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Agententhriller erster Güte

Der Londoner Stadtteil Mayfair, auf halber Strecke zwischen Buckingham Palace und Picadilly Circus. Es ist eine der teuersten und exklusivsten Gegenden im Zentrum der britischen Hauptstadt. Banken und internationale Investmentfonds haben in den Altbauten ihren Sitz - auf den Straßen sieht man Chauffeure am Steuer ihrer Rolls Royce. Es wäre eine typische Kulisse für einen James-Bond-Film, und tatsächlich hat in diesem Londoner Stadtteil Anfang November ein Kriminalfall begonnen, der an scheinbar vergangene Zeiten erinnert.

Von Tobias Armbrüster | 08.12.2006
    " Es ist eine außergewöhnliche Entwicklung. Meine ehemaligen Kollegen im Geheimdienst sagen, es sei wie eine Rückkehr in den Kalten Krieg. Auf einmal redet man in diesen Kreisen wieder über "den KGB", über die russische Sprache und russische Spione. Die Debatten über Jihad-Kämpfer und islamistische Terroristen sind plötzlich verstummt, es weht wieder der Wind des Ost-West-Konflikts."

    Glenmore Trenear-Harvey ist ein ehemaliger Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes, heute arbeitet er als Sicherheitsberater und Fernseh-Kommentator. Er war ein Freund von Alexander Litwinenko, jenem ehemaligen russischen Agenten, der hier in Mayfair Anfang November mit der radioaktiven Substanz Polonium 210 vergiftet wurde. Geschehen ist es vermutlich in einem Sushi-Restaurant. Trotz intensiver Pflege im Krankenhaus ist Litwinenko drei Wochen nach der Vergiftung gestorben. Ein qualvoller Tod - seine Organe wurden langsam von innen zerstört. Gestern wurde Litwinenko in London begraben - in einem luftdicht verschlossenen Sarg, der eine Kontaminierung der Friedhofserde verhindern soll. Noch immer wirft der Fall fast täglich neue Fragen auf, die wichtigste: Warum wurde der Ex-Agent ermordet? Glenmore Trenear-Harvey.

    " Alexander Litwinenko hat nach seiner Zeit beim KGB für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB gearbeitet. Dort war er zuständig für interne Ermittlungen, also für Verbrechen in den eigenen Reihen. Er hat zahlreiche Fälle von Bestechung und Erpressung aufgedeckt. Viele Offiziere mussten aufgrund seiner Ermittlungen ihren Hut nehmen. Er hat Karrieren zerstört und sich so viele Feinde gemacht. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich einige von diesen Leuten an Litwinenko rächen und ihn töten wollten."

    1988 begann Alexander Litwinenko seine Tätigkeit für den russischen Geheimdienst. Zehn Jahre später hat er den Dienst quittiert, nachdem er eigenen Angaben zufolge aufgefordert wurde, den russischen Oligarchen Boris Berezovsky umzubringen. So wurde er mit einem Schlag vom Agenten zum Kritiker der russischen Regierung. Kurze Zeit später ist er mit Frau und Kind nach Großbritannien ausgewandert, nachdem es in Russland für ihn zu gefährlich geworden war. In London hat er an unbekannter Adresse gelebt, mehrmals hat er gesagt, er wisse, dass der russische Geheimdienst ihn nicht aus den Augen verloren habe. Die meisten Experten, die sich zu dem Fall äußern, gehen deshalb davon aus, dass dieser Mord in irgendeiner Form auf das Konto russischer Agenten geht. Manche warnen allerdings auch vor allzu schnellen Schlussfolgerungen. Der Militär-Historiker Nigel West.

    " Viele Leute kennen sich vielleicht mit Agenten-Krimis aus, aber die Tatsache ist, dass es seit den 50er Jahren keinen Fall gegeben hat, in dem die Russen einen abtrünnigen Agenten umgebracht haben. Sicher, es gab immer wieder Anschläge auf Dissidenten, etwa auf Mitarbeiter bei Radio Free Europe in München in den 70er Jahren. Aber russische Geheimagenten, auch solche, die in den Westen übergelaufen sind, haben in den letzten 50 Jahren sehr sicher gelebt."

