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Afghanistan
Exit-Strategie gesucht

Das Thema Afghanistan spielt im Wahlkampf kaum eine Rolle. Dabei hat die Lage vor Ort Auswirkungen auf den Westen - es geht um Flucht, um Abschiebung, um internationale Sicherheit. US-Präsident Trump setzt auf die militärische Karte. Details seiner Strategie bleibt er schuldig. Was heißt das für die Verbündeten?

Diskussionsleitung: Klaus Remme | 30.08.2017
    US-Kommandeur John Nicholson (rechts) im Gespräch mit US-Soldaten in der afghanischen Provinz Helmand
    US-Präsident Donald Trump will die Truppen in Afghanistan aufstocken (AFP / Wakil Kohsar)
    Seit sich die Mehrheit der internationalen Truppen 2014 zurückgezogen hat, habe sich die Lage gewaltig verändert, sagte die SPIEGEL-Korrespondentin Susanne Koelbl. Die afghanischen Soldaten stünden nun im Feuerkampf mit hohen und schmerzhaften Verlusten. Sie seien auf die Angriffe der Taliban und anderer extremistischer Gruppierungen nicht vorbereitet gewesen. Für die Bevölkerung habe der Abzug zudem schwere wirtschaftliche Folgen.
    Trump mit oder ohne Strategie?
    Thomas Wiegold, Verteidigungsblog "Augen Geradeaus", freier Journalist , unterstrich, die Ankündigung des US-Präsidenten, den Kampf in Afghanistan weiterzuführen, sei weder neu noch überhaupt eine Strategie. Er habe nicht den Eindruck, dass das, was Trump nun angekündigt habe, mit den Verbündeten abgestimmt war.
    Susanne Koelbl vertrat die Meinung, Trump habe sich eines Besseren belehren lassen und eingesehen, dass man diesen Krieg nicht einfach so "verlassen" könne.
    Alle Diskussionsteilnehmer waren der Auffassung, dass Trump für diesen Krieg keine "Exit-Strategie" habe. Thomas Wiegold hob hervor, es gehe dem US-Präsidenten ausschließlich um Terrorbekämpfung, und das sei das Gegenteil von "Exit-Strategie".
    Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network erklärte, Trumps Bestreben, Indien in die Konfliktlösung stärker einzubeziehen zeige, dass er von der Lage in Afghanistan nichts verstehe. Denn durch die Rolle Pakistans werde der regionale Stellvertreterkrieg in Afghanistan noch verstärkt. Dennoch sei der Konflikt im Land eher ein innerer Konflikt zwischen Modernisierungsbefürwortern und Modernisierungsgegnern.
    Nationbuilding noch gewollt?
    Militär könne nur Zeit kaufen, betonte Susanne Koelbl. Diese Zeit sei aber nie genutzt worden, um erfolgreiche Verhandlungen zu führen. Die Afghanen müssten das ausbaden. Wenn man Militär einsetze, dann helfe das nicht, wenn nicht gleichzeitig die Institutionen des Landes gestärkt würden. China und die USA müssten ihren Einfluss ausüben, um die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen.
    Nach Afghanistan abschieben?
    Afghanistan sei bei weitem nicht sicher genug, um dorthin abzuschieben, es sei allenfalls "unterschiedlich unsicher", sagte Thomas Ruttig. Es sei empörend, Afghanen als Wirtschaftsflüchtlinge zu diskriminieren. Thomas Wiegold meinte, deutsche Behörden schienen zwei Arten von Gefährdung zu sehen: Eine für Ausländer und eine andere für Einheimische. Da würden sich "die Deutschen in die Tasche lügen", und das sei sicherlich innenpolitisch motiviert.