Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Afrikanisches Menschenrechtsabkommen
40 Jahre Charta von Banjul

Bereits bei ihrer Verabschiedung am 27. Juni 1981 in Gambias Hauptstadt Banjul, stand die "Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker" im Verdacht, ein zahnloser Tiger zu sein. Doch die Urkunde hat in den vergangenen 40 Jahren vieles bewirkt.

Von Bettina Rühl | 27.06.2021
    Schwarz-weiß Foto von Ugandas Ex-Diktator Idi Amin (undatiertes Archivbild), bekannt als "Schlächter von Afrika".
    Undatiertes Bild von Idi Amin - gegen Gewaltherrscher wie den Diktator von Uganda und "Schlächter von Afrika" richtete sich die Idee der "Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und Völker" (dpa / epa)
    Der "Independence Cha Cha" – mit diesem Lied feierte die kongolesische Bevölkerung im Juni 1960 ihre Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Belgien. Die systematische und brutale Ausplünderung der Bevölkerung durch den belgischen König Leopold II. wurde später unter der Bezeichnung "Kongogräuel" bekannt. Die Zahl der Opfer wird auf bis zu zehn Millionen geschätzt. Immer mehr afrikanische Länder wurden unabhängig.
    Sie sehen eine große Menschenmenge, im Hintergrund werden Banner und Poster hochgehalten.
    Kongo - Ausbeutung und Gewalt bis heute Nachdem Joseph Kabila als Präsident des Kongo abtrat, sollte der Oppositionspolitiker Félix Tshisekedi folgen. Doch die lange Leidensgeschichte des Lands stimmt misstrauisch, ob sich etwas ändert – ein Rückblick von 1885 bis heute.
    Nicht überall hatte die Kolonialherrschaft so grausame Folgen gezeitigt wie im Kongo, aber schwere Menschenrechtsverletzungen waren in allen Kolonien an der Tagesordnung. Das war der Hintergrund, vor dem sich 1961 in Lagos erstmals die Internationale Kommission der Juristen traf, und über die einer Menschenrechtscharta debattierte. und tatsächlich wurde 1979 wurde in Monrovia der Entwurf einer Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und Völker vorgestellt

    Nach der Unabhängigkeit machte sich Ernüchterung breit

    Carine Kaneza-Nantulya arbeitet für die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Ihr Schwerpunkt ist das afrikanische Menschenrechts-Schutzsystem. Nach der Begeisterung über die Unabhängigkeit wurde schnell klar:
    Die Bevölkerung war den Herrschenden immer noch schutzlos ausgeliefert, auch wenn die Regierenden nun aus den eigenen Reihen kamen. Sie verweist etwa auf Idi Amin Dada, der Uganda von 1971 bis 1979 terrorisierte und den Mord von bis zu 500.000 Menschen befohlen haben soll, aber:
    " zwischenzeitlich sogar die Organisation der Afrikanischen Einheit leitete. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, bis die afrikanische Bevölkerung und zivilgesellschaftliche Organisationen sagten: Wir haben es geschafft, die politische Unabhängigkeit zu erlangen. Aber jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Würde, die Menschenrechte und die Freiheit der afrikanischen Bevölkerung geschützt werden. Diesmal vor den Übergriffen ihrer eigenen Herrscher."
    Das Still aus dem Film "African Mirror" zeigt den Schweizer Filmemacher René Gardi.
    Chancen und Grenzen postkolonialen Denkens Im wissenschaftlichen Denken herrschen nach wie vor eurozentristische Maßstäbe, verbreitet von Kolonisatoren, aber auch Aufklärern. Nicht nur im Globalen Süden kämpfen Forscher für eine postkoloniale Denkweise.

    Menschenrechtskommission und Gerichtshof folgten

    Am 27. Juni 1981 wurde die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker verabschiedet. Im Gegensatz zu anderen regionalen Menschenrechtsinstrumenten enthält die Präambel keinen Verweis auf die Achtung demokratischer Prinzipien und kein Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit. Die enthaltenen individuellen Rechte umfassen aber auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Dazu gehört der Schutz des Lebensraums für indigene Völker, das Recht auf die eigene Kultur - beispielsweise eine Existenz als Jäger oder Waldbewohner.
    Um diese Rechte zu schützen und zu fördern, wurde eine Menschenrechtskommission gebildet, die 1987 die Arbeit aufnahm. Die Journalistin Ann Blancard brachte damals ein Kernproblem auf den Punkt. Denn: "Die Beratungen und Berichte dieser Kommission sind vertraulich und dürfen nur mit der Zustimmung der afrikanischen Staats- und Regierungschefs veröffentlicht werden.

    "Die Charta ist ein Werkzeug"

    Eine weitere Schwachstelle: Die Urteile der Menschenrechtskommission sind nicht rechtlich bindend. Das änderte sich immerhin, als 2004 der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen wurde, der zwei Jahre später seine Arbeit aufnahm. Aber: Es gibt weiterhin keine Handhabe, die Urteile durchzusetzen. Der Jurist Maurice Glegl war einer der Autoren der Charta. Er wisse, dass sie keineswegs perfekt sei, sagt er: aber es ist besser, mit einem schlechten Werkzeug zu arbeiten als mit gar keinem. Die Charta ist ein Werkzeug, das man nutzen muss, um unsere Gesellschaften zu verändern.
    Der ehemalige Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
    Afrikanische Machthaber sehen sich rassistisch verfolgt Kriegsverbrecher und Diktatoren sollen nicht straflos bleiben – das war die Idee, als der Internationale Strafgerichtshof 2002 seine Arbeit aufnahm. Doch mehrere afrikanische Länder haben ihren Rückzug erklärt: Es würden nur Afrikaner verurteilt.
    So gab es beispielsweise bahnbrechende Entscheidungen gegen Regierungen und zugunsten von Volksgruppen, die aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben worden waren. Nicht alle, aber einige davon wurden umgesetzt. Über Menschenrechte und deren Schutz aufzuklären, ist eines der wichtigsten Ziele. So wird es für die afrikanischen Regierungen immer schwerer, die Urteile zugunsten von Menschen und Völkern zu ignorieren.