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Afrikanische Flüchtlinge
Einmal Mallorca und zurück

Tausende Menschen aus Afrika kommen jeden Monat über das Mittelmeer nach Europa. Manche schaffen es bis auf die Baleareninsel Mallorca. Dort zu leben und zu arbeiten ist hart – und für manche endet der Traum im Abschiebegefängnis.

Von Marc Dugge | 01.08.2017
    Ein Strandverkäufer am Strand an der Playa de Palma in S'Arenal, fotografiert am 03.05.2016 in Arenal (Spanien) bei Palma de Mallorca.
    Ein Strandverkäufer am Strand an der Playa de Palma in S'Arenal. "Sie brauchten das Zeug nicht, aber sie kauften es trotzdem, nur, um uns zu helfen." (Jens Kalaene / dpa)
    Wenn es für Fallou ein Wort gibt, das sein Leben beschreibt, dann ist es dieses: "Deception". Deception. Enttäuschung. Er hat seine Familie enttäuscht. Europa hat ihn enttäuscht. Vor allem aber ist er von sich selbst enttäuscht.
    Fallou sitzt in einem Café in Thiès , rund zwei Stunden von Dakar entfernt. Thiès ist eine dieser Städte der Provinz, die besonders viele Sehnsüchte hervorbringt: Nach einem besseren Leben, jenseits von Afrika.
    "Ich war jung damals, als ich mich auf die Reise gemacht habe. Wir hatten hier in Thiès viele Probleme: Vor allem Armut und Arbeitslosigkeit. Außer auf einer Baustelle konnte man hier kein Geld verdienen. Deswegen haben wir uns auf den Weg nach Spanien gemacht."
    Die Überfahrt ist ein Albtraum
    Das war vor elf Jahren. Gemeinsam mit drei Freunden bricht er nach Dakar auf. An einem Strand steigt er in der Nacht auf ein Boot. Die Fahrt nach Spanien wird zum Albtraum:
    "Ich habe vier Menschen an Bord sterben sehen. Einer ist im Meer ertrunken, den drei anderen ging es gesundheitlich irgendwann so schlecht, dass sie im Boot gestorben sind. Wir haben sie dann ins Meer geworfen."
    Vor den Kanaren greift sie ein Boot der Küstenwache auf. Fallou wird medizinisch versorgt, kommt dann in ein Auffanglager auf dem spanischen Festland. Von dort schlägt er sich nach Palma de Mallorca durch. Ein Bekannter der Familie lebt dort. Der finanziert Fallou das Ticket – und vermittelt ihn an die Strandhändler:
    "Wir wurden von unseren Vorgängern eingewiesen. Sie haben uns die Geschäfte der Chinesen gezeigt, wo sie die Waren kaufen: Die Uhren, Kunstobjekte, Ketten, Hüte und so weiter. Billige Sachen. Ich bin dann durch die Restaurants, die Bars, die Strände von El Arenal, um den Touristen den Ramsch zu verkaufen. Sie brauchten das Zeug nicht, aber sie kauften es trotzdem, nur, um uns zu helfen. Denn sie hatten Mitleid."
    Hartes Leben auf Mallorca
    Es ist ein hartes Leben. Das Geld reicht kaum, um die Miete für die Unterkunft zu zahlen. Die Unterkunft: Ein karges Zimmer, das er sich mit zwei weiteren Senegalesen teilt. Irgendwann kommt die spanische Wirtschaftskrise. Die Geschäfte laufen schlecht. So schlecht, dass sie sich auch das einfache Zimmer nicht mehr leisten können. Fallou schläft auf Baustellen oder am Strand, unter freiem Himmel. Er sieht eine sehr düstere Seite von Mallorca. Eine, die Touristen so gut wie nie zu sehen bekommen. Dann findet alles ein plötzliches Ende:
    "Es war morgens, ich wollte gerade Brot kaufen gehen. Da kamen Polizisten auf mich zu und forderten mich auf, zum Kommissariat mitzukommen. Dort musste ich dann für drei Tage in Haft. Nach einem schnellen Gerichtsverfahren wurden wir zum Flughafen gebracht und weiter zu einem Abschiebezentrum nach Granada."
    Drei Monate bleibt er in Abschiebehaft. Dann reist er zurück nach Dakar. Anders als vier Jahre zuvor nicht im Boot, sondern im Flugzeug. In Polizeibegleitung. Und dann weiter mit dem Bus nach Thiès, zur Familie. Fallou wird nie die Blicke vergessen, die ihn dort empfangen. Die Blicke, in denen sich Vorwurf und Enttäuschung spiegeln:
    "Ich hatte meine Familie vier Jahre lang nicht mehr gesehen. Jeder fing an, zu weinen. Ich, meine Mutter, meine Brüder, meine Tanten. Natürlich war da Enttäuschung. Klar, wenn ich mal 100 oder 150 Euro verdient habe, habe ich die nach Hause geschickt. Aber immerhin habe ich überhaupt etwas schicken können. Andere konnten das nicht, weil sie dort gestorben sind."
    Schwerer Start in der alten Heimat
    Fallou muss wieder bei Null anfangen. Eine Berufsausbildung hat er nicht. Deswegen ist er jetzt, zehn Jahre später, wieder dort, wo er mal angefangen hat: Auf einer Baustelle, als Tagelöhner. Wenn es denn mal Arbeit dort gibt. Nochmal nach Europa? Nur auf legale Weise, sagt er. Doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen.
    "Ich bin jetzt 35 Jahre alt und ich kann mir nicht mal ein Fahrrad kaufen. Das ist hart. Es gibt soviel Armut hier. Die Regierung muss doch in die jungen Menschen investieren. Nur dann bleiben sie auch!"