Donnerstag, 25. April 2024

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Aggressoren vor dem Strafgerichtshof
"Für die Hermann Görings unserer Tage ist die Luft dünner geworden"

Zwei Wochen lang haben in New York die Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs über die Ausweitung von dessen Strafmacht gerungen. Der Völkerrechtler Claus Kreß erklärte im Dlf, wie es dem Gericht möglich werde, gegen Staatsführer vorzugehen, die Angriffskriege entfesseln.

Claus Kreß im Gespräch mit Michael Köhler | 17.12.2017
    Blick auf die Anklagebank beim Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg, 18.03.1946. Die Angeklagten schauen interessiert zum Zeugenstand (nicht im Bild) in dem im Moment dieser Aufnahme gerade Hermann Göring saß und seine Aussage machte.
    Blick auf die Anklagebank beim Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg, 18.03.1946. Die Angeklagten schauen interessiert zum Zeugenstand (nicht im Bild) in dem im Moment dieser Aufnahme gerade Hermann Göring saß und seine Aussage machte (picture-alliance / dpa)
    Dass dieser Punkt neben Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und dem Völkermord nun als vierter Anklagepunkt hinzugekommen sei, sei etwas Besonderes, sagte Kreß. Denn jahrzehntelang, trotz mehrerer Anläufe, habe sich das Völkerrecht hier nicht weiterentwickelt. Erstmals sei die Frage nach dem Ersten Weltkrieg aufgekommen, als die Engländer den deutschen Kaiser vor ein internationales Gericht stellen wollten.
    Die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verfahren seien allerdings enorm hoch, sagte Kreß. "Sie dürfen nicht damit rechnen, dass es nun im Wochentakt internationale Strafverfahren wegen Angriffskriegen gibt."
    Ein stumpfes Schwert?
    Auch wenn dieses Instrument nur für Fälle in der Zukunft genutzt werden könne, sei der Schritt in einem so hoch sensiblen politischen Bereich richtig, sagte der Völkerrechtler. Dieser könne "nicht auch noch mit übergroßen Erwartungen nach rückwirkender Anwendung" überfrachtet werden.
    Die Großmächte gehören auch weiterhin nicht dem Internationalen Strafgerichtshof an. Dementsprechend hoch seien die Hürden, Angehöriger dieser Großmächte etwa wegen eines Angriffskriegs anzuklagen. "Aber aus dem Umstand, dass diese Nichtvertragsstaaten, obwohl sie formal nicht betroffen sind, diese Verhandlungen mit dem allergrößten Interesse verfolgt haben, auch versucht haben, Einfluss zu nehmen: Daraus können Sie ersehen (...), die völkerrechtliche Landschaft hat sich geändert, die Frage der Strafbarkeit steht nun im Raum, der Rechtfertigungszwang, auch der zählt in der großen Völkerrechtspolitik, ist ein ganz anderer geworden."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.