    Vor allem die britischen Zeitungen und Fernsehsender vermitteln schon seit Wochen den Eindruck, die Schuld des russischen Geheimdienstes sei bereits bewiesen. Diese Art der Berichterstattung habe ihren Grund, sagt Richard Beeston, er leitet das Auslands-Ressort der Times, und er hat in den 90er Jahren für die Zeitung als Korrespondent in Moskau gearbeitet.

    " Es ist natürlich ein Vorwurf, den sie den Medien leicht machen können. Immer wieder höre ich, dass die Zeitungen nur auf eine Story mit Agenten aus sind. Aber zumindest wir hier bei der Times sind alle anderen Möglichkeiten durchgegangen, und wir halten diese Alternativen für nicht schlüssig - etwa dass es Litwinenkos eigene Leute waren, oder dass der Mord aufs Konto der russischen Mafia geht. Das erscheint unwahrscheinlich, wenn Sie sich die Umstände des Falls ansehen. Vor allem das Polonium 210, an dem er gestorben ist, bekommen Sie nur über eine staatliche Organisation. Davon ist inzwischen auch der britische Geheimdienst überzeugt. Und nicht zuletzt hat Litwinenko von seinem Krankenbett aus Präsident Putin beschuldigt. Das hätte er nicht gemacht, wenn er eine andere Überzeugung gehabt hätte. Es sind einfach einige Indizien, die in Richtung der russischen Behörden zeigen. "

    Diesen Vorwürfen geht seit gestern nicht nur die britische Generalstaatsanwaltschaft nach, sondern auch die russische - sie eröffnete ein eigenes Strafverfahren wegen Mordes und schließt ihrerseits nicht aus, eigene Leute nach Großbritannien zu entsenden, um den Briten in nichts nachzustehen. Denn seit Anfang der Woche ermitteln mehrere Beamte von Scotland Yard in Moskau, offiziell sind sie dort auf Einladung der russischen Regierung. Sie erhoffen sich vor allem Erkenntnisse von den ehemaligen KGB-Agenten Andrei Lugovoi und Dimitri Kowtun. Die beiden haben Litwinenko am Tag seiner Vergiftung in Mayfair getroffen, um wie Lugovoi sagt, über ein Geschäft zu reden. Bei beiden Ex-Spionen wurden später ebenfalls Spuren von Polonium 210 festgestellt, im Falle Kowtun ermittelt die russische Justiz jetzt gar wegen versuchten Mordes. Berichte, Kowtun sei nach einer Befragung durch die Ermittler ins Koma gefallen, bestätigten sich allerdings bisher nicht. Auch Lugovoi befindet sich zurzeit in einem Moskauer Krankenhaus. Ob er dort behandelt wird, oder ob er lediglich vor den Fragen der Ermittler von Scotland Yard geschützt werden soll, auch darüber wird zurzeit in britischen Medien spekuliert. Der Geheimdienst-Experte Glenmore Trenear-Harvey ist überzeugt, dass der Fall Litwinenko auch die Regierung in Moskau überrascht hat. Der russische Geheimdienst habe hier eigenmächtig gehandelt, ohne die Zustimmung von ganz oben.

    " Für Präsident Putin ist dieser Fall extrem unangenehm. Vor allem, weil die Geschichte genau zu dem Zeitpunkt öffentlich wurde, als er das EU-Ministerpräsidententreffen in Helsinki besucht hat. Putin geht auf das Ende seiner Amtszeit zu, im nächsten Jahr will er abtreten, und er arbeitet an seinem Platz in den Geschichtsbüchern. So ein Mordvorwurf ist in dieser Situation das Gegenteil von dem was er will - und meine Kontakte in Moskau sagen mir, dass Putin außer sich ist vor Wut. Er hat sogar eine eigene, interne Untersuchung des Falls in Auftrag gegeben. Dass er die Erkenntnisse daraus mit den britischen Ermittlern teilen wird, halte ich allerdings für unwahrscheinlich. "

    Möglich ist aber auch, dass der Tod von Alexander Litwinenko in direktem Zusammenhang steht mit dem Ende von Putins zweiter Amtszeit. So sieht es der Times-Journalist Richard Beeston. In Moskau habe ein Machtkampf um die Nachfolge von Präsident Putin begonnen. Litwinenko habe dabei im Weg gestanden.

