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Afghanistan
Immer mehr zivile Opfer - weniger Abschiebungen

Es ist die höchste Zahl der vergangenen acht Jahre: Laut einem Bericht der Vereinten Nationen ist die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im vergangenen Jahr um drei Prozent gestiegen. Demnach starben 2016 mehr als 3.498 Zivilisten. Fünf deutsche Bundesländer schieben derzeit wegen der Sicherheitslage kaum noch nach Afghanistan ab.

06.02.2017
    Sie sehen Demonstranten, die in Frankfurt am Main gegen die Abschiebung von Afghanen protestieren. Auf einem der Transparente steht "Afghanistan is not safe".
    Im Dezember wurden 34 Afghanen unter Protest von Aktivisten von Frankfurt aus abgeschoben. (AFP / Daniel Roland)
    Im Vergleich zum Vorjahr sind laut UNO zwei Prozent mehr Menschen gestorben und sechs Prozent mehr verletzt worden. Das bedeute insgesamt einen Anstieg der Opferzahlen um drei Prozent, heißt es in dem Bericht zum Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten, den die afghanische UNO-Mission Unama heute veröffentlichte. Seit 2009 erstellt die Unama jedes Jahr einen Bericht zu zivilen Opfern.
    Neben den 3.498 Todesopfern gab es zudem 7.920 Verletzte. Unter den Opfern waren auch viele Kinder - 923 starben, 2.589 wurden verletzt. Im Vergleich zu 2015 sei das ein Anstieg von 24 Prozent und die höchste Zahl von Opfern unter Kindern innerhalb eines Jahres seit Beginn der Unama-Aufzeichnungen zu zivilen Opfern im Jahr 2009. Der Hauptgrund für den massiven Anstieg von Opferzahlen unter Kindern sei die Zunahme von Vorfällen mit achtlos weggeworfenen und übrig gebliebenen Waffen und anderen Kriegsgeräten.
    Rund 61 Prozent der zivilen Opfer schreibt der Bericht sogenannten Anti-Regierungs-Elementen zu, hauptsächlich den Taliban. Etwa 24 Prozent seien wegen Pro-Regierungs-Truppen ums Leben gekommen oder verletzt worden. Zudem sei auch die Zahl der Opfer durch die Terrormiliz IS gestiegen. 209 Menschen starben durch Angriffe des IS, 690 wurden verletzt. 250 Todesopfer und 340 Verletzte schreibt der Bericht Afghanischen und internationalen Truppen zu - im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von fast 50 Prozent.
    Die Vereinten Nationen riefen alle beteiligten Parteien dazu auf, den Einsatz von explosiven Waffen in vor allem von Zivilisten bewohnten Gegenden zu minimieren und sicherzustellen, dass explosive Kriegsgeräte entfernt werden.
    Fünf Bundesländer verweigern Abschiebungen
    Angesichts der Kämpfe zwischen afghanischen Regierungstruppen und radikal-islamischen Taliban-Milizen sehen mehrere Bundesländer derzeit von Abschiebungen nach Afghanistan ab. Wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe melden, nehmen neben Schleswig-Holstein und Berlin auch Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz keine Rückführungen vor. Nur Straftäter und Gefährder würden abgeschoben.
    Das Innenministerium in Hannover teilte den Zeitungen auf Anfrage mit, dass derzeit aufgrund der "nicht hinreichend geklärten Sicherheitslage" Rückführungen nach Afghanistan "im Zweifel bis zur Klärung der Sicherheitslage zurückgestellt werden". Aus Rheinland-Pfalz hieß es, der neueste Bericht des UN-Flüchtlingswerks bestärke das Ministerium in dieser Haltung. In dem Bericht der UN-Organisation heißt es, die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich in den letzten Monaten drastisch verschlechtert. Auch die Bremer Innenbehörde beruft sich auf die Sicherheitslage.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte die Haltung der Länder am Wochenende. Beim Parteitag des CDU-Landesverbandes in Neumünster in Schleswig-Holstein sagte sie, die Entscheidung der dortigen Landesregierung sei nach ihrer "festen Überzeugung" nicht in Ordnung.
    Das Bundesinnenministerium hatte nach dem Abschluss eines Rückführungsabkommens mit Afghanistan im Oktober die Bundesländer aufgefordert, abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben. Im Dezember war mit Sammelabschiebungen begonnen worden - so wurden 34 Afghanen von Frankfurt in ihre Heimat abgeschoben.
    (cvo/jcs)