Donnerstag, 25. April 2024

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Afrika Film Festival Köln
"Teufelskreis, befeuert durch die Weltbank"

Landgrabbing und Migration - in vielen Ländern Afrikas sichtbare Zeichen einer katastrophalen Fehlentwicklung, von fehlgeleiteter Entwicklungshilfe. Der Ausverkauf des Kontinents hat im letzten Jahrzehnt dramatisch zugenommen. Ein Kölner Filmfestival zeigt Aufrüttelndes auf der Leinwand.

Von Dorothea Marcus | 01.10.2017
    Menschen in einem Dorf 50 Kilometer von Gode entfernt, süd-östlich von Addis Abeba, warten auf Lebensmittelhilfen.
    Äthiopien ist regelmäßig von extremen Dürreperioden betroffen, die Menschen sind auf Nothilfen angewiesen. (picture alliance / dpa / Joel Robine)
    "Diese Mine wird es geben. Gott hat diese Schätze für uns vergraben. Niemand wird uns aufhalten…" "Meine Vorfahren starben für dieses Land. Wenn ich dafür sterbe, werde ich nicht die Erste sein…"
    Es ist ein geradezu biblischer Konflikt, der im südafrikanischen Dokumentarfilm "The Shore Break" verhandelt wird. In Amadiba an der Wildcoast von Südafrika lebt das traditionelle Volk der Pondo. Ein australisches Unternehmen will Titan im Tagebau abbauen, eine Mine und eine Schnellstraße durch die traumhafte Landschaft schneisen. Madiba, ein lokaler Unternehmer, engagiert sich mit der ANC-Regierung für das Projekt – und seine Cousine Nonleh wird zur Aktivistin, die das Volk der Pondo um sich sammelt und vor der Vertreibung schützen will. Spannend wie ein Thriller erzählt "The Shore Break" vom erbitterten Kampf innerhalb einer Familie, im Verlauf dessen die Umweltaktivisten massiv bedroht werden. Nonhle Mbuthuma ist zu Gast beim Afrikanischen Film-Festival Köln:
    "Die Mine gilt als Entwicklungsprojekt, aber wir müssen dafür das Land verlassen. Für wen wird denn da entwickelt, wenn wir weggehen? Der Investor arbeitet Hand in Hand mit der Regierung – und die bedroht uns. Und nicht nur das: Der Vorsitzende unserer Bewegung wurde im letzten Jahr bei sich zu Hause getötet. Aber es gab keine Festnahmen. Wir sind nicht gegen Entwicklung. Aber wir wollen eine nachhaltige Entwicklung."
    Die Umweltaktivistin Nonleh hat mit ihrer Gruppe einen Zwischenerfolg erreicht: Durch eine Klage beim südafrikanischen Verfassungsgericht konnte das Vorhaben vorläufig aufgehalten werden. Ein hoffnungsvolles Beispiel von Selbstermächtigung. Das kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der unkontrollierte Ausverkauf afrikanischen Ackerlands gerade in den letzten zehn Jahren extrem zugenommen hat.
    Saudi-Arabien lässt in Äthiopien Reis zum Export anbauen
    "Sie befahlen uns, das Land zu verlassen… Wenn nicht, greifen sie uns an."
    Der Dokumentarfilm "Das grüne Gold", der am 5. Oktober auch in die deutschen Kinos kommt, erzählt in grandiosen und aufrüttelnden Bildern von Äthiopien. Eigentlich – laut G 20 Afrika-Gipfel vom letzten Juni in Berlin – ein "reformorientierter Musterstaat" und Schwerpunkt bundesdeutscher Entwicklungshilfe. In Wirklichkeit aber: Ein autokratisches Regime, eine Bevölkerung, die unter Hungersnöten leidet, Nahrungsmittel importiert – während saudi-arabische Großinvestoren mitten im Land Basmati-Reis zum Exportieren anbauen. Dafür haben sie mit brutalen Mitteln die Landbevölkerung vertrieben, die sich nun bewaffnet. Neue Konflikte im ohnehin konfliktreichen Kontinent. Ein Teufelskreis, befeuert durch vermeintliche Entwicklungshilfe der Weltbank. Der schwedische Filmemacher Joakim Demmer hat mithilfe des äthiopischen Journalisten Argaw Ashine den Geldströmen nachgespürt – am Ende reisen Vertreter der Vertriebenen sogar nach New York.
    "In Äthiopien hilft die Weltbank den Menschen nicht, sie schadet ihnen. Lasst uns vielmehr in Menschenrecht und Menschenwürde investieren – und nicht in die, die ihnen Leid zufügen."
    Die flammende Ansprache bleibt vergeblich. Journalist Ashine dagegen wird von der äthiopischen Regierung mit Gefängnis bedroht – noch während er für "Das grüne Gold" recherchierte, floh er ins Exil in die USA. In Köln versucht Ashine nun, das Bewusstsein des Westens aufzurütteln.
    "Die westliche Welt kann mehr tun, um die Dinge zu ändern. Was wir in diesem Film erstmals tun, ist die Zusammenhänge konkret zu zeigen: Die Quelle des Geldes, die Beteiligung internationaler Organisationen, die Perspektive der lokalen Menschen, vertrieben in Lagern. Sie beginnen nun, Widerstand zu leisten, aber ihre Beschwerde wurde von der Weltbank abgewiesen. Wie viel mehr könnte aber die Bank tun, um den Kreislauf von Hunger, Konflikt und Flucht zu beenden. Ich glaube, dass Europäer sich nach dem Film sagen: Oh, ich bin wirklich Teil von diesem Verbrechen, von diesem Problem. Was kann ich daran ändern."
    Globale Jagd der Investoren nach afrikanischem Ackerland
    Südafrika und Äthiopien sind nur zwei Beispiele für die gerade in den letzten zehn Jahren entfesselte globale Jagd nach afrikanischem Ackerland, heißt es auf einer Podiumsdiskussion des Festivals. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Langsam beginnen auch Aktivisten in Afrika, sich zu vernetzen. Filme aus Afrika, so die Botschaft, sind nicht nur ein spannender Blick in fremde Themen und Leben – sondern ein Vehikel für Bildung und vielleicht für Weltverbesserung.