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AfD-Spaltung im Landtag
Einhellige Kritik im baden-württembergischen Parlament

Die Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg ist von den anderen im Parlament vertretenen Parteien einhellig kritisiert worden. Dabei ist noch unklar, ob es zwei Fraktionen einer Partei überhaupt im Landtag geben kann. Das soll jetzt ein rechtliches Gutachten klären.

Von Uschi Goetz | 13.07.2016
    Der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann im Stuttgarter Landtag vor der Wiederwahl zum Ministerpräsidenten am 12.05.2016.
    Der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann im Mai im Stuttgarter Landtag. Er hatte schon vor der Debatte Stellung bezogen. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    In fraktionsübergreifender Solidarität haben heute die baden-württembergischen Fraktionschefs das Verhalten der AfD im Landtag scharf verurteilt. CDU, Grüne, SPD und FDP riefen die Abgeordneten der sogenannten Alternative für Deutschland dazu auf, den baden-württembergischen Landtag nicht länger für Machtspiele zu missbrauchen.
    "Dieser Landtag ist sicher nicht der Ort für die Hahnenkämpfe einiger AfD-Funktionäre und ich füge hinzu, er ist auch kein Sandkasten für Machtspiele, zum Beispiel von Frau Petry, wenn sie nach Stuttgart kommt und dann Hausverbot erteilt bekommt", sagte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart in einer aktuellen Debatte, die unter dem Thema "Nach der Spaltung der AfD-Fraktion – für einen Parlamentarismus der Verantwortung" stand. Reinhart warf der sich vor genau einer Woche gespaltenen AfD einen bizarren Selbstfindungstripp auf Kosten der Steuerzahler vor. "Das Projekt AfD ist politisch, und ich füge hinzu, aus heutiger Sicht auch moralisch gescheitert. Denn es hat den Ungeist der Spaltung beschworen und darüber selbst gespalten.
    Rechtliches Gutachten zur AfD-Spaltung steht noch aus
    Andreas Schwarz, Fraktionschef der Grünen, warf der AfD ein Schmierentheater vor. "Wir haben erlebt, wie eine neu aufkommende, politische Gruppierung in den Landtag gewählt wurde, vermeintlich, eine neue Alternative für Baden-Württemberg zu sein. Nur wenige Wochen nach der Landtagswahl müssen wir feststellen: Rechtspopulisten sind politikunfähig."
    Der Landtag lässt zurzeit per Gutachten klären, ob es zwei Fraktionen der AfD im Parlament geben kann. Der bisherige AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen und 13 weitere Abgeordnete haben sich von der ursprünglichen Fraktion gespalten und wollen nun die Fraktion der "Alternative für Baden-Württemberg" bilden. Im Moment wird die Gruppe um Meuthen als ein fraktionsloser Zusammenschluss geführt. Bis die verfassungsrechtlichen Gutachten vorliegen, sitzen die Abgeordneten im Plenarsaal zurzeit in den Reihen hinter der Ur-AfD-Fraktion.
    Anlass der Spaltung war ein Streit über den Umgang mit dem Abgeordneten Wolfgang Gedeon, dem Antisemitismus vorgeworfen wird. Seit gestern Abend läuft gegen Gedeon ein Ausschlussverfahren aus der AfD. Heute nutzte der Allgemeinmediziner ein zweiminütiges Rederecht vor dem Parlament, dass ihm als fraktionsloser Abgeordneter zugeteilt wurde, um seine Haltung als sekundären Antisemitismus zu verteidigen: "Dann ist Ralf Dahrendorf, kennen Sie den überhaupt noch, Herr Rülke? Ralf Dahrendorf ist dann auch ein Antisemit und Günter Grass ist ein Antisemit. Ich kann ihnen die Zitate bringen, in zwei Minuten allerdings nicht. Da machen sie aus dem Antisemitismus einen Universalvorwurf, der überhaupt keine inhaltliche Substanz mehr hat."
    In Deutschland gibt es eine rote Linie
    FDP Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zeigte sich fassungslos in der Debatte: "Ich glaube, dieses Parlament und auch die Öffentlichkeit ist am heutigen Tag mit dem Auftritt von Herrn Gedeon wahrscheinlich Zeuge des Unterirdischsten geworden, was es in diesem Parlament in 70 Jahren gegeben hat."
    Während der Debatte äußerte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht zu der Spaltung der AfD, gestern allerdings sagte der grüne Regierungschef: "Die Zerlegung findet ja jetzt statt, weil sie einen Antisemiten in ihren Reihen hatten. Und das zeigt doch immerhin erfreulicherweise, dass offener Antisemitismus in einem deutschen Parlament nicht geht. Es ist immerhin eine erfreuliche Tatsache. Da ist doch eine rote Linie da, die ohne Weiteres niemand überschreiten kann in Deutschland. Das muss man erst einmal positiv werten."