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Afrikanische Savanne
Bäume ergrünen vor der Regenzeit

Manche Bäume in den Savannen Afrikas warten nicht bis zum ersten Regen, um frische Blätter zu bilden. Sie schlagen schon früher aus. Bisher galt das als lokale Besonderheit. Doch offenbar handelt es sich um ein weit verbreitetes Phänomen - mit potenziell weitreichenden Folgen.

Von Lucian Haas | 15.10.2018
    Blick über die Landschaft des Massai Mara Nationalparks in Kenia. Auf einem Baum sitzen zwei Geier und beobachten ihre Umgebung auf der Suche nach Nahrung.
    Bäume in der Savanne ergrünen mitunter schon einige Wochen vor den saisonalen Niederschlägen. (dpa)
    Die Natur in großen Teilen Afrikas kennt keine Jahreszeiten wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Das Klima ist dort vom Wechsel zwischen Trockenzeit und Regenzeit geprägt. Die Nigerianerin Tracy Adole, die heute an der University of Southampton als Umweltwissenschaftlerin arbeitet, kennt das noch aus ihrer Kindheit.
    "Als ich aufwuchs, wussten wir alle: In Afrika muss man auf den Regen warten, damit die Pflanzen zu wachsen beginnen. Sie brauchen den Regen und die Feuchtigkeit, um zu überleben."
    Satellitenbilder zeigen frühzeitiges Ergrünen
    Allerdings gibt es immer wieder anekdotische Berichte darüber, dass manche Pflanzen Afrikas schon Blätter treiben, bevor die Regenzeit beginnt. Tracy Adole wollte dem auf dem Grund gehen und machte einen Test: Lässt sich ein frühzeitiges Ergrünen auf Satellitenbildern nachweisen, und wie weit verbreitet ist das Phänomen? Ihre Auswertung, die ganz Afrika erfasst, zeigt deutlich: Vor allem Bäume in den Savannenlandschaften südlich der Sahara können tatsächlich über weite Landstriche hinweg bereits einige Wochen vor der Regenzeit neue Blätter treiben.
    "Pflanzen brauchen Wasser in ihrem Wachstumszyklus. Dennoch wird dieses Ergrünen, der Start der Wachstumsphase, nicht vom Regen ausgelöst, sondern von etwas anderem. Das hat mich am meisten überrascht."
    Tracy Adole nutzte Daten der MODIS-Spektralradiometer, die auf den Satelliten Terra und Aqua der Nasa installiert sind. Auf den speziellen Bildern der Erdoberfläche lassen sich der lokal vorherrschende Vegetationstyp – zum Beispiel Waldgebiete, Grasland oder landwirtschaftliche Pflanzen – und ihr Zustand – ergrünt oder trocken – anhand typischer Farbspektren klassifizieren. Pixel für Pixel.
    "Das ist wie der Lebenszyklus der Vegetation. An einem Punkt wird es schon grün, an einem anderen noch nicht."
    Woher wissen die Bäume, dass sie ausschlagen sollen?
    Die Forscherin verrechnete 16 Jahre von solchen MODIS-Vegetationsdaten mit den zugehörigen Niederschlagsstatistiken für Afrika. Nun steht sie vor der Frage, woher die Bäume schon vor der Regenzeit wissen, dass sie ausschlagen sollen.
    "Hierzu gibt es mehrere Theorien. Eine davon besagt, dass die Pflanzen eine Art innere Uhr dafür entwickelt haben. Andere sehen in der Tageslänge, also der Zahl der Sonnenstunden pro Tag, den Taktgeber für die Pflanzen, um zu entscheiden: Jetzt ist es Zeit zu ergrünen."
    Auch Temperatur oder Luftfeuchtigkeit könnten triggernde Faktoren sein. Allerdings wandelt sich auch in Afrika das Klima. Niederschlagsmuster verändern sich, es wird heißer. Wie werden die Bäume mit der Tendenz zum frühen Ergrünen darauf reagieren? Tracy Adole macht sich Sorgen:
    "Der Klimawandel könnte zu katastrophalen Situationen führen"
    "Wenn es in Zukunft starke regionale Veränderungen beim Niederschlag oder der Temperatur geben wird, was wird das vor allem für Waldgebiete bedeuten? Wenn man sich anschaut, wie weit verbreitet dieses vorzeitige Ergrünen vor der Regenzeit ist, dann kann man sich vorstellen, dass der Klimawandel zu katastrophalen Situationen führen könnte. Die Pflanzen ergrünen, aber der Regen bleibt aus. Was passiert dann? Sie sterben."
    Noch ist das nur eine Hypothese. Belegt ist allerdings, dass die Savannenlandschaften Afrikas für das Weltklima eine wichtige Rolle spielen, weil sie beim Wachstum in der Regenzeit viel CO2 binden. Wenn es nach Tracy Adole ginge, sollten Klimaforscher in ihren Vegetationsmodellen das frühe Ergrünen Afrikas künftig mit berücksichtigen, um die möglichen Folgen des Klimawandels in dieser Region besser abschätzen zu können.