine Rolle gespielt."
    Omnipräsenz des Dörr-Clans erzeugt Widerstand
    Wie sehr die Omnipräsenz des Dörr-Clans die Wahl beeinflusst hat, bleibt das Geheimnis der Mitglieder. Aber seit geraumer Zeit regt sich Widerstand gegen den 78-jährigen Parteivorsitzenden Josef Dörr.
    Genährt wurden die Zweifel vor allem vom Bundesvorstand der AfD. Dieser hat alles daran gesetzt, Dörr loszuwerden. Wegen Kontakten zur NPD und zu rechtsextremen Gruppieren wollte der Bundesvorstand deshalb den saarländischen Landesverband aufzulösen, was jedoch kläglich scheiterte. Dörr blieb im Sattel und wurde vor einer Woche als Landesvorsitzender knapp bestätigt.
    Dörr: "Ich persönlich hätte lieber selber verloren, aber ich stand heute nicht zur Debatte."
    Die Einsicht des Landevorsitzenden kommt zu spät, denn zwei Dörrs, Vater und Sohn, in AfD-Spitzenämtern war den Mitgliedern offenkundig zu viel. Interne Bemühungen, den Vater davon zu überzeugen, dass es zum Wohle der Partei besser wäre, wenn er sich aus der vordersten Reihe zurückziehen würde, hatten nicht gefruchtet. Denn der 78-jährige, der auch für die AfD im saarländischen Landtag sitzt, hält sich für bestens geeignet.
    "Wenn ich als Leiter, Führer oder was auch immer anerkannt bin, dann kommt es daher, dass ich höre, was die Leute meinen, dass ich das aufnehmen und zu einem gemeinsamen Ziel führen will."
    Parteimitglieder haben Misstrauensvotum gegen das System Dörr gefällt
    Dörr Senior hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Parteimitglieder haben ein Misstrauensvotum gefällt gegen das System Dörr. Getroffen hat es nicht ihn, sondern Sohn Michel, den unterlegenen Bundestagskandidaten.
    Michel Dörr: "Ich bin sehr enttäuscht, menschlich, wie einige Kräfte hier wirken, Menschen, die mich unterstützt haben, haben mich im Stich gelassen."
    Was das für den Zusammenhalt der AfD bedeutet, darüber scheiden sich die Geister.
    "Es spaltet die Partei definitiv. Auch die schönen Reden können nicht darüber hinweg täuschen, dass da gerade eine Spaltung stattfindet", sagt René Selzer, ein Vertreter des Dörr-Lagers. Die Galionsfigur der Dörr-Gegner, der frisch gekürte saarländische AfD-Bundestagskandidat, Christian Wirth, will von Spaltung nichts wissen.
    "Ach, das sehe ich nicht so. Ich sehe mal, dass für viele mal die Zeit kommt, wo sie aus Altersgründen kürzer treten sollten."
    Das vorläufig letzte Wort im Hinblick auf eine gültige AfD-Wahlliste für den Bundestag hat am Freitag dieser Woche das Oberlandesgericht des Saarlandes. Es entscheidet darüber, ob die von der ersten Instanz, also die vom Landgericht angeordnete Annullierung der ersten Bundestagswahlliste, Bestand hat.