Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Affenalter
Schimpansen in Uganda haben eine erstaunlich hohe Lebenserwartung

Primatologie. - Um die Menschwerdung zu verstehen beobachten viele Forscher unsere nächsten lebenden Verwandten, die Schimpansen. In einigen Nationalparks in Afrika werden seit vielen Jahren Daten gesammelt, nicht nur zu den Fähigkeiten der Tiere an sich, sondern mehr und mehr werden auch Daten zur Demographie gewonnen. Die Daten einer Population von Schimpansen im ugandischen Kibale Nationalpark haben US-Forscher nun zusammengetragen und mit Langzeitdaten anderer Parks verglichen. Die Ergebnisse stellten sie im Journal of Human Evolution vor.

Von Michael Stang | 28.02.2014
    Der Kibale Nationalpark in Uganda gilt als einer der wenigen Flecken unberührter Natur in Afrika. Die Artenvielfalt ist hoch, unter anderem leben hier zahlreiche Primatenspezies. Seit mehr als 25 Jahren beobachten Forscher dort auch mehrere Gruppen wild lebender Schimpansen. Einer der Direktoren des Kibale-Schimpansen-Projekts in einem Kanyawara genannten Areal des Parks ist der US-amerikanische Anthropologe Martin Muller.
    "Wir wollten sehen, wie es um die Sterberaten bei den Schimpansen in Kanyawara bestellt ist. Es gab zwar die Vermutung, dass diese Tiere eine höhere Lebenserwartung als die anderer Gruppen haben, aber Beweise sind schwer zu erhalten, weil Primaten einfach lange leben. Nun haben wir aber Daten aus 25 Jahren beisammen und konnten sie mit denen anderer Parks vergleichen und tatsächlich haben diese Schimpansen aus Kanyawara eine niedrige Sterberate."
    Schimpansen, die in anderen Langzeitprojekten untersucht wurden, etwa Tiere aus Kibale, Gombe, Tai, Mahale und Bossou, haben im Alter von 15 Jahren noch eine Lebenserwartung von weiteren 14 Jahren. Die Tiere aus Kanyawara aber können im Durchschnitt auf weitere 24 Jahre hoffen, also rund ein Jahrzehnt mehr Lebenszeit. Wodurch lässt sich das erklären?
    Muller: "Das ist eine gute Frage und leider müssen wir sagen, es war vermutlich reines Glück. Andere Schimpansen, etwa die im Tai Nationalpark in der Elfenbeinküste hatten da weniger Glück, etwa weil es dort Ebola-Ausbrüche gab, wodurch viele starben. Das kann auch bei unseren Tieren im Kibale Nationalpark passieren, aber bislang hat es keins unsere Tiere erwischt. Oder im Gombe Nationalpark in Tansania: Dort setzt die Besiedlung der Menschen den Tieren extrem zu. Das alles gibt es in Kanyawara bislang nicht."
    Damit können sie hier, so Martin Muller, tatsächlich von einer gesunden Population mit optimaler Lebenserwartung ausgehen. Denn viele Faktoren, die einen frühen Tod bedingen, traten in den vergangenen Jahrzehnten in dieser Schimpansengruppe kaum auf. Auch Faktoren wie die Gruppengröße oder das Geschlechterverhältnis haben sich langfristig kaum auf die Sterblichkeit ausgewirkt. Diese Daten erlauben damit auch erstmals Rückschlüsse auf die Lebenserwartung früher Menschen.
    "Ein interessanter Aspekt für Anthropologen ist, dass unsere Daten nun eine alte Hypothese anzweifeln, nämlich dass unsere Vorfahren erst vor 30.000 Jahren plötzlich eine längere Lebenserwartung hatten und zuvor nur selten jemand älter als 30 Jahre alt wurde. Wenn aber 40 Prozent der Schimpansen dieses Alter erreichen und dann noch zehn, zwölf Jahre älter werden, dann scheint es doch unwahrscheinlich, dass die lange Lebenserwartung bei Menschen erst vor 30.000 Jahren eingesetzt hat."
    Bislang galt die These, dass durch die plötzlich längere Lebenserwartung die Erfahrung und das Wissen in einer Population zugenommen hätten. Dieses "mehr" an Wissen galt somit als Grundlage für die kulturelle Evolution des Menschen, die die Entwicklung neuer Werkzeuge, Waffen, Schmuckstücke und Überlebenstechniken einschloss. Die Ergebnisse der Primatologen lassen jetzt aber vermuten, dass es auch schon in der Frühzeit der Menschen zahlreiche Großväter und Großmütter gegeben hat. Die angeblich plötzliche lange Lebenserwartung vor 30.000 Jahren kann damit also nicht mehr als Motor für die jüngere Evolution der Menschheit angesehen werden.