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Agrargipfel
Zwölf-Punkte-Plan gegen schlechte Stimmung

Immer strengere Vorgaben, immer weniger Wertschätzung: Die anhaltenden Beschwerden der Bäuerinnen und Bauern in Deutschland haben sie bis ins Kanzleramt geführt. Das Ergebnis: Mehr Dialog und eine Zukunftskommission sollen Gesellschaft und Landwirte wieder zusammenbringen.

Von Katharina Hamberger | 02.12.2019
02.12.2019, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnet den «Agrargipfel» im Bundeskanzleramt hinter einer Stofftierkuh mit der Aufschrift «Die faire Milch». Eingeladen sind rund 40 Landwirtschaftsorganisationen. Hintergrund sind anhaltende Proteste von Bauern gegen geplante schärfere Umwelt- und Tierschutzvorgaben. Foto: Kay Nietfeld/dpa | Verwendung weltweit
Viele deutsche Landwirte fühlen sich ungehört, sogar zum Buhmann gemacht, von der Politik. (dpa)
Die Agrarpolitik der Bundesregierung - sie ist nun zur Chefinnensache geworden. "Ich hab sie eingeladen, weil mir dieser Dialog sehr, sehr wichtig ist", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Treffen mit 40 Vertretern von landwirtschaftlichen Verbänden und Organisationen, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, Kanzleramtsminister Helge Braun und Abgeordneten von Union und SPD.
Drei Stunden saß man im Kanzleramt zusammen. Die Kanzlerin selbst äußerte sich nicht mehr nach dem Treffen - dafür Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Auf zwölf Punkte habe man sich in den geeinigt, verkündete sie, darunter mehrere Gesprächsformate. Klöckner nannte unter anderem die von ihr schon länger angekündigten Dialogforen. Am 21. Januar, im Rahmen der Grünen Woche soll die erste Veranstaltung dazu stattfinden:
"Da werden wir das Thema 'Gesellschaft und Landwirtschaft' anteasern, einen Problemaufriss machen und werden dann durch Deutschland unterwegs sein, um aber eine größere Bandbreite mit an den Tisch zu holen."
Lebensmittelpreise: Treffen mit Handel geplant
Man wolle dann auch mit Umwelt- und Verbraucherverbänden, Landwirtschaft und der Politik sprechen. Dabei soll es unter anderem darum gehen, Wünsche zu formulieren und auch zu quantifizieren, wieviel deren Umsetzung kosten würde. Zudem kündigte Klöckner ein Zusammentreffen von ihr und der Bundeskanzlerin mit dem Handel an, Stichwort Lebensmittelpreise:
"Ich meine, man erzieht auch die Verbraucherinnen und Verbraucher: Wenn es Hähnchenschenkel 100 Gramm für 15 Cent gibt - ich erwähne es immer wieder - dann gewöhnen sich einige auch daran und dann dürfen wir uns nicht beschweren, dass es nachher nicht mehr reicht für Landwirte, geschweige denn höheren Tierschutzstandards", so Klöckner.
Die Stimmung zwischen Politik und Landwirten ist abgekühlt
Auslöser für die Gesprächsrunde heute waren die Proteste tausender Bauern, die vergangene Woche mit Traktoren nach Berlin gekommen waren. Die Landwirtschaftsministerin von der CDU tat sich schwer, bei ihrem Auftritt dort, Zustimmung zu bekommen; die SPD-Umweltministerin war sogar ausgebuht worden.
Ein Kritikpunkt der Bauern und Bäuerinnen: Die Auflagen, die sie im Rahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz der Bundesregierung erfüllen müssen. Die Landwirtschaftsministerin kündigte deshalb heute einen runden Tisch zusammen mit dem Umweltministerium an:
"Die Landwirtschaft ist nicht alleine daran beteiligt am Insektenrückgang - aber auch, wenn sie die Hälfte des Landes als Fläche ja auch nutzt. Und deshalb haben wir gesagt, bei der Umsetzung wollen wir über Instrumente reden, wollen wir uns auch Alternativen anschauen."
Eine Zukunftskommission soll Konzepte erstellen
Auch die Organisationen und Verbände selbst wollen laut Klöckner tätig werden - mit einer sogenannten Zukunftskommission.
"Wenn Landwirte auch zusammen sitzen in der Beschreibung, dass sie davon leben können müssen; von dem, was sie tun - sind sich viele einig. Wenn es aber konkret wird: in welche Richtung gehen wir dann - da gibt es auch, das hat man heute gesehen, sehr unterschiedliche Vorstellungen. Und das war insofern ganz interessant, dass wir jetzt gesagt haben: Aus dem Berufsstand heraus soll das Konzept einer Zukunftskommission kommen."
Zudem will die Ministerin dann im Dezember die eigentlich bereits für Herbst dieses Jahres angekündigte Ackerbaustrategie vorlegen, in der, wie sie sagt, Lösungen für Zielkonflikte formuliert werden sollen. Im kommenden Jahr soll dann die heutige Runde im Kanzleramt nochmal zusammenkommen. Das hatte Bundeskanzlerin Merkel schon vorab angekündigt.