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Agenten und Spione
Mit der Lizenz zur Einsamkeit

Geheimdienste wie der KGB, die CIA oder der BND arbeiten im Verborgenen. Da versteht es sich von selbst, dass eine wissenschaftliche Untersuchung der operativen Arbeit der Nachrichtendienste so gut wie unmöglich ist. Doch die Schweigemauer der Geheimniskrämer scheint brüchig zu werden.

Von Wolfgang Noelke | 12.11.2015
    Sean Connery als James Bond in der Badewanne am Telefonieren und Zeitschrift durchblättern, Schwarz-Weiß-Foto
    Sean Connery in der Wanne als James Bond in Diamonds Are Forever (imago / Entertainment Pictures)
    "Ich finde das so schön, wenn man mit ehemaligen Nachrichtendienstlern redet - und das ist völlig systemunabhängig, ob das im ehemaligen Osten oder im ehemaligen Westen oder im mittleren Osten ist. Das erste, was dir einer erzählen würde, wenn man das Thema Nachrichtendienste anspricht - das sieht auch aus, die bedauern das irgendwie: 'Das Leben eines Nachrichtendienstlers ist auch überhaupt nicht wie James Bond.' Das sagen sie alle und die sagen das normalerweise alle als das aller erste. Mein Name ist Thomas Wegener Friis und ich bin Professor für neueste dänische Geschichte an der Süddänischen Universität, derzeit in Tel Aviv. Da starten Sie gerade eine Masterausbildung in Nachrichtendiensten und da bin ich von vornherein mit dabei.
    Ein weltweit seltener Studiengang, dessen Absolventen vielleicht Karrieren als Berater oder Führungskräfte moderner Geheimdienste beginnen – auf jeden Fall mit der Lizenz zur Einsamkeit:
    "Das Agentenleben trägt mit sich ein großes Geheimnis, das man schwierig mit jemandem teilen kann und wo andere Bindungen, sagen wir, Familie, Kinder, Freunde die Arbeit belasten könnte."
    Falls man keinen starken Charakter hätte. Agenten hätten über Heldentaten zu schweigen. Nichts für Prahlereien nach Feierabend im Freundeskreis, der – sowieso – berufsbedingt - sehr übersichtlich wäre.
    "Sein einziger wahrer Freund ist sein Arbeitgeber, ist der Dienst und ich würde sagen, da liegt schon ein Stück Wahrheit begraben. Das kennen wir auch aus der Geschichte der Nachrichtendienste und das ist auch ein Anreiz. Das ist irgendwas, was den auch an der Arbeit festhält. Also, wenn man diese soziale Relation aufgebaut hat, zwischen Agent und Dienst, dann ist es für den Agent ungemein schwierig, daraus wegzugehen. Weil der, wenn er seinen Agenten Job kündigt, hat er auch gleich seinem besten Freund gekündigt."
    Der Ausstieg aus einer solchen Bindung dürfte sich schwieriger gestalten, als der Ausstieg aus einer religiösen Sekte. Zumal beim Arbeitgeber Geheimdienst noch empfehlenswert wäre, auch gegenüber dem Kollegenkreis schweigsam, bis misstrauisch zu sein. Denn wer auf wessen Seite steht, ist manchmal nicht erkennbar:
    "Mein Name ist Bernd Schäfer. Ich bin aus Deutschland, aber ich lebe seit 14 Jahren in den USA, bin an der George Washington University am Woodrow Wilson Center. Ich bin Historiker."
    Der unter anderem den Fall des berühmten Doppelagenten der 60er -Jahre erforscht: Heinz Felfe saß im Zentrum des Bundesnachrichtendienstes.
    "Er wurde rekrutiert von einem BND-Mann, der bereits für den KGB arbeitete. Er hat Agenten geführt aus der DDR, die für den BND arbeiteten oder vorgaben, für den BND zu arbeiten, in Wirklichkeit aber auch vom KGB umgedreht wurden und hat dann im Grunde genommen eine Show inszeniert, dass der BND Agenten in der DDR hat, die für die Westdeutschen arbeiten, aber in Wirklichkeit für den KGB gearbeitet haben und Felfe hat dann beides koordiniert und hat jede Menge Informationen dann an den KGB weitergegeben. Weil, Felfe war auch zuständig für die Sicherheitsüberprüfung bundesdeutscher Offizieller in den Nachrichtendiensten und auch in der Regierung. Und die Daten, die er da bekommen hat, bei diesen Ermittlungen, hat er dann dem KGB auch weitergegeben, durch sehr geschickte Dreiecks- Operationen."
