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Affäre um WM 2006
Welche Rolle spielte der TV-Rechtehändler Infront?

13 Jahre nach dem WM-Sommermärchen 2006 ist der Skandal weder aufgeklärt noch abgeschlossen - auch weil die Justiz lasch ermittelt. Der DFB beauftragte nun selbst eine Wirtschaftsdetektei damit, die Geschäftsbeziehungen zwischen dem deutschen Fußball und dem TV-Rechtehändler Infront zu durchleuchten.

Von Thomas Kistner | 06.09.2019
Eine Kamera steht vor einer Bühne mit dem Logo der Fußball-WM 2006.
Dienten die Millionen-Schiebereine vor der WM 2006 einem Einstieg Beckenbauers ins TV-Rechtegeschäft ? (Symbolbild) (picture alliance / Pressefoto ULMER / Markus Ulmer)
Eine Berliner Wirtschaftsdetektei wurde vom DFB beauftragt, die langjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen deutschem Fußball und der Schweizer Vermarktungsagentur Infront zu durchleuchten. Eingesetzt wurden diese Forensiker zunächst, um mutmaßliche Betrügereien mit der Stadionbanden-Werbung zu untersuchen, an denen Mitarbeiter von Infront und dem DFB beteiligt waren. Nun spielt auch die Sommermärchen-Affäre eine zentrale Rolle.
Ex-DFB-Spitzenfunktionäre angeklagt
Tatsächlich ist ja völlig ungeklärt, wofür zehn Millionen Schweizer Franken über Franz Beckenbauer und später über dessen Kreditgeber Robert Louis-Dreyfus im Jahr 2002 an den FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam nach Katar geflossen sind. Drei Jahre später wurde dieser Betrag vom deutschen WM-Organisationskomitee an die FIFA und von dieser direkt weiter an Louis-Dreyfus geleitet. Wegen der Rückführung eines Privatkredits, die das WM-OK nicht als Betriebsausgabe hätte deklarieren dürfen, eröffnet die Frankfurter Justiz bald eine Hauptverhandlung gegen die drei damaligen DFB-Spitzenfunktionäre Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt. Zugleich hat in der Sache auch die Schweizer Bundesanwaltschaft Anklage wegen Betrugsverdachts eingereicht.
Lasche Ermittlungen der Schweizer Justiz
Dabei konnten beide Behörden den wahren Zahlungszweck der Millionenschiebereien nicht klären. Speziell die Schweizer, scharf in der Kritik wegen ihrer laschen Fußball-Ermittlungen, spekulieren viel und halten an einer von Beckenbauer selbst verbreiteten Erzählung fest, die absurd erscheint: Demnach mussten die Deutschen der FIFA damals zehn Millionen Franken zahlen, um vom Weltverband einen Organisationszuschuss von 250 Millionen Franken zu erhalten – dieses Geld habe er vorgestreckt.
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FIFA-Chefankläger Lauber befangen
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Jedoch sieht es nach Aktenlage so aus, dass die Millionen einem Einstieg Beckenbauers ins TV-Rechtegeschäft dienten. Wichtigster Hinweis ist eine Notiz von Louis-Dreyfus´ Bankberaterin: Demnach habe der damalige Adidas-Eigner die Millionen vorgestreckt, um Beckenbauer die Möglichkeit zu geben, damit TV-Rechte aus dem Nachlass der Kirch-Gruppe zu erwerben. Fakt ist, dass Dreyfus genau zu der Zeit mit befreundeten Investoren die WM-Rechte 2006 aus dem bankrotten Kirch-Imperium erworben und die Agentur Kirch Sports in die Firma Infront umgewandelt hatte. Dabei half Bin Hammam entscheidend mit. Der Katarer agierte für den saudischen Scheich Saleh Kamel, der 20 Prozent der Infront-Anteile erwarb.
Firmengeflecht reicht bis in karibische Steuerparadies
Dass die Strafbehörden der Infront-Spur nicht konsequent nachgingen, ist umso alarmierender, als sich um die lukrativen Anfänge dieser Agentur schillernde Akteure aus der internationalen Sport- und Finanzwelt scharen – und weil dieses Schweizer Firmengeflecht bis in karibische Steuerparadiese reichte. Vielleicht bringen nun die vom DFB beauftragten Forensiker Licht in das Interessensdickicht.