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Afrika wird wieder grün

In der öffentlichen Wahrnehmung scheint Afrika ein verlorener Kontinent zu sein. Wann immer von dort berichtet wird: Es geht um Bürgerkriege, Hungersnöte und Trockenheit. Manchmal scheint es, als ob 40 Jahre Entwicklungshilfe spurlos in diesem Kontinent versickert sind. Jetzt hat eine Veröffentlichung im britischen Wissenschaftsjournal New Scientist für große Aufregung gesorgt: Die Wüsten Afrikas werden wieder grün, so die Kernaussage, die so ganz im Gegensatz zu dem steht, was noch vor wenigen Tagen auf dem Weltgipfel in Johannesburg erklärt worden ist. Bei den Forschern stehen seit der Veröffentlichung die Telefone nicht mehr still.

Von Dagmar Röhrlich | 23.09.2002
    Afrikas Wüsten ziehen sich zurück. Eine provokante Behauptung angesichts der Schreckensmeldungen von Hunger und Not. Burkina Faso aber, ein Paradebeispiel für die Probleme der Sahel-Zone, scheint in den vergangenen 20 Jahren allmählich wieder grüner geworden zu sein. Chris Reij von der Freien Universität Amsterdam:

    Wir haben versucht, die Situation zwischen 1980 und 2001 zu vergleichen und wir sehen, dass sich die Lage seit damals wirklich verbessert hat. Die Getreideerträge haben sich um 70 Prozent gesteigert, der Grundwasserspiegel ist um fünf Meter gestiegen. Auch wachsen mehr Bäume, die Menschen halten mehr Tiere und setzen auch mehr Dünger auf ihren Feldern ein.

    Einerseits hat sich das Klima verbessert und es fällt etwas mehr Regen. Aber der Hauptgrund ist, dass die Bauern angesichts der Krise ihre Bearbeitungsmethoden fortentwickelt haben. So sammeln sie jetzt den Regen, der auf die Brachflächen fällt und leiten ihn auf ihre Felder. Oder sie pflanzen Setzlinge in Löcher, die sie mit Wasser und Dünger darauf vorbereitet haben. Auch die Hilfsprojekte tragen Früchte, Wasser und Boden werden heute besser geschützt als zur Zeit der großen Dürre in den 70er- und 80er-Jahren.

    In den Dörfern, in denen Mitte der 80er Jahre mehr als ein Viertel der Bevölkerung abgewandert waren, hat dann seit damals niemand mehr das Land verlassen, wenn in größerem Stil der Boden verbessert worden ist.

    Allerdings: Noch gleicht das Ganze einem Flickenteppich. Wenn ein Dorf sinnvolle Anbaumethoden anwendet, kehrt das Grün zurück. Im Nachbardorf, das weitermacht wie bisher, kehrt sich der Trend noch nicht um. Doch es sind bereits viele positive Beispiele, und das macht sich auch beim Blick aufs Ganze bemerkbar. Die Auswertung von Luft- und Satellitenbildern für die gesamte Sahel-Zone zeigt: Die Region, in der die Wüste unaufhaltsam auf dem Vormarsch zu sein schien, wird wieder grün. Noch nicht veröffentlichten Ergebnissen zufolge sind seit 15 Jahren in den Ländern Mauretanien, Niger, Burkina Faso, Tschad, Sudan und Eritrea die Pflanzen auf dem Vormarsch. Bettina Horstmann, Chefin der Afrika-Abteilung im UN-Sekretariat zur Bekämpfung der Wüstenbildung in Bonn, rät jedoch zur Vorsicht:

    Das ist fast zu schön, um wahr zu sein. Ich denke, das muss man differenziert betrachten. Wir hier im Sekretariat mit viel Außenkontakten in Afrika können nicht global bestätigen, dass Afrika grüner wird. So weit wir das jetzt von hier beurteilen können, sind das lokale Phänomene, wo eben bestimmte Projekte interveniert sind, oder bestimmte Aufklärungskampagnen gefruchtet haben, wo dann tatsächlich mehr grün zu Stande gekommen ist. Im Sahel sind die Regenmengen in den letzten Jahren mehr geworden. Aber das ist ein sehr sensibles Gleichgewicht, und klimatisch bedingt. Sobald wieder weniger Regen fällt, ist das Gleichgewicht wieder ganz schnell auf der anderen Seite, und dann haben wir wieder die scharfen Probleme dort.

    Ob die Informationen über das Wachstum der Wüsten, die in der Bonner Zentrale eingehen, richtig sind, beruht jedoch auf Treu und Glauben. Man beginnt jetzt erst, ein Prüfsystem zu etablieren. Genau das ist das Problem, so Chris Reijof:

    Viele haben uns immer nur Horrorgeschichten aus Afrika erzählt, dass es dort immer nur schlimmer und schlimmer wird. Aber über Verbesserungen beispielsweise in Burkina Faso, dass viele Bauern, die mit dem Rücken zur Wand standen, neue Methoden entwickelt haben, darüber wird nicht berichtet. Wenn Hilfs- und UN-Organisationen immer noch vom Fortschreiten der Wüste sprechen, liegt das zum einen daran, dass sie oft keine wissenschaftlich belastbaren Daten aus den einzelnen Regionen haben und zuwenig über die Dynamik in der lokalen Entwicklung wissen. Manchmal haben alle möglichen Agenturen aber auch ein Interesse daran, die Lage zu dramatisieren, um mehr Hilfsgelder zu mobilisieren.

    Dazu, so fährt er fort, neigen auch die betroffenen Regierungen. Das aber sei kurzsichtig, denn irgendwann erscheint es den Gebernationen als sinnlos, noch mehr Geld in die Sahelzone zu pumpen. Dabei ist die Landverschlechterung ein ernstes Problem, das gelöst werden muss – und dafür brauchen die Bauern Unterstützung. Da zudem die Arbeit in der Sahelzone erfolgreich ist, lohnt es sich weiterzumachen. Das, so der Forscher, sollte nicht länger verschwiegen werden.