    Angesichts so oft umgedrehter Agenten wurde es den befreundeten amerikanischen Geheimdienstlern regelrecht schwindelig, als die Sache aufflog:
    "Und eine Lehre, die die Amerikaner seit 1961 daraus gezogen haben ist, dass der bundesdeutsche BND nur bedingt zuverlässig ist, weil er immer wieder von östlichen Geheimdiensten durchsetzt ist. Dass man deshalb die Zusammenarbeit mit dem BND auf keinen Fall noch einmal so eng machen sollte, wie das bis zum Mauerbau gewesen ist, weil die USA dadurch selbst Schaden nimmt. Also, die Reputation des bundesdeutschen Nachrichtendienstes hat enorm gelitten, in den Augen der Amerikaner, dadurch dass der BND nicht in der Lage war, seine eigenen Reihen von östlicher Penetration fernzuhalten."
    Dieses Misstrauen gegenüber den Deutschen sei bis heute unverändert, obwohl man – wenn eine Falschinformation gerade passt, natürlich auch diese gern verwertet. Zum Beispiel, die, über Saddam Husseins angebliche Giftgasfabriken, immerhin Auslöser des Irak- Krieges:
    "Wie man weiß, waren diese Informationen dann noch falsch. In diesem Fall liegt die Beantwortung aber eindeutig bei der amerikanischen Seite, bei der damaligen Regierung, die ganz bewusst diese Informationen so benutzen wollte und die auch die eigenen Geheimdienststrukturen dann zum Teil übergangen hat und gezwungen hat, gewisse Dinge weiterzugeben und gewisse Dinge zurückzuhalten. Das ist ein Extrembeispiel, wie man nachrichtendienstliche Erkenntnisse für politische Zwecke einsetzt und da war der BND halt nur ein Bauer in dem ganzen Spiel. Aber es war eben ein BND Agent, der gewisse falsche Dinge weitergegeben hat, die aber zu dem Zeitpunkt genau ins politische Kalkül passten."
    Der Faktor Mensch, der in der Greifswalder Tagung im Mittelpunkt stand, ist demnach unzuverlässig, aber genau so unverzichtbar. Geheimdienste werden ihre eigenen Fehler weniger dokumentieren, wie die der gegnerischen Dienste. Der Wahrheit näher kommen Forscher, wie zum Beispiel der Östreicher Philipp Lesiak demnach mehr in gegnerischen Karteikästen, so diese denn offen stehen:
    "Auf der einen Seite, in der nachrichtendienstlichen Forschung hat man einen riesen Vorteil, dass es 1989 bis 1991 große Regimewechsel gegeben hat. Und dass die neuen Regime - ich will jetzt nicht wertend sein - dass auch die neuen Regime natürlich große Interessen gehabt haben, die Sauereien der vorhergehenden Regime aufarbeiten zu lassen."
    Diese Aufarbeitungen präsentieren dann oft das Sündenbuch, das Wissenschaftler bei ihren ihren nationalen Geheimdiensten bislang vergeblich suchten. Irgendwie Verständlich...
    "Unsere Nachrichtendienste haben sehr wenig Interesse, dass Historiker da groß herumarbeiten, da drinnen. Das Bewusstsein ist kaum da. Bei uns in Österreich gibt es genau einen Forscher. Das ist der Siegfried Beer, der das aus Amerika importiert hat, nach Österreich praktisch. Der hat diese Idee, die Intelligence Studies nach Österreich gebracht und versucht, das aufzubauen."
    Dies wäre dann weltweit das zweite Studienangebot, denn der Computer kann Menschen nicht ersetzen, auch unzuverlässige nicht. Und was bleibt von der Greifswalder Tagung, Professor Thomas Wegner Friis?
    "Es wird vermutlich in ein paar Jahren auch ein Buch heraus erscheinen und - es ist ganz wichtig: Gleich ist Kaffeepause, dann gehen die Forscher vom Iran, über Polen, aus USA, Kanada und aus fast der meisten Welt - die gehen dann raus, Kaffeetrinken, eine rauchen und da entstehen neue Projekte.Wir können miteinander skypen, über lange Distanzen, aber eine Kaffeepause können wir nicht ersetzen. Der Faktor Mensch ist im Nachrichtendienst, wie in der Wissenschaft ganz entscheidend."