    " Einige Berater des Präsidenten würden Putin gerne überzeugen, die Verfassung zu ändern, um noch länger im Amt zu bleiben. Und die meisten wollen, dass Russland eine härtere Linie gegenüber seinen Partnern im Westen verfolgt. Für diese Leute ist es wichtig, alle Gegner zu eliminieren, die sich ihnen in den Weg stellen. Das Haus soll sozusagen saubergehalten werden. Litwinenko war für diese Gruppe eine Bedrohung und eine Provokation, weil er nach Großbritannien ausgewandert ist. Ich weiß, dass diese Theorie von mehreren internationalen Geheimdiensten vertreten wird."

    Die engsten Freunde von Alexander Litwinenko gehen noch einen Schritt weiter, sie sagen, der Ex-Agent und Buchautor wurde auf Anweisung von Präsident Putin vergiftet. So hat es Litwinenko selbst vom Krankenbett aus formuliert. - Wen auch immer man verdächtigt, fest steht bereits heute, dass der Fall die Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien auf die Probe stellt, und damit auch das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union. Der britische Premier Tony Blair hat bereits kurz nach Litwinenkos Tod angekündigt, bei den Ermittlungen werde es weder diplomatische noch politische Hürden geben, eine geschickt formulierte Kampfansage an alle, die sich den Beamten von Scotland Yard in den Weg stellen wollen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in dieser Woche gesagt, der Fall sei beunruhigend, sie hat die russischen Behörden zu stärkerer Kooperation aufgefordert. Auf russischer Seite werden die Emotionen weniger verblümt ausgedrückt: Außenminister Sergej Lawrow spricht von einer inakzeptablen Kampagne gegen die russische Regierung. Präsident Putin hat schon vor Wochen jede Verwicklung seines Landes in den Fall abgestritten. - Die passive Haltung der russischen Regierung könnte die Lage allerdings weiter verschärfen. Der Times-Journalist Richard Beeston vermutet, dass man sich in London bereits Gedanken darüber mache, wie Russland für diesen Mord bestraft werden könnte.

    " Wenn sich herausstellen sollte, dass russische Agenten Polonium 210 nach London gebracht und Teile der Stadt damit kontaminiert haben, dann wird das Konsequenzen haben, da besteht für mich kein Zweifel. Einige Geheimdienstleute haben mir gesagt, dass es durchaus Sanktionen geben könnte wie in den 70er Jahren, damals wurden einhundert russische Diplomaten des Landes verwiesen. So würde man die russische Regierung bestrafen und ihr zeigen, dass sie einen Preis zahlen muss für ihr Vorgehen."
    Der Tod von Alexander Litwinenko schlägt sich aber auch in der britischen Innenpolitik nieder. Die konservative Opposition sieht in dem Fall ein Versäumnis der Regierung von Tony Blair. Die öffentliche Sicherheit im Land sei nicht mehr garantiert, und das sei das eine ernsthafte Entwicklung, weil sich gerade Großbritannien auf eine lange Tradition berufen könne, wenn es darum geht Verfolgte und Regime-Kritiker aus aller Welt aufzunehmen. Vor wenigen Tagen ist der Innenminister John Reid deswegen ins Kreuzfeuer der Opposition geraten. Der konservative Abgeordnete Greg Hands.

    " Wenn Einwanderer hier in London auf offener Straße umgebracht werden können, dann geben wir unsere alte Rolle als "sicherer Hafen" auf. Diese Vorfälle haben auch unserem Ansehen in der Welt schwer geschadet, nicht nur dem Ansehen Russlands."

