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Zweifel an der Auflösung des rechtsextremen "Flügels"

Bis zum 30. April soll sich der als rechtsextrem eingestufte Flügel der AfD auflösen. Das heißt: Das jährliche Kyffhäusertreffen, die Facebook-Seite oder das Flügel-Logo darf es nicht mehr geben. Das hat der Bundesvorstand vor gut sechs Wochen beschlossen. Doch was wird jetzt passieren?

Von Henry Bernhard | 30.04.2020
Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen spricht auf einer Kundgebung auf dem Anger in Erfurt. Björn Höcke bei AfD Kundgebung in Erfurt
Björn Höcke (AfD) - Mitbegründer des rechtsextremen "Flügels" (imago images / Bildgehege)
Noch ist die Facebook-Seite des "Flügels" der AfD aktiv (Stand: 30.04.2020 07:00 Uhr). Dort wird aufgerufen, Fotos oder Videos vom Kyffhäusertreffen des Flügels runterzuladen, denn am Monatsende sei es mit der Flügel-Präsenz im Internet vorbei. Aufgrund eines Vorstandsbeschlusses der AfD vom März soll der Flügel bis Ende April aufgelöst sein.
Deshalb verabschiedet sich Björn Höcke, neben Andreas Kalbitz die Führungsfigur im "Flügel", von seinen Anhängern. Im Video, das ihn in pathetischer Zeitlupe in immer neuen Posen umjubelt und gefeiert zeigt, steht er vor dem Kyffhäuserdenkmal in Thüringen.
Silhouette von Björn Höcke bei einer Pressekonferenz der AfD nach der Landtagswahl in Thüringen. Im Hintergrund sind Silhouetten von Fernsehjournalisten mit Kamera zu sehen.
"Flügel" der AfD als Beobachtungsfall
Der rechtsnationale "Flügel" der AfD ist für den Verfassungsschutz offiziell ein Beobachtungsfall. Die Frontmänner Björn Höcke und Andreas Kalbitz nennt Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang "Rechtsextremisten" – auf Kritik stößt er damit vor allem bei der AfD.
"Der Flügel wird jetzt bald Geschichte sein, aber der Geist des Flügels, der wird lebendig sein in dieser AfD. Halten wir an diesem Geist fest! Wir sind Willens und in der Lage, diese unsere AfD zur einzigen relevanten Volkspartei in Deutschland zu machen."
Als extremistische Bestrebung beobachtet
Der "Flügel" ist der rechte Rand der AfD. Gründungsdokument ist die "Erfurter Erklärung" von 2015, die die AfD zur "Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Identität Deutschlands" erklärt. Auf den jährlichen "Kyffhäusertreffen" des "Flügels" war die weitere Radikalisierung der Bewegung zu beobachten. Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, die Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus wurden dort zunehmend zu akzeptierten Positionen.
In den östlichen Landesverbänden der AfD, wo die Partei die größten Wahlerfolge erringt, ist der "Flügel" sehr dominant, in westlichen Landesverbänden werden Anhänger des "Flügels" oft für Spaltungen und Zerreißproben verantwortlich gemacht.
Alice Weidel und Alexander Gauland im Bundestag während einer Regierungserklärung zur Bewältigung der Covid-19- Pandemie in Deutschland und Europa im Bundestag in Berlin (23.04.2020)
AfD in der Coronakrise - Abgeschlagen, aber angriffslustig
Krisen sind die Stunden der Exekutive, Oppositionsparteien haben es schwer. Das bekommt auch die AfD zu spüren, deren Umfragewerte in Bund und Ländern sinken. Doch in der Partei hofft man darauf, am Ende von der Coronakrise zu profitieren.
Seit Mitte März wird der "Flügel" vom Verfassungsschutz als extremistische Bestrebung beobachtet. Dessen Präsident Thomas Haldenwang erläuterte damals: "Es ist Tatsache, dass entsprechende Verstöße gegen prägende Merkmale der freiheitlichen demokratischen Grundordnung – Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatsprinzip – konstatiert werden können."
Über die Führungsfiguren der "Flügels", Björn Höcke und Andreas Kalbitz, sagte er: "Beide Personen sind Rechtsextremisten."
Kann der "Flügel" aufgelöst werden?
Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz veranlasste den Bundesvorstand der AfD kurz darauf, die Auflösung des "Flügels" zu verlangen. Fraglich ist, inwieweit sich der "Flügel", dem feste Mitgliederstrukturen fehlen, überhaupt auflösen kann.
Björn Höcke sagte dazu in einem Gespräch auf einer Plattform des neurechten Netzwerks "Ein Prozent": "Ich kann ihn nicht auflösen, weil er niemals formalisiert war. Von daher sind mir die Hände gebunden, als ich nichts auflösen kann."
Von maßgeblichen Personen distanzieren
Und so gehen sowohl Höcke als auch seine Gegner davon aus, dass mit den Personen und deren Einstellungen der "Flügel" weiterhin maßgeblich die Politik der AfD bestimmen wird. Für den Verfassungsschutz sei die formelle Auflösungserklärung ohnehin unerheblich, erläutert dessen Thüringer Amtschef Stephan Kramer, da man Personenzusammenschlüsse beobachte, nicht nur feste Organisationen:
"Für uns kommt es bei diesen Personen-Zusammenschlüssen darauf an, dass sie sich eben durch eine gemeinsame Weltanschauung und durch öffentliche Propaganda beziehungsweise auch öffentliche Auftritte zusammenhalten. Und das ist ja für den Flügel und auch nach den eigenen Verlautbarungen nach wie vor der Fall. Also insofern hat sich für uns durch diese Aktionen jetzt, wie sie nach außen getragen worden sind, überhaupt nichts verändert."
Um sich glaubwürdig vom "Flügel" zu trennen, hätte sich die AfD von dessen maßgeblichen Personen und deren Positionen distanzieren müssen. Beides sei so nicht erkennbar, so Kramer. Das Ende der "Flügel"-Präsenz im Internet, vom jährlichen Kyffhäuser-Treffen und vom Verkauf von Höcke-Stoffbeuteln mag der AfD in der Auseinandersetzung mit ihren Rechtsextremen und mit dem Verfassungsschutz vermutlich nicht wesentlich weiterhelfen.