    Vielen britischen Politikern wird auf einmal klar, welche Bedeutung gerade London für russische Emigranten hat - und welche Risiken die russische Gemeinde mitbringt, die sich seit den 90er Jahren in der britischen Hauptstadt niederlässt. Tausende von Russen siedeln jedes Jahr nach London über, die wenigsten von ihnen kommen als Regimekritiker. Viele profitieren ganz einfach von den günstigen Steuergesetzen, und viele schätzen die stabile Lage im Land. Der bekannteste Russe in London ist Roman Abramovich, ihm gehört der Fußballclub Chelsea FC. Und mittlerweile ebenfalls bekannt ist der Öl- und Auto-Milliardär Boris Berezovsky, einer der schärfsten Kritiker von Vladimir Putin. Er hat Alexander Litwinenko nach London geholt, er hat ihn finanziell unterstützt, und er arbeitet seit Jahren von London aus gegen die Regierung in Moskau. Der Times-Journalist Richard Beeston.

    " Ich glaube, wir in Großbritannien haben uns in den 90er Jahren einige Illusionen gemacht über die Leute, die wir ins Land lassen. Jeder, der Geld hat, kann zu uns kommen und sogar einen britischen Pass erhalten, vorausgesetzt er bringt genügend Geld mit. Und es war großartig - diese Leute haben in unsere Fußballclubs investiert, Häuser gekauft, ihre Kinder auf unsere Privatschulen geschickt. Jetzt merken wir, dass es nicht nur Geschäftsleute waren, unter diesen Einwanderern sind Dissidenten, Ex-Agenten, russische Oligarchen und tschetschenische Separatisten. Wir haben sozusagen das gesamte Spektrum der russischen Gesellschaft ins Land geholt - und wenn sich die politische Situation in Russland verschärft, dann schlägt sich das auch hier bei uns nieder. "

    Viele Russen in London leben seit dem Tod von Alexander Litwinenko in Angst. Der Fall wirft nicht nur ein ungünstiges Licht auf die gesamte Gemeinde - viele kritische Russen sind besorgt, dass sie als nächstes ins Fadenkreuz des Geheimdienstes geraten könnten. Alexander Goldfarb, ein enger Freund von Alexander Litwinenko.

    " Wir Russen haben alle bislang angenommen, dass wir hier in London relativ sicher sind, dass russische Agenten sich einfach nicht trauen würden, hier zuzuschlagen. Aber jetzt haben wir gemerkt, dass sie sich trauen. Und das, obwohl Großbritannien und Russland nach außen vorgeben, Partner zu sein. "

    Heathrow Airport, im Westen von London, ist einer der Orte, an denen dieser politische Kriminalfall letztendlich aufgeklärt werden könnte. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass sich die Spur des Polonium 210, mit dem Alexander Litwinenko umgebracht wurde, durch mehrere Flugzeuge zieht, fast alle Maschinen waren auf der Route London-Moskau unterwegs. Die Frage, wie das Polonium an Bord gekommen ist, könnte einen Schlüssel liefern zu den Hintergründen und zu den Auftraggebern dieses Verbrechens. Der Geheimdienst-Experte Glenmore Trenear-Harvey.

    " Diese Substanz ist so dermaßen gefährlich, dass es für den Mörder eigentlich nur zwei Möglichkeiten gibt, sie in ein fremdes Land zu bringen. Entweder im Gepäck eines Diplomaten, das nicht vom Zoll untersucht werden darf, oder mit Hilfe eines Agenten, der das Polonium irgendwie durch die Flughafen-Kontrolle bringt. Aber das bemerkenswerteste an diesem ganzen Fall ist, dass dieses Gift eine so genaue Spur hinterlässt, die sich durch halb Europa zieht. Es ist eine sehr ungewöhnliche Art, jemanden umzubringen - aber die Mörder senden damit eine Botschaft an jeden Dissidenten: Ein grausamer Tod erwartet dich, wenn du dich den Russen in den Weg stellst. "

    Spuren von Polonium 210 wurden inzwischen auch in mehreren Hotels und Büros in London gefunden, und sogar in der britischen Botschaft in Moskau. Wie es passieren kann, dass eine hochgefährliche radioaktive Substanz nach London kommt, wie mehrere Personen mit Geheimdienst-Kontakten damit kontaminiert werden, und wie diese Substanz schließlich einen ehemaligen KGB-Agenten tötet - all das, ohne dass der britische Geheimdienst davon erfährt - das sind vermutlich auch Fragen, die sich Beamte bei Scotland Yard und beim britischen Secret Service stellen. Der Times-Journalist Richard Beeston.

    " Der britische Inlands-Geheimdienst MI5 war ein halbes Jahrhundert lang damit beschäftigt, russische Agenten abzuwehren. Nach dem 11. September gab es eine völlige Neuausrichtung, der gesamte Apparat hat sich auf einmal gegen den militanten Islam gerichtet. Der MI5 hatte deshalb in den letzten Jahren keine Ressourcen mehr für Russland. - Bei der britischen Polizei, die jetzt die Ermittlungen leitet, ist es das gleiche. Diese Beamten machen sich eher Sorgen um Selbstmord-Attentäter in der Londoner U-Bahn oder um "schmutzige Bomben" auf dem Trafalgar Square. Für die Ermittler von Scotland Yard ist es fast schon ärgerlich, dass sie sich jetzt um einen Fall kümmern müssen, der mehr oder weniger ein Problem der russischen Innenpolitik ist. Aber ich glaube, Polizei und Geheimdienst werden sich darauf einstellen. "

    Die bisherigen Ermittlungen im Fall Litwinenko zeigen, dass Spionage in Europa nach wie vor zum politischen Alltag gehört. Selten wurde in den internationalen Medien soviel über namentlich genannte Agenten berichtet wie in den vergangenen Wochen. Der Geheimdienst-Experte Glenmore Trenear-Harvey sieht allerdings Anzeichen dafür, dass die Tätigkeit der Geheimdienste außer Kontrolle gerät.

    " Wir haben uns in Europa an Spione gewöhnt. Auch die Kollegen in Deutschland beim BND und beim Bundesverfassungsschutz wissen, dass in ihrem Land jede Menge russische und chinesische Agenten operieren. Und ehrlicherweise sollten wir darauf hinweisen, dass unsere eigenen Spione auch in Moskau aktiv sind. Die Spionage in Europa hat einfach nie aufgehört. - Was wir allerdings nicht hinnehmen dürfen, auch wenn wir uns mit Auslandsspionage abfinden, das sind russische Agenten, die zu uns kommen und auf unserem Boden Attentate verüben. So etwas ist völlig inakzeptabel. "

    Für viele Beobachter deutet sich mit dem Tod von Alexander Litwinenko vor allem eine neue Marschrichtung in der russischen Politik an. In regelmäßigen Abständen werden in Russland inzwischen unliebsame Journalisten und Autoren ermordet, das Land mache mit seinen Kritikern kurzen Prozess, so die Kritiker - und der Fall Litwinenko zeige, dass auch Ländergrenzen dabei keine Rolle spielen Der ehemalige Moskau-Korrespondent der Times, Richard Beeston, sagt, Europa habe schon viel zu lange ein Auge zugedrückt.

    " Ich glaube einfach, Russland fühlt sich wieder stark. Vor allem weil das Land über so große Energiereserven verfügt, meint die russische Führung, sie könnte den Rest Europas erpressen und die europäische Politik sozusagen diktieren. Das ist eine schlimme Entwicklung. Als ich in den 90er Jahren in Russland gearbeitet haben, da wollten die meisten Russen das gleiche, was wir in Westeuropa wollten: eine gesunde Wirtschaft, eine stabile Gesellschaft, gute Schulen für die Kinder und Urlaubsreisen. Inzwischen kommt in Russland eine sehr starke, ausländerfeindliche Stimmung durch. Und wir im Westen sollten uns dem entgegenstellen: Entweder wir haben gemeinsame Werte oder nicht. Auf keinen Fall hinnehmen dürfen wir eine Rückkehr zu den Spielregeln des Kalten Kriegs. "
    Der Mord an Alexander Litwinenko bringt einen Hauch des Ost-West-Konflikts zurück nach Europa. Wenn sich herausstellt, dass der russische Geheimdienst oder Teile der russischen Regierung tatsächlich in diesen Anschlag verwickelt sind, dann müsste Europa seine Beziehungen zu Russland erneut überdenken.